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Schweinegrippe-Impstoff

Adjuvans weiter in der Kritik

17.07.2012  11:22 Uhr

Von Annette Mende / Menschen, die während der Schweinegrippe-Pandemie den adjuvantierten Impfstoff gegen das H1N1-Virus erhalten haben, hatten danach ein leicht erhöhtes Risiko für die seltene neurologische Erkrankung Guillain-Barré-Syndrom. Dieses Ergebnis einer aktuellen kanadischen Untersuchung erhärtet bestehende Bedenken gegen den Wirkverstärkter AS03.

Für die Studie untersuchten Forscher der Universität Quebec im Auftrag der Gesundheitsbehörde sämtliche Fälle von Guillain-Barré-Syndrom (GBS), die während eines halben Jahres nach Start der Impfkampagne in der Provinz Quebec auftraten, auf einen möglichen Zusammenhang mit der Schweinegrippe-Impfung. Im Fachjournal »JAMA« schreiben sie, dass ihre Berechnungen einen zwar geringen, aber signifikanten Risikoanstieg ergaben (doi: 10.1001/jama.2012.7342).

Demnach hat die Impfung gegen das H1N1-Virus im Durchschnitt bei zwei von 1 Million Geimpften ein GBS ausgelöst; die Erkrankungsrate betrug 2,3 pro 100 000 Patientenjahre. Das ist etwas mehr als die aus epidemio­logischen Studien ermittelte übliche Erkrankungsrate von 1,1 bis 1,8 pro 100 000 Patientenjahre. Der Risiko­anstieg für die Erkrankung war nur bei Menschen zu beobachten, die älter als 50 Jahre waren.

 

Trotz dieses Zusammenhangs glauben die Autoren, dass der Nutzen der Impfung ihre Nachteile aufgewogen hat. Die Impfung habe geimpfte Personen sehr effektiv vor einer Infektion mit dem pandemischen Influenzaerreger geschützt. Dadurch sei in vielen Fällen ein Krankenhaus­auf­enthalt oder gar der Tod verhindert worden: In Quebec musste durchschnittlich einer von 2500 Infizierten stationär behandelt werden; einer von 75 000 Erkrankten starb an der Schweinegrippe.

 

Frühere Studien zum Zusammenhang zwischen GBS und der Schweinegrippe-Impfung hatten zum Teil andere Ergebnisse geliefert. So konnten zum Beispiel die Autoren einer im Juli vergangenen Jahres im Auftrag der EU-Gesundheitsbehörde ECDC publizierten Untersuchung nach Analyse der Daten von etwa 50 Millionen Menschen keinen Zusammenhang finden (doi: 10.1136/bmj.d3908).

 

In der vorliegenden Arbeit gehen die Autoren auf diese Widersprüche ein. Mögliche Gründe sind aus ihrer Sicht, dass nicht in allen früheren Studien die erforderlichen Fallzahlen erreicht wurden, die nötig sind, um einen Risikoanstieg bei einer so seltenen Erkrankung wie dem GBS statistisch signifikant zu erfassen. Zudem hätten einige andere Untersuchungen auch Fälle berücksichtigt, in denen ein nicht adjuvantierter Schweinegrippe-Impfstoff zum Einsatz gekommen war. Die schädlichen Wirkungen des Pandemieimpfstoffs werden jedoch hauptsächlich dem Wirkverstärker AS03 zugeschrieben, der auch in der in Deutschland verimpften Vakzine Pandemrix® enthalten war. In Quebec kam während der Schweinegrippe-Welle nahezu ausschließlich Impfstoff mit diesem Adjuvans zum Einsatz.

 

Narkolepsie nach Impfung

 

Während die Datenlage zur Verbindung zwischen AS03 und GBS also uneinheitlich ist, scheint ein ursächlicher Zusammenhang mit der seltenen Schlaf-Wach-Störung Narkolepsie gesichert zu sein. Seit Sommer vergangenen Jahres empfiehlt die europäische Arzneimittelbehörde EMA daher, Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren nicht mit Pandemrix zu impfen. Das Paul-Ehrlich-Institut meldete im Mai, dass in Deutschland 29 Narkolepsie-Verdachtsfälle registriert wurden, die in zeitlichem Zusammenhang mit einer Pandemrix-Impfung aufgetreten sind. In den saisonalen Impfstoffen zur Grippe-Prophylaxe der vergangenen Jahre war zwar immer auch eine H1N1-Antigen-Komponente enthalten, jedoch nicht das Adjuvans AS03. / 

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