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Sonnenschutz

Der richtige Umgang mit der Sonne

02.07.2007  10:50 Uhr

Sonnenschutz

Der richtige Umgang mit der Sonne

Von Conny Becker

 

Dass UV-Strahlung der wichtigste Risikofaktor für Hautkrebs ist, hat sich herumgesprochen. Daher ist mit dem Ferienbeginn in der Apotheke wieder verstärkt die Beratung zum Thema Sonnenschutz gefragt. Ist Vorbräunen sinnvoll? Wie hilfreich sind Nahrungsergänzungsmittel? Und auch bei der Auswahl der Sonnenschutzcreme und deren korrekter Anwendung gibt es einiges zu beachten.

 

Wohl dem Großteil der Deutschen ist inzwischen der Zusammenhang zwischen Sonnenbrand und Hautkrebs bekannt. Doch das positive Gefühl von Sonne auf der Haut lässt so manchen guten Vorsatz vergessen. Viele Menschen verhalten sich immer noch zu leichtfertig im Umgang mit der Sonne.

 

Zumindest Eltern sollten jedoch verantwortungsvoll handeln und Säuglinge und Kleinkinder nicht der Sonne aussetzen, denn bis zum zweiten Lebensjahr ist die Hautbarrierefunktion noch nicht ausgereift. »Was wollen Sie mit einem braunen Kind, wenn Sie wissen, dass es später Hautkrebs bekommt ?«, fragt Dr. Tobias Forschner vom Berliner Charité-Klinikum in einem Gespräch mit der PZ. Schließlich kommen zahlreiche Studien darin überein, dass die Zahl der Sonnenbrände in der frühen Kindheit, genauer bis zum zehnten Lebensjahr, ausschlaggebend für die Entwicklung von Melanomen ist.

 

Derzeit erkranken nach Angaben des Robert-Koch-Instituts jährlich Hunderttausende Deutsche an den verschiedenen Vorstufen und Formen von Hautkrebs, davon rund 15.000 am malignen Melanom (schwarzer Hautkrebs). Dessen Inzidenz hat sich in den vergangenen zehn Jahren etwa verdoppelt, was vermutlich mit einem veränderten Freizeitverhalten zu erklären ist. Beim hellen Hautkrebs trägt jedoch auch die Demografie eine Mitschuld, da das Alter als Risikofaktor gilt. »Jeder Zweite über 60 Jahre hat solche Lichtkeratosen«, erklärt Forschner. Für ihre Entstehung spiele die Summe der UV-Strahlung eine wichtigere Rolle als die Zahl der Sonnenbrände.

 

Auslöser des Sonnenbrands und schließlich auch von schwarzem Hautkrebs sind in erster Linie die energiereichen UV-B-Strahlen der Sonne, die mit Wellenlängen von 290 bis 320 nm in den oberen Hautschichten verbleiben. Aber auch die tiefer in die Haut eindringenden UV-A-Strahlen (320 bis 400 nm) beschleunigen nicht nur die Hautalterung und die als »Sonnenallergie« bekannte polymorphe Lichtdermatose, sondern tragen in höheren Dosen auch zur Entstehung von Hautkrebs bei. Dem Photodermatologen zufolge muss jede Rötung durch Sonneneinstrahlung vermieden werden. »Schon die erste Rötung ist ein Sonnenbrand und zeigt eine Dermatitis an«, sagt Forschner. »Es gibt keinen gesunden Sonnenbrand.«

 

Um die Haut auf eine erhöhte Sonnenexposition in den Ferien vorzubereiten, besuchen viele Deutsche vor dem Urlaub Sonnenstudios. Dermatologen wie Forschner raten jedoch davon ab, da dies wenig nützt und zudem die Hautalterung beschleunigt. In Solarien wird nämlich vor allem mit UV-A-Strahlung gearbeitet, die in hoher Dosierung ebenfalls eine Pigmentierung bewirkt. Die Haut pigmentiert allerdings anders als bei UV-B-Strahlung, nämlich in der tiefer gelegenen Dermis. Die oberen Hautschichten bleiben somit ungeschützt.

 

Auch wer glaubt, seine Haut mittels Selbstbräuner vor einem Sonnenbrand schützen zu können, liegt falsch: »Die Korneozyten werden hier gebräunt, indem man externes Pigment einschleust. Zur Vorbereitung auf die Sonne bringt dies allerdings nichts«, sagt Forschner. Besser sei, die Haut schon langsam in Deutschland an die Sonne zu gewöhnen. Wer dies effektiv mache, könne so einen Lichtschutzfaktor von 2 bis 4 erreichen. Wie im Urlaub heißt es aber auch hier: Ungebräunte helle Haut hat nur einen geringen Eigenschutz. Daher sollte die Zeit des Sonnenbades nur langsam gesteigert werden, um etwa 25 Prozent täglich.

 

»Generell gilt es, die Mittagssonne zwischen 11 und 15 Uhr zu meiden, da in diesen vier Stunden etwa die Hälfte der Tagesmenge an UV-B-Strahlung auf die Erdoberfläche trifft«, erklärt der Mediziner. Er rät zudem, lange Kleidung und eine Kopfbedeckung zu tragen und unbedeckte Stellen mit Sonnencreme zu schützen. Da UV-B-Strahlung stark gestreut wird, schützt auch der Aufenthalt im Schatten empfindliche Haut nicht vollständig vor Sonnenbrand.

 

Sonnenschutz zum Schlucken?

 

Vorbräunen kann man sich auch mit großen Mengen an Möhrensaft oder Betacarotin-Tabletten. Das enthaltene Provitamin A ist ein endogener Photoprotektor, der in Interventionsstudien das Auftreten von Erythemen nach UV-Bestrahlung verhindern konnte. Der Schutz entsteht jedoch nicht durch die Bräunung, sondern dadurch, dass Betacarotin als Radikalfänger fungiert und somit die Zellen auf den Zellstress durch Sauerstoffradikale vorbereitet.

 

Neben Betacarotin werden auch andere Substanzen mit einem Sonnenschutz-Effekt beworben. Hierzu zählen Präparate, die zum Beispiel Lycopin, die Vitamine A, C, E oder Polyphenole enthalten. »Die Einnahme von Radikalfängern ist an sich sinnvoll, allerdings kann so nur ein maximaler Lichtschutzfaktor von 2 bis 3 erreicht werden«, sagt Forschner. Ihn überzeugt der Sonnenschutz zum Schlucken nicht. Denn dieser verdoppelt gerade mal die maximale Zeit bis zu einem Sonnenbad, und das auch nur, wenn man nicht raucht.

 

Bei Rauchern sei peroral eingenommenes Lycopin schon nach 15 Minuten verbraucht, da der Radikalfänger zur Minimierung des vom Rauchen verursachten Zellstresses benötigt wird. Ein effektiver Sonnenschutz per Tablette bleibt also vorerst noch Utopie, auch wenn immer mehr Pflanzeninhaltsstoffe auf diese Wirkung hin untersucht werden.

 

LSF wird kaum erreicht

 

Für ein möglichst gefahrloses Sonnenbad sind daher weiterhin Sonnencremes unerlässlich, egal ob auf Pigmentbasis mit Titandioxid (oder Zinkoxid), mittels chemischer Filter oder der häufigen Kombination beider Strategien. Bezüglich ihrer Deklaration hat sich vergangenes Jahr EU-weit eine neue Regelung durchgesetzt, sodass nun zum Beispiel ein UV-A-Filter obligatorisch enthalten sein muss und irreführende Aussagen wie »sun block« nicht mehr gestattet sind. Die Höchstgrenze für Lichtschutzfaktoren (LSF) liegt jetzt bei »50+«, wobei sich der Wert auf die Absorption von UV-B-Strahlung bezieht (siehe auch Titelbeitrag PZ 22/07).

 

Apothekenmitarbeiter sollten bei der Abgabe von Sonnencremes trotz vermeintlicher Banalität stets darauf hinweisen, dass das Produkt möglichst schon 20 bis 30 Minuten vor dem Sonnenbad und mehrfach wiederholt, vor allem nach dem Schwimmen, aufgetragen werden sollte. Nur so kann der deklarierte Schutz überhaupt erreicht und nicht etwa verlängert werden.

 

Außerdem sollte das Sonnenschutzmittel großzügig aufgetragen werden. Denn den standardisierten Industrietests wird eine verbrauchte Menge von 2 mg/cm2 Haut zugrunde gelegt, was bei der durchschnittlichen Körperoberfläche eines Erwachsenen von 2 m2 etwa 40 ml Lotion ergibt. »Das schafft kaum einer«, sagt Forschner. So haben auch verschiedene Untersuchungen ergeben, dass der auf den Verpackungen von Sonnenschutzmitteln deklarierte Schutzfaktor bei der üblichen Anwendung nicht erreicht wird.

 

Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat daher bereits vor zwei Jahren vorgeschlagen, die Testmethoden im Labor dem Verbraucherverhalten anzupassen. Doch die Industrie testet weiterhin nach der herkömmlichen Norm. Angesichts dieser Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis wird auch dem Laien verständlich, wie wichtig es ist, regelmäßig nachzucremen.

 

Eine angemessene Dosierung ist bei Pigmenthaltigen Präparaten leichter zu erkennen, da diese weißeln. »Ein Weißeffekt ist erwünscht und verliert sich zudem nach kurzer Zeit«, erklärt der Mediziner. Verbraucher können ihn somit als Indikator für einen wirksamen Schutz sehen. Eine der Realität angepasste Merkformel des Dermatologen lautet: »An einem Strandtag benötigt eine vierköpfige Familie fast eine 150-ml-Flasche«

 

Individuelle Tipps

 

Da die empfohlene Auftragmenge selten erreicht wird, sollte der Lichtschutzfaktor möglichst hoch sein. Für den Strandurlaub empfiehlt Forschner Menschen vom Hauttyp I (helle Haut/Sommersprossen/rote oder blonde Haare) Cremes mit LSF 40 oder höher, vom Hauttyp II (helle Haut/blonde Haare) Präparate mit LSF 30 bis 40. Selbst Braunhaarigen (Typ III) rät der Dermatologe, mindestens einen LSF 20 zu benutzen. Kunden, die befürchten, nicht mehr braun zu werden, kann eventuell ein Rechenbeispiel überzeugen: Denn der LSF verlängert zwar die Zeitspanne bis zum Sonnenbrand um den entsprechenden Faktor. Doch wenn man bedenkt, dass die Eigenschutzzeit der Haut in der Sommersonne anfänglich nur 5 (Hauttyp I) bis 30 Minuten (Hauttyp III) beträgt, wird die hoch erscheinende Empfehlung allzu verständlich.

 

Bei Kindern ist ein hoher LSF von mindestens 40 ein Muss. Zudem wird empfohlen, Cremes mit physikalischen Filtern zu benutzen, da die Diskussion über eine estrogene Wirkung einiger chemischer Filter (vor allem der Zimtsäureester) noch immer nicht beendet ist. Generell ist es ratsam, hypoallergene, parfümfreie Präparate zu kaufen. Dies kann etwa der Mallorca-Akne weitestgehend vorbeugen, deren Auftreten durch fettige Cremes begünstigt wird. Kunden sollten auch wissen, dass es sich lohnt, hiesige, wenn auch tendenziell teurere Produkte zu verwenden, da ausländische Präparate Konservierungsmittel enthalten können, die hautirritierend sind.

 

Besonders Menschen mit Neurodermitis müssen darauf achten, dass ihr Produkt hypoallergen ist und weder Parfum noch Konservierungsmittel enthält. Psoriasispatienten sind weniger empfindlich, so Forschner. Beiden Patientengruppen ist gemein, dass für sie die Sonnenbestrahlung gleichsam Therapie ist und hier selbst Dermatologen einen, allerdings bewussten, Umgang mit der Sonne empfehlen. Dabei profitieren Psoriatiker wie in der Strahlentherapie davon, dass sich ihre Keratinozyten unter UV-B-Bestrahlung weniger stark teilen. Patienten mit atopischer Dermatitis, deren Überempfindlichkeitsreaktion auf einer Hochregulierung von Th2-Zellen beruht, nützt dagegen der immunsuppressive Effekt von UV-A-Strahlung.

 

Seit Neuestem bewerben manche Hersteller ihre Sonnencremes auch mit einem neuen »Infrarot-Schutz«, der laut Forschner allerdings nicht mehr als eine Marketingstrategie ist. Zwar sei es experimentell »gelungen«, bei Mäusen per Infrarotbestrahlung Hautkrebs auszulösen, die Dosen betrugen aber ein Vielfaches der normalen Strahlung. Somit sei dieser Schutz für den Menschen irrelevant, sagt Forschner.

 

Sonnenbrand lindern

 

Nach dem Sonnenbaden und meist häufigem Duschen ist auch die Nachpflege wichtig. Hier sind bei der Hitze Gele zwar angenehm kühlend, trocknen aber auch die Haut aus. Eine Après-Pflege sollte vielmehr den transepidermalen Wasserverlust ausgleichen und wie eine Creme, Emulsion oder Lotion einen hohen Wasseranteil aufweisen. Salben eignen sich daher nicht.

 

Viel beworbene Zusätze von entzündungshemmendem Aloe vera oder dem Radikalfänger Vitamin E können aus Sicht des Dermatologen vorteilhaft sein, ihre Wirkung sei aber nicht klinisch erwiesen. Urea pura, Dexpanthenol, Bisabolol oder Glycerin erhöhen den Feuchtigkeitsanteil des Produktes und bilden somit ebenfalls einen sinnvollen, wenn auch nicht essenziellen Zusatz. Nicht enthalten sein sollten PEG-Emulgatoren, Konservierungsmittel, allergieauslösende Duftstoffe oder synthetische polyzyklische Moschus-Verbindungen, die sich im Fettgewebe anreichern können.

 

Eine leichte Rötung der Haut kann das Algenenzym Photolyase lindern (in Ladival® Regeneration après). Das Enzym spaltet die durch UV-B-Strahlung entstandenen Thymidindimere auf und regeneriert auf diese Weise die geschädigte DNA. Besser als bei diesem Enzym sei die Studienlage laut Forschner bei einem zweiten DNA-Reparaturenzym, der sogenannten T4N5-Endonuklease. Diese spaltet UV-induzierte Pyrimidindimere und wird Erfolg versprechend als topische Substitutionstherapie bei einem Enzymdefekt angewandt. Evidenzbasierte Studien zur Verbesserung von UV-induzierten Langzeitschäden stehen bei beiden Formulierungen jedoch aus.

 

Antihistaminikum nicht topisch

 

Bei stärkeren, schmerzhaften Verbrennungen sollte lokal ein mildes Cortisonpräparat aufgetragen werden, um die Entzündung zu mildern. Zu Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Indomethacin rät Forschner bei Schmerzen. Gegen Juckreiz, Gefäßerweiterung und damit gegen Rötung und Schwellung der betroffenen Hautareale eignen sich peroral applizierte Antihistaminika. Topisch aufgetragen seien sie zu niedrig dosiert und besser für die Behandlung von Mückenstichen geeignet, so der Dermatologe.

 

Eine homöopathische Behandlung von Sonnenallergie oder Sonnenbrand mit Acidum hydrofluoricum D12, Aconitum D6 oder Cantharis D6, der Spanischen Fliege, hält der Mediziner auch bei Kindern wegen mangelnder Wirksamkeitsnachweise nicht für sinnvoll.

 

Phototoxische Reaktion möglich

 

Patienten sollten wissen, dass einige Medikamente ihre Haut empfindlicher gegenüber Sonnenstrahlung machen. Dies betrifft in der Selbstmedikation vor allem Johanniskraut-, Arnika- sowie Baldrianpräparate. Häufig sind phototoxische Reaktionen auch bei Doxycyclin und anderen Tetracyclinen zu beobachten. Die klinisch wichtigsten systemisch phototoxisch wirkenden Medikamente sind laut AWMF-Leitlinie ferner Psoralene, Nalidixinsäure, Furosemid, Amiodaron, Phenothiazine, Quinolone, nichtsteroidale Antiphlogistika und Fibrate. Die Leitlinie ist unter www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/013-035.htm einzusehen.

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