Pharmazeutische Zeitung online
Erkrankungen der Speiseröhre

Viele Ursachen, ähnliche Symptome

08.06.2015  12:21 Uhr

Von Thomas Frieling / Schluckstörungen, Aufstoßen und Sodbrennen gehören zu den typischen Beschwerden bei Erkrankungen der Speiseröhre. Auch Brustschmerzen kommen oftmals nicht vom Herzen, sondern vom Ösophagus. Ein Überblick über Erkrankungen des schlanken Organs.

Der Ösophagus ist ein 20 bis 22 cm langer Muskelschlauch zwischen unterem Rachen (Hypopharynx) und Magen, der aus einer zirkulären und longitudinalen Muskelschicht besteht und durch den oberen und unteren Ösophagussphinkter abgeschlossen ist. Das obere Drittel der Speiseröhrenmuskulatur ist quergestreift, die unteren zwei Drittel glattmuskulär. Der geordnete Transport von Nahrung erfolgt durch zeit­gerechtes Öffnen des oberen und ­unteren Ösophagussphinkters und ­peristaltische Kontraktionen der tubulären Speiseröhre nach dem Schluckakt. 

Die Speiseröhre hat keinen Serosa-Überzug (Auskleidung mit Epithelzellen), sondern nur eine Adventitia (Bindegewebeschicht). Dies ist ein Grund für die frühe Ausbreitung und lymphogene Metastasierung beim Ösophaguskarzinom.

 

Die Speiseröhre ist ein sensorisches Organ. Der weitaus überwiegende Anteil (90 Prozent) der Vagusfasern ist afferent: Das Gehirn erhält also viel mehr Informationen, als es zum Ösophagus abgibt. Zusätzlich überlappen sich die sensorischen Nervenbahnen, die Informationen vom Herzen und der Speiseröhre zum Gehirn senden. Dies ist ein Grund dafür, dass Erkrankungen der Speiseröhre zu Herzinfarkt-ähnlichen Schmerzen (non-cardiac chest pain) führen können. Zusätzlich können Erkrankungen wie Reflux oder Spasmen durch die engen Nervenverbindungen zum Herzen Koronarspasmen verursachen.

 

Typische Symptome

 

Hauptsymptome von Speiseröhrenerkrankungen sind Dysphagie (Schluckstörung), Regurgitation (Zurückfließen von Mageninhalt in Speiseröhre und Mund), Sodbrennen, Globus (»Kloß im Hals«) und Brustschmerzen. Hierbei gilt die Dysphagie als Alarmsymptom, das immer frühzeitig endoskopisch ­abgeklärt werden muss.

Schluckstörungen werden differenziert in die oropharyngeale Dysphagie mit Verschlucken, Husten und nasaler Regurgitation und in die ösophageale Dysphagie mit/ohne Regurgitation. Bei persistierenden Beschwerden ist immer eine Ösophagogastro-Duodeno­skopie (Spiegelung von Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm) indiziert.

 

Eine Notfallsituation ist die akute Bolusobstruktion (»Steakhouse Syndrom«), bei der dem Patienten ein großer Bissen Nahrung im Rachen stecken bleibt und nicht mehr ausgehustet werden kann. Hier muss sehr rasch eine Endoskopie mit Beseitigung des Bolus erfolgen. Leidet der Patient an einem Globusgefühl, sollte der Arzt nach Magenschleimhaut-Heterotopien im proximalen (oberen) Ösophagus (Abbildung) sowie nach einem hohen gastroösophagealen Reflux fahnden.

 

Nicht-kardiale Thoraxschmerzen (NCCP) sind wiederkehrende Angina-Pectoris-ähnliche Schmerzen, wobei sich durch konventionelle Untersuchungen keine koronare Herzerkrankung als Ursache nachweisen lässt. Etwa 70 Prozent der Menschen, die mit Brustschmerzen zum Arzt gehen, leiden an NCCP. In vielen Fällen finden sich ösophageale Ursachen wie gastro-ösophageale Refluxkrankheit (GERD), Motilitätsstörungen, Infektionen, Tabletten-induzierte Ulzera, Ringe und Webs (Narbenbildungen).

 

In Deutschland wird keine Screening-Untersuchung der Speiseröhre empfohlen. Wichtig ist aber, dass Symptome frühzeitig abgeklärt werden. Dies gilt vor allem für das Alarmsym­ptom Dysphagie. Beim Brustschmerz ist die Suche nach Veränderungen in der Speiseröhre wichtig, um eine klare Diagnose stellen und eine Therapie einleiten zu können. Ebenso müssen vor einer Langzeittherapie mit Protonenpumpenhemmern (PPI) bei Verdacht auf Refluxbeschwerden die Ursachen geklärt werden.

Funktionsstörungen versus funktionelle Erkrankungen

Ösophagusfunktionsstörungen sind definierte Motilitätsstörungen der Speiseröhre. Dazu gehören Achalasie, diffuser Ösophagusspasmus, hyperkontraktiler Ösophagus sowie Hypomotilität der glattmuskulären Speiseröhre bei Sklerodermie. Sie können durch entsprechende Funktionsuntersuchungen charakterisiert und behandelt werden.

 

Die Achalasie ist gekennzeichnet durch eine fehlende oder unzureichende Relaxation des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) und den Verlust der tubulären Ösophagusperistaltik. Beim diffusen Ösophagusspasmus und hyperkontraktilen Ösophagus kommt es zu erhöhten und verlän­gerten Kontraktionen bei normaler Sphinkterfunktion. Leitsymptome sind Dysphagie, Regurgitation unverdauter Nahrung und Brustschmerzen. Seltener treten nächtlicher Husten durch Aspiration, Sodbrennen, Brustschmerzen und Gewichtsverlust auf. Das Risiko der Entwicklung eines Ösophaguskarzinoms ist erhöht. Auch heute noch vergehen im Mittel sechs Jahre bis zur Diagnosestellung. Wichtig ist die Differenzierung zur Pseudoachalasie (2 bis 4 Prozent), die überwiegend durch infiltrierende Tumoren oder neoplastisch bedingt ist.

 

Gegenüber den etablierten operativen Therapieverfahren sind Medikamente (Nitropräparate, Calciumantagonisten) und die Injektion von Botulinumtoxin weniger relevant. Im Endstadium einer Achalasie kann die Ösophagusresektion mit Magenhochzug erwogen werden.

 

Als funktionelle Ösophaguserkrankungen bezeichnet man speiseröhrenbezogene Beschwerden, für die sich mit konventionellen Methoden keine organischen Korrelate oder definierte Funktionsstörung nachweisen lassen. Sie werden nach den Rom-Konsensuskonferenzen (aktuell: Rom III) in funktionelles Sodbrennen, Dysphagie, Globus und Thoraxschmerzen eingeteilt. Etabliert sind hier die psychosomatische Behandlung sowie die Gabe von trizyklischen Antidepressiva und Serotonin-Wiederaufnahmehemmern.

 

Neuere Untersuchungen zeigen, dass bei einer differenzierten Untersuchung oft doch organische Erkrankungen in der Speiseröhre vorliegen, die erfolgreich behandelt werden können.

Gibt es einen Altersösophagus?

 

Schluckstörungen nehmen im Alter zu und beeinflussen den Ernährungszustand, die Entwicklung und Prognose von Erkrankungen, die Lebensqualität und die Mortalität des Seniors entscheidend. Nach Untersuchungen ist eine Dysphagie bei 12 bis 20 Prozent der Patienten in Akutkrankenhäusern, 30 bis 40 Prozent der Patienten in neu- ro­logisch-geriatrischen Kliniken und 60 Prozent der Bewohner in Altenheimen nachweisbar. Es wird vermutet, dass Schluckstörungen für etwa 45 Prozent der Zwölf-Monats-Sterblichkeit verantwortlich sind.

 

Altersabhängige Ursachen können zum Beispiel massive Mundtrockenheit (Xerostomie), Exsikkose, schlechter Zahnstatus, anatomische Veränderungen, Tumoren, Ösophagusentzündungen, Medikamente (Anticholinergika, Antihistaminika, Calciumkanalhemmer) und neurologische Erkrankungen sein. Insbesondere bei Schlaganfall­patienten sollte frühzeitig, das heißt bereits auf der Stroke Unit, gezielt nach Schluckstörungen gefahndet werden, da diese die Gefahr einer Aspirationspneumonie erhöhen und die Prognose entscheidend beeinträchtigen.

 

Es wird kontrovers diskutiert, ob mit dem Alter die Ösophagusfunktionen per se abnehmen, also ein »Altersösophagus« auftreten kann. Durch die ­verminderte Clearancefunktion der Speiseröhre treten bei alten Menschen häufiger Entzündungen des Organs auf, die meist relativ spät bemerkt werden und deshalb sehr ausgeprägt sein können. Dies trifft insbesondere für ­Reflux- und Tabletten-induzierte Entzündungen und Ulcera zu.

Tabelle 1: Erregerspektrum der infektiösen Ösophagitis

Erreger Beispiele
Pilze Candida albicans und andere Spezies, Cryptococcus neoformans, Histoplasma capsulatum, Mucor, Aspergillus-Spezies
Viren Cytomegalie-Virus (CMV), Herpes-simplex-Virus (HSV), Epstein-Barr-Virus (EBV), Varicella-zoster-Virus (VCV), Human-immuno­deficiency-Virus (HIV), Papova-Virus
Bakterien Betahämolytische Streptokokken, Lactobacillus, Nocardia, Actinomyces, atypische Mycobakterien, Mycobacterium tuberculosis
Protozoen Kryptosporidien, Pneumocystis carinii, Leishmania donovani

Anatomie verändert

 

Der Nahrungstransport durch die Speiseröhre kann durch die drei physiolo­gischen Engen im Ösophagus, durch Impressionen (Einengungen) durch Spondylophyten der Halswirbelsäule, Gefäße (Aortenbogensyndrom) und einen vergrößerten rechten Vorhof verzögert werden. Ösophagus­divertikel (sackartige Ausstülpungen der Speiseröhrenwand) sind selten und in der Regel asymptomatisch. Eine endoskopische oder chirurgische Behandlung ist nur bei Beschwerden ­erforderlich.

 

Hernien (»Brüche«) werden in vier Typen differenziert. Typ I (Hiatusgleithernie) und IV (Riesenhernie) können zu Refluxbeschwerden, Typ II und III (paraösophageale und gemischte Hernien) zu postprandialem Völlegefühl, Palpitationen, Kurzatmigkeit, Schmerzen, Dysphagie, Regurgitation mit Aspiration, Übelkeit, Erbrechen, Eisenmangelanämie und Gewichtsverlust führen. Nur symptomatische Hernien sollten behandelt werden.

 

Schmerzhafte Entzündungen

 

Leitsymptome der Speisenröhrenentzündung (Ösophagitis) sind retrosternale Schmerzen, die mit einer Dysphagie einhergehen können. Gelegentlich liegt nur ein hartnäckiger Singultus (Schluckauf) vor. Häufig werden die Schmerzen durch bestimmte Nahrung wie Fruchtsäfte oder säurehaltige ­Getränke, kalte oder warme Speisen ausgelöst. Selten leiden die Patienten zusätzlich an Fieber, Übelkeit, Blutungen und Ösophagusperforationen. Bei älteren Menschen wird eine Entzündung, zum Beispiel eine Sooröso­­pha­gitis, mitunter als endoskopischer ­Zufallsbefund nachgewiesen.

 

Bei Verdacht auf eine Infektion lohnt sich die Inspektion des Nasen-Rachen-Raums. Beim Nachweis einer Candida- oder Herpes-simplex-Sto­matitis kann in der Regel auf eine ­En­doskopie verzichtet werden, da bei ­entsprechenden Symptomen ein Ösophagusbefall wahrscheinlich ist. Eine Pilzösophagitis kann in der Endoskopie anhand der typischen weißlichen plaqueartigen Beläge, die beim Entfernen zu Schleimhautblutungen führen, bereits makroskopisch erkannt werden. Bei allen unklaren Entzündungen sollte der Arzt immer eine Biopsie zur Histologie und einen Bürstenabstrich zur ­Zytologie entnehmen.

 

Die Tabelle 1 zeigt die wichtigsten ­Erreger. Die Therapie erfolgt systemisch, die lokale Gabe von Antimykotika ist bei der Pilzösophagitis nicht effektiv.

Tabelle 2: Risikofaktoren für medikamentös induzierte Speiseröhrenschäden

Faktoren Beispiele
Patienten­individuell höheres Alter männliches Geschlecht verlängerte Passagezeit durch zu geringe Flüssigkeits­menge bei Medikamenteneinnahme Medikamenteneinnahme im Liegen oder kurz vor dem Zubettgehen
Organ- abhängig verminderte Speichelbildung (auch durch Medikamente) Ösophagus-Motilitätsstörungen Passagestörung durch Vorhofdilatation
Medikamenten­abhängig azidische Präparate Konzentration der Substanzen Form und Größe von Kapsel oder Tablette: ovale und kleinere besser als runde, größere Tabletten Retardpräparate Kapseln werden langsamer transportiert

Arzneimittel als Schadensursache

 

Medikamentös induzierte Ösophagusschäden sind lokalisierte Schleimhautläsionen, die durch eine verlängerte Kontaktzeit zwischen Medikament und Speiseröhrenschleimhaut bedingt sind. Die Arzneimittel können mehrere Stunden in der Speiseröhre, überwiegend im Bereich der physiologischen Engen verweilen. Am häufigsten passiert dies im Bereich der distalen Speiseröhre, wo die Schadeffekte durch den gastroösophagealen Reflux verstärkt werden können.

 

Die Schäden können zu Perforationen und Strikturen führen. Wesentliche Risikofaktoren (Tabelle 2) sind

 

  • verlängerte Passagezeit des Ösophagus mit verlängerter Verweildauer der Substanz (Größe über 20 mm, Kapseln),
  • Azidität (pH unter 2 bis 3) der gelösten Substanzen (Tetrazykline),
  • zytolytische Aktivität der Substanz (Tetracycline, Distraneurin, Eisensulfat) oder der gelösten Substanz (NSAID),
  • hyperosmolare Lösung der Substanz (KCl, Emepromiumbromid),
  • Schädigung der Phospholipidschicht der Schleimhaut (Bisphosphonate),
  • Schädigung der Schleimhautbarriere für Hydrogendiffusion (Acetylsalicylsäure),
  • Hitze (Clinitest Tabletten).
     

Ebenso können Medikamente Reflux-induzierte Schleimhautschäden potenzieren (NSAID: Lipophilie in saurer ­Umgebung).

 

Mehr als 90 Prozent der Schäden entstehen durch Antibiotika, antivirale Substanzen, Kaliumchlorid, Eisenpräparate, Chinidin, NSAID und Bisphosphonate. Heute sind NSAID die häufigsten Auslöser, während früher Tetracycline für 50 Prozent der Schleimhautschäden verantwortlich waren. Typische Beschwerden sind retrosternale Schmerzen, Schmerzen beim Schlucken (Odynophagie) und Dysphagie. In der Regel besteht ein Zusammenhang ­zwischen Schlucken und Schmerzen. Atypische Verläufe mit Globusgefühl und nicht-kardialem Brustschmerzen können ebenfalls auftreten.

 

Die eosinophile Ösophagitis ist eine ­zunehmend diagnostizierte Speise­röhrenentzündung. Neben Dysphagie, Brustschmerzen und Bolusobstruktion bestehen typische entzündliche Schleimhautveränderungen (Abbildung) und eine Vermehrung von eosinophilen Granulozyten, die in den ­Ösophagusbiopsien nachgewiesen werden. Hauptursache sind Reflux und Nahrungsallergene (Ei, Milch, Weizen, Soja, Nüsse, Meeresfrüchte). Unter Vermeidung dieser Allergene (»6-food-­Diät) heilt die eosinophile Ösophagitis in 80 bis 90 Prozent ab. Weitere Therapiemöglichkeiten bestehen in der lokalen Applikation von Cortison und der Aufdehnung (Bougierung) von narbigen Strikturen.

 

Gastroösophageale Refluxkrankheit

 

Die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) entsteht, wenn der Rückfluss von Mageninhalt Beschwerden und/oder Komplikationen verursacht. 

GERD ist eine Motilitätsstörung, die wesentlich durch eine geschwächte Barrierefunktion des unteren Ösophagussphinkters, eine verminderte Clearanceleistung der Speiseröhre und eine verzögerte Magenentleerung charakterisiert ist. 

 

Die Therapie mit PPI ist effektiv, aber rein symptomatisch. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Wirkung der PPI geringer ist als früher angenommen und etwa 30 Prozent der Patienten unzureichend ansprechen. Dann kann man eine kurzzeitige Verdopplung der Standarddosis oder die Umstellung auf einen anderen PPI versuchen. Alternativ oder ergänzend können Alginate eingesetzt werden, die zusätzlich säureunabhängig wirken.

 

Das Krankheitsbild GERD umfasst

 

  • die erosive Refluxösophagitis (ERD) verschiedener Schweregrade (Erosionen, Strikturen, Barrett),
  • die nicht-erosive Refluxkrankheit (NERD),
  • den hypersensitiven Ösophagus mit Reflux-bedingtem Sodbrennen bei nicht erhöhtem Reflux (positiver Symptomenindex),
  • Komplikationen mit sicheren (Laryngitis, chronischer Husten, Asthma, Zahnerosionen) und unsicheren (Pharyngitis, Sinusitis, idiopathische Lungenfibrose, Otitis media) extraösophagealen Manifestationen,
  • Reflux-unabhängige funktionelle Beschwerden und
  • den Barrett-Ösophagus.
     

GERD ist die häufigste Ursache des nicht-kardialen Thoraxschmerzes und manifestiert sich bei mehr als 50 Prozent der Patienten als NERD. Weder das Vorhandensein noch die Schwere der Entzündung korrelieren mit dem Ausmaß der Beschwerden, der Beeinträchtigung der Lebensqualität, dem Ansprechen auf eine PPI-Therapie und Empfindlichkeiten gegen Säureexposition.

 

Bei typischen Refluxbeschwerden mit Einschränkung der Lebensqualität, aber ohne Alarmsymptome (Dysphagie, Odynophagie, Gewichtsverlust, Anämie) sowie bei typischen Refluxsymptomen mit extraösophagealen Beschwerden können PPI versuchsweise eingesetzt werden. Die Grafik (nächste Seite) zeigt die nach der ak­tuellen S2k-Leitlinie der Deutschen ­Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) empfohlenen Therapiestrategien.

Basis der GERD-Therapie sind ­Allgemeinmaßnahmen wie Gewichtsreduktion, Vermeidung von individuell unverträglichen Nahrungsmitteln und Getränken, Hochstellen des Bettkopf­endes (Kopfkissen), Vermeidung von voluminösen Mahlzeiten und Essen kurz vor dem Zubettgehen. Die Wirkung ist allerdings limitiert.

 

Bei der medikamentösen Behandlung ist zu berücksichtigen, dass ein deutlicher Placeboeffekt besteht und beim Absetzen der PPI durch eine vermehrte Säurebildung (acid rebound) ­Beschwerden auftreten können. So entwickeln gesunde Probanden ohne Refluxbeschwerden nach Absetzen einer PPI-Therapie signifikant häufiger Sodbrennen, saures Aufstoßen oder ­Dyspepsie. Dies kann dazu verleiten, die einmal begonnene PPI-Therapie beizubehalten. Sinnvoll kann daher eine ­graduelle Dosisreduktion zur Vermeidung eines symptomatischen Säure-­Rebounds sein.

 

Bei Alarmsymptomen, atypischen Beschwerden, unsicherer Kausalität zwischen Reflux und Symptomen, fehlendem oder unzureichendem Ansprechen auf Säurehemmung, atypischen oder extraösophagealen Symptomen oder bei länger andauernden Beschwerden ist eine weitere Diagnostik erforderlich. Ein generelles endoskopisches Screening bei allen GERD-Patienten wird kontrovers diskutiert, aber in der aktuellen Leitlinie der DGVS nicht empfohlen. Die deutsche Leitlinie empfiehlt keine Probetherapie mit PPI in doppelter Standarddosierung bei unklaren Beschwerden. Eine Helicobacter-pylori-Diagnostik kann erfolgen, wenn daraus therapeutische Konsequenzen gezogen werden. Bei positiver Dia­gnostik sollte die Indikation zur Era­dikation unabhängig von der GERD ­gestellt werden.

 

Eine chirurgische Therapie ist nur indiziert bei langfristigem Behandlungs­bedarf, intolerablen Restbeschwerden oder PPI-Unverträglichkeit.

PPI und Nebenwirkungen

 

Durch ihren guten säurehemmenden Effekt gehören PPI weltweit und auch in Deutschland zu den am häufigsten verordneten Medikamenten. Der häufige Einsatz beruht wesentlich auf der unkritischen Verabreichung dieser Wirkstoffe. Der unkritische Langzeiteinsatz hat dazu geführt, dass potenzielle Nebenwirkungen zunehmend in den Fokus der Diskussion rücken. Beobachtungsstudien zeigen ein leicht erhöhtes Risiko für bakterielle Infektionen der Atemwege und des Verdauungstrakts (einschließlich Clostridium difficile), für eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms, Wirbelkörper- und Schenkelhalsfrakturen, Resorptionsstörungen (Vitamin B12), Hypomagnesiämie und Interaktionen mit anderen Medikamenten. Auch eine beschleunigte Atrophieentwicklung unter einer unbehandelten Helicobacter-pylori-Gastritis wird angenommen.

 

Wichtig ist, dass Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose unter einer PPI-Therapie ein deutlich erhöhtes Risiko einer spontan bakteriellen Peritonitis haben, die die Prognose entscheidend verschlechtern kann. Ebenso wird bei diesen Patienten über das erhöhte Auftreten eines hepatorenalen Syndroms berichtet.

 

Publikationen, die die zunehmende Häufigkeit von eosinophiler Ösophagitis und Nahrungsallergien analysieren, lassen vermuten, dass PPI das Auftreten von allergischen Erkrankungen ­beeinflussen könnten. Dies beruht auf Untersuchungen, die bei Säurehemmung eine verminderte Degradation von Nahrungsallergenen durch peptische Verdauung zeigen. Zusätzlich ­erhöhen PPI die gastrointestinale Mukosapermeabilität, die die Aufnahme von nicht-degradierten Eiweißallergenen erleichtern könnte.

 

Tumoren in der Speiseröhre

 

Speiseröhrentumore können benigne (Myome, Lipome, Fibrome, Granularzelltumore) und maligne sein (Barrett-, Adeno- und Plattenepithelkarzinom, Lymphome). Leitsymptome sind Dysphagie und retrosternale Schmerzen, seltener Blutungen. Risikofaktoren für das in seiner Häufigkeit abnehmende Plattenepithelkarzinom sind Nicotin, Alkohol und Nahrungsfaktoren. Demgegenüber sind GERD und Übergewicht Risikofaktoren für das Adeno­karzinom, das zunehmend häufiger diagnostiziert wird. Patienten mit Mund-Rachen-Tumoren sollten aufgrund der gleichen Risikofaktoren endoskopiert werden, da etwa 10 Prozent auch Plattenepithelkarzinome in der Speiseröhre haben.

Viele Patienten mit bösartigen Speiseröhrentumoren sind bei Diagnosestellung in reduziertem Zustand und einem fortgeschrittenen Tumorstadium. Dann steht die palliative Therapie mit Beseitigung der Dysphagie durch Speiseröhren-Aufdehnung und Stent-Implantation, mit adäquater Ernährung (eventuell über eine Magensonde, PEG) und Schmerztherapie im Vordergrund. Eine kurative Therapie ist nur bei fehlenden Fernmetastasen möglich. Bei Tumoren im mittleren und ­distalen Speiseröhrendrittel ohne Lymphknotenbefall ist eine primäre Operation, anderenfalls eine neoadjuvante Therapie mit Chemotherapie mit und ohne Radiatio oder Operation möglich. Frühe Tumorstadien mit reinem Mukosabefall (T1m) können endoskopisch durch Mukosaresektion oder endoskopische Submukosadissektion geheilt werden.

 

Der Barrett-Ösophagus (metaplastische Umwandlung von Plattenepithel in Zylinderepithel) ist eine Besonderheit der Speiseröhre. Hauptrisikofaktor ist GERD. Die Entwicklung zum Barrett-Karzinom ist jedoch sehr viel seltener als früher angenommen, sodass ein Überwachungsprogramm nicht empfohlen wird. Entscheidend ist die initiale endoskopische Abklärung mit differenzierter Beurteilung der Schleimhaut­oberfläche und Biopsieentnahmen. Das Barrett-Epithel ist endoskopisch als rote Schleimhaut gegenüber der weißlichen Speiseröhrenschleimhaut und histologisch durch den Nachweis von spezialisiertem intestinalen metaplastischen Zylinderepithel erkennbar.

 

Die Barrett-Schleimhaut ohne in­traepitheliale Neoplasien muss nicht entfernt werden. Ebenfalls braucht ein asymptomatischer Patient mit Barrett-Ösophagus ohne intraepitheliale Neoplasien keine PPI, da ein Rückgang der Barrett-Schleimhaut unter langfristiger Säurehemmung klinisch nicht beobachtet wurde. /
 

 

Literatur 

  1. Koop, H., et al., S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankkheit. Z Gastroenterol 52 (2014) 1299-1346.
  2. Vakil, N., et al., The Montreal definition and classification of gastroesophageal reflux ­disease: a global evidencebased consensus. Am J Gastroenterol 101 (2006) 1900-1920.
  3. Frieling, T., et al., Chest pain-not always the heart. Clinical impact of gastrointestinal ­diseases in non-cardiac chest pain. Z Gastroenterol 53 (2015) 120-124.
  4. Frieling, T., et al., Klinische Wertigkeit von ösophagealen Funktionstests und Argonplasma Koagulation bei Magenschleimhaut­heterotopien im Ösophagus und extraesophagealen Reflux-Symptomen – eine prospektive Untersuchung. Z Gastroenterol. 53 (2015) 101-107.
  5. Reimer, C., et al., Proton-pump inhibitor therapy induces acid-related symptoms in healthy volunteers after withdrawal of therapy. Gastroenterology 137 (2009) 80-87.
  6. McColl, K. E., Gillen, D., Evidence that proton-pump inhibitor therapy induces the symptoms it is used to treat. Gastroenterology 137 (2009) 20-22.
  7. Forgacs, I., Loganayagam, A., Overprescribing proton pump inhibitors. BMJ 336 (2008) 2-3.
  8. Information der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Arzneimittel im Blickpunkt – Protonenpumpeninhibitoren auf dem Vormarsch. Arzneimittel im Blickpunkt. Nr. 18 (2009) Stand: 11. Febr. 2009.
  9. Bajaj, J. S., et al., Association of proton pump inhibitor therapy with spontaneous bacterial peritonitis in cirrhotic patients with ascites. Am J Gastroenterol 104 (2009) 1130-1134.
  10. Campbell, M. S., Obstein, K., Association between proton pump inhibitor use and spontaneous bacterial peritonitis. Dig Dis Sci 53 (2008) 394-398.
  11. Northup, P. G., et al., Coagulation in Liver ­Disease Group. Hypercoagulation and thrombophilia in liver disease. J Thromb Haemost 6 (2008) 2-9.
  12. Merwat, S. N., Spechler, S. J., Might the use of acid-suppressive medications predispose to the development of eosinophilic esophagitis? Am J Gastroenterol 104 (2009) 1897-1902.
  13. Prasad, G. A., et al., Epidemiology of eosinophilic esophagitis over 3 decades in Olmsted County, Minnesota. Clin Gastroenterol Hepatol 7 (2009) 1055-1061.

Der Autor

Thomas Frieling studierte Medizin und wurde 1985 promoviert. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Ohio State University/USA erlangte er 1992 den Facharzt für Innere Medizin und 1994 die Teilgebietsbezeichnung Gastroenterologie. 1993 habilitierte er sich und erhielt die Venia Legendi für das Fach Innere Medizin. Von 1993 bis 2000 war Professor Frieling Oberarzt, zuletzt leitender Oberarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie. Er erhielt 1998 den Ruf zum C2-Professor für das Fach Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Neurogastroenterologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Seit 2000 ist Frieling Direktor der Medizinischen Klinik II am HELIOS Klinikum Krefeld. Er hat mehr als 280 Fachpublikationen veröffentlicht und mehrere Wissenschaftspreise erhalten. Frieling ist in zahlreichen Fachgesellschaften und Leitlinienkommissionen tätig und hat 2004 die Stiftung für Neurogastroenterologie gegründet.

 

Professor Dr. Thomas Frieling

Direktor der Medizinischen Klinik II, Innere Medizin mit Gastroenterologie, Hepatologie, Neurogastroenterologie, Infektiologie, Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin

HELIOS Klinikum Krefeld

Lutherplatz 40

47805 Krefeld

E-Mail: thomas.frieling@helios-kliniken.de

Mehr von Avoxa