Vorsicht Präeklampsie |
29.05.2012 10:24 Uhr |
Bluthochdruck in der Schwangerschaft kann für Mutter und Kind riskant sein. Dennoch bringen die meisten Frauen ihr Kind gesund zur Welt. Wenn zusätzlich zur Hypertonie die Proteinausscheidung im Urin ansteigt und die Frau Ödeme bekommt, kann eine lebensgefährliche Situation entstehen.
Der Blutdruck einer gesunden Frau variiert im Lauf der Schwangerschaft. Im zweiten Trimenon fällt der Druck in den Gefäßen normalerweise ab und steigt im letzten Trimenon wieder an – bei manchen Frauen sogar über den Ausgangswert vor der Schwangerschaft. Das ist nicht pathologisch. Ein Blutdruck von 140/90 mmHg gilt als Grenzwert für eine Hypertonie in der Schwangerschaft.
Schätzungsweise jede zehnte Schwangere hat einen erhöhten Blutdruck. Dann sind sorgfältige Kontrolle und Ruhe angesagt.
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Ungefähr jede zehnte Schwangere hat einen erhöhten Blutdruck. Grundsätzlich unterscheidet man eine schwangerschaftsunabhängige arterielle Hypertonie, die schon vor der Gravidität oder bis zur 20. Schwangerschaftswoche (SSW) nachgewiesen wird, von der schwangerschaftsbedingten (-induzierten) Hypertonie (SIH), die sich nach diesem Zeitpunkt entwickelt. Die SIH normalisiert sich in der Regel innerhalb von sechs Wochen nach der Geburt.
Kommt jedoch eine pathologische Proteinausscheidung (über 300 mg/24 h) hinzu, spricht man von einer Präeklampsie (Kasten). Der frühere Begriff EPH-Gestose als Abkürzung für die Trias von Ö(E)demen, Proteinurie und Hypertonie ist umstritten, da Ödeme auch bei gesunden schwangeren Frauen häufig auftreten. Vermutlich geht die Präeklampsie auf eine Überlastung des mütterlichen Organismus zurück. Die genaue Ursache ist unbekannt.
Hypertonie und Präeklampsie können das Herz-Kreislauf-System, die Nieren- und Leberfunktion sowie das Blutbild der Frau stören, warnt der Berufsverband der Frauenärzte e. V. in Netz. Rascher Blutdruckanstieg kann Hirnblutungen auslösen; das ist die häufigste vaskuläre Komplikation der Präeklampsie. Zerebrale Mikroblutungen, Schädigung der Nierenrinde, Leberschwellung und Gerinnungsstörungen sind mögliche Folgen der Präeklampsie. Kommt es zur Plazentainsuffizienz, wird der Fetus nicht mehr ausreichend versorgt. Dies führt zu Wachstumsverzögerungen bis hin zum intrauterinen Tod. Häufig löst sich die Plazenta vorzeitig.
Zuerst nicht medikamenös
Die Mehrzahl der betroffenen Frauen hat eine leichte bis mittelschwere Hypertonie. Liegen die Werte im Grenzbereich, stellt der Arzt bei der körperlichen Untersuchung keine Auffälligkeit fest und sind Nierenfunktion, Elektro- und Echokardiogramm normal, ist das Risiko für Komplikationen gering. Auch wenn es keine einheitlichen Leitlinien gibt: Viele Experten schlagen vor, Frauen mit Werten bis zu 160/110 mmHg (ohne Proteinurie) nicht mit Medikamenten zu behandeln, zumal eine antihypertensive Therapie keinen Vorteil für Mutter und Kind bedeutet.
Schwangerschaftsunabhängige (chronische) arterielle Hypertonie: Diagnose eines Blutdrucks über 140/90 mmHg vor oder bis zur 20. Schwangerschaftswoche (SSW); 1 bis 5 Prozent der Schwangeren betroffen
Pfropfgestose: chronische Hypertonie plus Proteinurie (ab 300 mg/24 h); tritt bei 20 bis 25 Prozent der Schwangeren mit chronischer Hypertonie auf
Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH), Gestationshypertonie: entwickelt sich nach der 20. SSW und bildet sich sechs bis spätestens zwölf Wochen post partum zurück; keine Proteinurie; etwa 6 Prozent der Frauen betroffen
Präeklampsie, Gestose: SIH plus pathologische Proteinurie (ab 300 mg/ 24 h); häufig Ödeme; 5 bis 8 Prozent der Schwangeren betroffen
Eklampsie: schwerste Ausprägung der Präeklampsie mit neurologischen Symptomen wie tonisch-klonischen Krämpfen mit und ohne Bewusstseinsverlust; lebensbedrohlich für Mutter und Kind
HELLP-Syndrom: seltene, sehr gefährliche Variante der Präeklampsie mit Hämolyse (haemolysis), pathologisch erhöhten Transaminasen und Bilirubinwerten (elevated liver function test) und niedriger Thrombozytenzahl (low platelet counts); schnellstmögliche Entbindung wird angestrebt
Modifiziert nach www.embryotox.de
Gemäß der Leitlinie der Deutschen Hochdruckliga (DHL) und der Deutschen Hypertonie Gesellschaft (www.awmf.org) sollte die Frau engmaschig überwacht werden, sich schonen und zeitweise Bettruhe einhalten. Normale ausgewogene Ernährung ohne Kochsalzrestriktion ist angesagt. Eine Gewichtsreduktion wird auch adipösen Frauen nicht empfohlen, da dies zu einem geringeren Geburtsgewicht und Wachstumsstörungen des Neugeborenen führen kann. Tipp für die Beratung: Entwässernde Mittel, auch entwässernde Tees, sind tabu.
Bei schwerer Hypertonie und Präeklampsie ist eine medikamentöse Behandlung laut DHL-Leitlinie angezeigt, um das Risiko für Mutter und Kind zu senken. Allerdings kann der Blutdruck zu Beginn abrupt abfallen, was die uteroplazentare Durchblutung akut verschlechtert und damit das Wachstum des Feten beeinträchtigt. Hier muss der Arzt Nutzen und Risiko abwägen.
Wann behandeln?
Die Frauenärzte raten, Frauen mit Präeklampsie ab Blutdruckwerten über 150/95 mmHg stationär zu überwachen. Steigen der systolische oder diastolische Blutdruck der Schwangeren über 170 oder 110 mmHg, ist dies immer ein Notfall und die Frau muss sofort in eine Klinik. Hier leiten die Ärzte eine Behandlung mit alpha-Methyldopa oder Nifedipin peroral ein. Die intravenöse Gabe von Dihyralazin ist nicht mehr Mittel der ersten Wahl. Intravenös gegebenes Urapidil eignet sich ebenfalls zur akuten Blutdrucksenkung.
Es gibt keine festen Grenzwerte für den Beginn einer antihypertensiven Dauertherapie. Die DHL plädiert dafür, diese immer in einer Klinik einzuleiten, um den Blutdruckverlauf exakt beobachten zu können. Frauen mit Propfgestose (Kasten), Nierenerkrankungen oder Diabetes mellitus sollten ab Blutdruckwerten über 160/100 mmHg medikamentös behandelt werden. Ziel ist eine Senkung auf Werte zwischen 140 bis 160/90 bis 100 mmHg.
Alpha-Methldopa ist auch Mittel der ersten Wahl zur Dauertherapie. Selektive Betablocker wie Metoprolol kommen ebenfalls infrage. Calciumantagonisten wie Nifedipin werden international häufig eingesetzt, sind laut DHL aber nicht unumstritten; Dihydropyridine werden auch als kontraindiziert eingestuft. Bei gleichzeitiger Gabe von Nifedipin und Magnesiumsulfat intravenös kann es in Einzelfällen zu einer plötzlichen schweren Hypotonie kommen. Intravenöses Magnesiumsulfat wird bei schwerer Präeklampsie und zur Behandlung von Krampfanfällen eingesetzt.
Wichtig für die Apotheke: ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Antagonisten sind bei schwangeren Frauen, vor allem im zweiten und dritten Trimenon kontraindiziert! Diuretika können das Plasmavolumen reduzieren und damit die uteroplazentare Perfusion beeinträchtigen. Sie sollten daher möglichst vermieden werden.
Vor allem nach der 32. SSW raten die Ärzte mitunter zur vorzeitigen Entbindung. Entwickelt eine Frau mit Präeklampsie zusätzlich neurologische Warnsymptome wie starke Kopfschmerzen, Flimmern vor den Augen und Krämpfe, könnte eine Eklampsie (Kasten) drohen, die Mutter und Kind akut gefährdet. Ebenfalls lebensbedrohlich ist das HELPP-Syndrom, dem eine Störung der Leberfunktion zugrunde liegt. Heftige Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit und Erbrechen, eventuell auch Durchfall sind Warnzeichen. Die Entbindung ist die einzige kausale Therapie der Präeklampsie. /