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Komplex

18.05.2016  09:12 Uhr

Komplex

Medikamente beeinflussen die Darmmikrobiota und die wiederum beeinflusst die Wirkung von Medikamenten – und das in einem bislang unterschätzten Ausmaß. Dies zeigen mehrere Studien, die aktuell im Fachjournal »Science« und in »BMC Medicine« veröffentlicht wurden (lesen Sie dazu auch Mikrobiom und Medikation: Ein komplexes Wechselspiel). Das Ergebnis: Neben Antibiotika, bei denen Auswirkungen auf Bakterien im Darm selbstverständlich sind, beeinflusst auch eine ganze Reihe von anderen Arzneimitteln die Zusammensetzung der Darmmikrobiota erheblich. Dazu gehören gängige Arzneistoffgruppen wie Protonenpumpen-Inhibitoren, Statine, Betablocker, Antidepressiva und Hormonpräparate. Medikamente hatten dabei einen stärkeren Effekt auf die Darmflora als zum Beispiel die Ernährung oder Krankheiten.

 

Das ist neu. Bislang wurde die Auswirkung von Arzneimitteln auf die Darmmikrobiota weitgehend unterschätzt. Der Fokus der Mikrobiom­forschung lag bisher hauptsächlich auf Veränderungen bei Erkrankungen und auf dem Einfluss der Ernährung. Das wird sich in Zukunft ändern, und die Medikation wird weiter in den Fokus rücken. Das ist gut, denn das komplexe Zusammenspiel zwischen Arzneimitteln und Darmbewohnern ist bislang kaum verstanden. Man sehe nur die Spitze des Eisbergs, räumen die Autoren der Publikationen selbst ein.

 

Ebenfalls nur in Ansätzen verstanden ist, wie die Darmmikrobiota die Wirkung von Medikamenten beeinflusst. Für eine Reihe von Substanzen ist mittlerweile nachgewiesen, dass sie von der Darmmikrobiota metabolisiert wird, was ihre Wirksamkeit herabsetzen oder erhöhen kann. Zum Teil könnte das Nicht-Ansprechen auf Medikamente bei Patienten auf eine ungünstige Konstellation der Darmmikroben zurückzuführen sein. Auch das blieb bislang weitgehend unberücksichtigt.

 

Die Darmmikrobiota wird in Zukunft bei klinischen Studien eine Rolle spielen, das ist sicher. Wie verändern die Arzneistoffkandidaten die Darmflora? Was macht diese mit den Substanzen? Diese Fragen werden in Zukunft wohl untersucht werden. Experten zufolge bereitet sich die Pharmaindustrie bereits auf entsprechende Testungen vor. Es ist absehbar, dass sie irgendwann verlangt werden.

 

Christina Hohmann-Jeddi

Ressortleitung Medizin

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