Von lästig bis lebensbedrohlich |
09.05.2016 11:23 Uhr |
Von Edith Bennack / Durchfälle gehören zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen von Antibiotika. Immerhin 5 bis 25 Prozent der antibiotisch behandelten Patienten sind betroffen. Meistens verläuft die Diarrhö selbstlimitierend und gefährdet die Gesundheit nicht ernsthaft. Anders ist es bei Infektionen mit Clostridien. Umso wichtiger sind Vorbeugung und rasche Behandlung.
Bei ausnahmslos allen Antibiotika findet sich in den Fachinformationen in der Rubrik Nebenwirkungen der Hinweis auf Diarrhöen und andere gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Die Häufigkeitsangaben variieren von »sehr häufig« (mehr als 10 Prozent) bis »häufig« (1 bis 10 Prozent).
Oft reicht schon eine einmalige Gabe eines Antibiotikums aus, um Durchfall auszulösen. Dieser kann aber auch Wochen nach der bereits beendeten Einnahme auftreten. Grund ist die Zerstörung eines Teils des menschlichen Mikrobioms, der gastrointestinalen Flora, durch die Antibiotika. Der Begriff Mikrobiom wird oft auf den Gastrointestinaltrakt beschränkt, bezeichnet aber die Gesamtheit aller auf und im Menschen lebenden Bakterien; diese übersteigt die Zahl der Körperzellen um ein Vielfaches. Im Zusammenhang mit Diarrhöen ist naturgemäß das Darm-Mikrobiom besonders wichtig.
Zahllose Bakterienarten, meist Anaerobier, tummeln sich im Darm des Menschen. Antibiotika stören dieses Gleichgewicht empfindlich.
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Von den inzwischen mehr als 1000 identifizierten verschiedenen Bakterienspezies im Verdauungstrakt, die fast ausschließlich Anaerobier wie Bacteroides, Bifidobakterien oder Lactobazillen sind, finden sich vor allem im Darm jedes Menschen mehr als 160 verschiedene. Pro Gramm Darminhalt haben Forscher bis zu 1012 Bakterien gefunden (1). Auch Aerobier wie Enterokokken und Enterobacteriaceae sowie Clostridien (obligat anaerob) gehören zur normalen Darmflora. Deren Zusammensetzung ist bei jeder einzelnen Person über das ganze Leben hinweg relativ konstant. Antibiotika führen zu einer raschen und massiven Veränderung der Flora, die sich meistens nach einer gewissen Zeit wieder dem Ausgangszustand annähert.
Zusammenhänge zwischen einer häufigen Antibiotika-Gabe im Kindesalter mit dem späteren Auftreten von Allergien und anderen Krankheiten wie Übergewicht werden vermutet. Diese Effekte könnten auf einem veränderten Darm-Mikrobiom beruhen.
Wie Antibiotika die Darmflora stören
Darmbakterien bilden nicht nur eine Barriere gegen oral aufgenommene Erreger, sondern verfügen auch über Enzyme, mit deren Hilfe sie den Abbau von Ballaststoffen aus der Nahrung ermöglichen. Die Abbauprodukte dienen den Bakterien auch zur Deckung des eigenen Energiebedarfs.
Ballaststoffe werden zunächst zu Stärke und Nicht-Stärke-Polysacchariden abgebaut; durch weitere Fermentation entstehen Pentosen und Hexosen. Nun verzweigen sich die Abbauwege, je nachdem welche Bakteriengruppen beteiligt sind. So entstehen aus Hexosen über Pyruvat neben Milchsäure auch Bernsteinsäure, Alkohol, kurzkettige Fettsäuren wie Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure sowie Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan. Vor allem die kurzkettigen Fettsäuren und ihre Ester (Acetat, Propionat und Butyrat) sind wichtige Stimulanzien für die Natrium- und Wasserresorption aus dem Darm sowie essenziell für die Prävention der Epithelatrophie – kurz: die Gesunderhaltung der Darmschleimhaut.
Wenn Antibiotika Teile dieser Bakterienspezies zerstören, resultieren eine unzureichende Bildung der Fettsäuren und damit eine verminderte Resorption von Elektrolyten und Wasser: Osmotische Durchfälle sind die Folge. Vor allem dem Butyrat werden Schutzfunktionen auf die Darmschleimhaut nachgesagt, die bei Butyrat-Mangel entfallen. Auch die die Nahrungsfette verdauenden Gallensäuren, vor allem Cholsäure und Chenodesoxycholsäure, werden im Kolon von den Darmbakterien abgebaut. Reichern sie sich durch deren Mangel an, resultieren sekretagoge Diarrhöen (2).
Übersteigt die Stuhlfrequenz dreimal täglich oder beträgt das Stuhlgewicht mehr als 250 g pro Tag, spricht man allgemein von Durchfall. Typisch für den osmotischen und sekretorischen Durchfall (im einen Fall Diffusion von Wasser und Elektrolyten ins Darmlumen, im anderen Fall die aktive Sekretion) sind weiche und voluminöse Stühle mit verminderter oder wässriger Konsistenz.
Nach Adkinson werden Nebenwirkungen in zwei große Gruppen unterteilt: in unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) vom Typ A und Typ B (22).
Typ-A-UAW dominieren mit 85 Prozent eindeutig. Hierunter versteht man UAW, die bei »normalen Patienten« auftreten, die mit normalen Dosen behandelt werden. Sie sind vorhersehbar und häufig. Klassische Beispiele sind vaginale Candidosen unter Corticoid-Einnahme bei Frauen, die Nierentoxizität der Aminoglycoside, Phototoxizität von Doxycyclin sowie Diarrhö unter Antibiotika. Interaktionen wie zwischen Makroliden und Statinen fallen ebenfalls darunter.
Typ-B-UAW sind dagegen Hypersensitivitätsreaktionen, die kleine Gruppen von Patienten betreffen, selten vorkommen und nicht vorhersehbar sind. Dazu gehören zum Beispiel das Auftreten von Tinnitus nach einmaliger ASS-Einnahme oder die idiosynkratische (»eigentümliche«, nicht zu erklärende) nicht Antigen-Antikörper-vermittelte Pseudoallergie auf verschiedene Arzneistoffe. Bedeutend sind ferner anaphylaktische Reaktionen, zum Beispiel auf Penicilline, die Heparin-induzierte Thrombozytopenie, die Vasculitis nach Phenytoin und das Stevens-Johnson-Syndrom nach Cotrimoxazol.
Neben diesen Bakterienstoffwechsel-induzierten Effekten kann es auch zu einer Überwucherung der Darmflora mit potenziell pathogenen Keimen wie Clostridium difficile kommen, wenn große Teile der restlichen Darmbakterien abgetötet wurden. Die Patienten leiden an schweren Durchfällen. Je nachdem, wie breit das Spektrum des Antibiotikums gegen Anaerobier ist und welche Spezies abgetötet werden, tritt eine der Diarrhö-Formen auf.
Ebenso gibt es eine Antibiotikum-Wirt-Beziehung (3). Damit ist beispielsweise die direkte Wirkung eines Antibiotikums auf die Darmmotilität gemeint, wie es bei Erythromycin der Fall ist. Erythromycin ist ein direkter Motilin-Rezeptoragonist; das Peptidhormon Motilin koordiniert die Funktion glatter Muskeln in Magen und Darm. Die Passage des Nahrungsbreis wird durch Motilin oder einen Agonisten wegen der resultierenden gesteigerten Kontraktion erheblich beschleunigt (4). Man nutzt diesen Effekt von Erythromycin manchmal off label, wenn der Darm der Patienten nach bestimmten Operationen nicht »in Schwung« kommt.
Die Angabe »sehr häufig« zum Auftreten der Nebenwirkungen am Gastrointestinaltrakt findet sich in den Fachinformationen von Amoxicillin, den Betalactamen mit Betalactamase-Inhibitoren (Amoxicillin plus Clavulansäure und andere), Ciprofloxacin und Azithromycin (5). Bei Clindamycin findet sich entgegen des subjektiven Empfindens lediglich die Angabe »häufig«, ebenso bei Cephalosporinen, Penicillinen, Doxycyclin und den meisten anderen Antibiotika. In den allermeisten Fällen verlaufen Antibiotika-assoziierte Durchfälle selbstlimitierend und gefährden den Patienten nicht ernstlich.
Vorsicht vor Clostridium difficile
Infektionen mit Clostridien können schwer bis lebensbedrohlich verlaufen und müssen meist im Krankenhaus behandelt werden.
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Anders verhält es sich bei einer Clostridium-difficile-Infektion (CDI). Ihr klinisches Spektrum kann von einer leichten Diarrhö über eine Kolitis bis hin zur lebensbedrohlichen pseudomembranösen Kolitis mit toxischem Megakolon und Darmperforation reichen.
Unter einer pseudomembranösen Kolitis versteht man eine Entzündung des Dickdarms (gelegentlich auch Dünndarms) mit auf die Schleimhaut aufgelagerten Fibrinbelägen als Folge der durch die Clostridiumtoxine ausgelösten Entzündungsreaktionen. Beim toxischen Megakolon liegt eine fulminant verlaufende Dickdarmerweiterung als weitere Folge der Entzündungsreaktion vor. Der Patient fiebert, sein Bauch ist aufgetrieben und es kommt nicht selten zu Darmperforation, Blutungen und Schockzuständen. Hier besteht akute Lebensgefahr.
Die Letalität der CDI steigt von 1 bis 2 Prozent bei den weniger dramatischen Verläufen bis hin zu 30 Prozent, sobald es zur pseudomembranösen Kolitis gekommen ist, und bis zu 70 Prozent beim toxischen Megakolon. Entsteht ein Ileus, können die ansonsten wässrigen Stühle auch paradoxerweise ausbleiben. Krampfartige Unterbauchschmerzen sowie ein Anstieg der weißen Blutkörperchen sind Alarmzeichen für einen möglichen fulminanten Verlauf.
Prinzipiell sind Menschen über 70 Jahren mit vorausgegangener Antibiose und schlechterem Allgemeinzustand eher gefährdet, schwerere Verläufe zu erleiden. Auch Protonenpumpenhemmer können CDI begünstigen. Je nach Schwere der Erkrankung müssen die Patienten unbedingt stationär behandelt werden.
Therapie der Clostridien-Infektion
Wenn es ärztlich vertretbar ist, wird als erste Maßnahme das Antibiotikum abgesetzt. Die Therapie besteht nach den Behandlungsleitlinien der European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (6) (2013) bei nicht-schwerer CDI aus Metronidazol dreimal täglich 500 mg peroral und bei einer schweren Form aus Vancomycin viermal täglich 125 mg peroral, jeweils über zehn Tage.
Loperamid ist bei CDI genauso wie bei allen schweren Krankheitsbildern mit blutigen Durchfällen, Fieber und/oder Verdacht auf infektiöse Ursachen wegen seiner Motilitätshemmung kontraindiziert, da die Erreger so im Darm verbleiben könnten. Das ist wichtig für die Selbstmedikation: Loperamid darf nie zur Behandlung von Antibiotika-assoziierten Durchfällen abgegeben werden, da eine pseudomembranöse Kolitis nicht ausgeschlossen werden kann.
In der ersten Dekade der 2000er-Jahre gab es zwei andere interessante Therapieansätze. Der erste waren monoklonale Antikörper im Tierversuch (7), die aber nicht bis zur klinischen Prüfung gelangten. Der zweite war das Polymer Tolevamer, das den etablierten Substanzen Metronidazol und Vancomycin unterlegen war (8). Allerdings gibt es immer noch Untersuchungen an Mäusemodellen, ob Antikörper, die die Clostridien-Toxine TcdA und TcdB binden können, die Therapie nicht doch verbessern könnten (9).
Eine Clostridien- Infektion ist hoch ansteckend. Schutzkleidung inklusive Mundschutz und Handschuhe schützen das Pflegepersonal.
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Mit Fidaxomicin steht heute zumindest eine Substanz zur Verfügung, die bei CDI-Rezidiven eine gewisse Überlegenheit zeigt. Das Antibiotikum aus der Klasse der Makrozykline ist bakterizid wirksam, indem es die bakterielle RNA-Polymerase von Clostridien (und anderen Bakterien) hemmt. Das Medikament wirkt nach peroraler Gabe – in der Regel 200 mg alle zwölf Stunden zehn Tage lang – rein lokal im Darm. Fidaxomicin wird praktisch nur im Krankenhaus eingesetzt.
Die Stuhltransplantation ist in wenigen Fällen, bei denen die Patienten unter ständigen Rezidiven leiden, eine mögliche Alternative. Untersuchungen mit gefrorenem Stuhl zeigten eine ähnlich gute Wirksamkeit wie die Gabe von frischem »Transplantat«. Das könnte die Logistik des Eingriffs künftig vereinfachen (10).
Schwer verlaufende Fälle von CDI sind meldepflichtige Infektionskrankheiten. So konnte das Robert-Koch-Institut seit Jahren eine Zunahme von schweren Fällen feststellen (11). Es überrascht nicht, dass der Häufigkeitsgipfel der Erkrankung bei 79 Jahren liegt und dass von 659 gemeldeten Todesfällen im Jahr 2013 durch Clostridien nur 20 Patienten jünger als 60 Jahre alt waren (11). Besorgniserregend ist die seit einigen Jahren zu beobachtende Zunahme von Infektionen mit dem sogenannten Ribotyp 027. Dieser weist eine Mutation, hier eine partielle Deletion im Toxinregulatorgen (TcdC) auf, die eine gesteigerte Toxinbildung und eine erhöhte Letalität bedeutet.
Clostridien-Infektionen sind für die Betroffenen mit einem großen physischen und psychischen Leidensdruck verbunden. Dieser entsteht durch die Erkrankung selbst und die damit verbundene Isolierung im Krankenhaus. Eine Unterbringung im Einzelzimmer ist wegen der hohen Infektiosität vorgeschrieben. Das Pflegepersonal, das Reinigungspersonal und die Besucher müssen bei jedem Eintritt in das Patientenzimmer Schutzkittel, Handschuhe und Mundschutz anlegen und beim Verlassen im Zimmer ablegen. Auch eine Verlegung des Patienten innerhalb des Krankenhauses bedeutet einen hohen Aufwand; selbst das Geschirr muss separat behandelt werden (12).
Insofern wäre eine effektive Prophylaxe einer Clostridien-Infektion sehr wünschenswert. Diese besteht derzeit nur in einer deutlich strengeren Indikationsstellung zur Gabe von Antibiotika, vor allem im ambulanten Sektor; hier werden 600 Tonnen der jährlich in der Humanmedizin verordneten 700 Tonnen verschrieben (13). Die restlichen 100 Tonnen entfallen auf die Antibiotika-Gabe in Krankenhäusern. Besteht die Infektion, so ist eine lückenlose Hygiene zwingend, um andere Patienten und Personal vor einer Ansteckung zu schützen.
Präbiotika und Probiotika
Das Apothekenteam wird nahezu täglich mit der Problematik der Prophylaxe oder Therapie von Antibiotika-assoziierten gastrointestinalen Beschwerden konfrontiert. Große Hoffnungen verbinden Kunden und Patienten dabei mit Prä- und Probiotika. Zunächst eine Begriffsdefinition.
Präparat | Inhaltsstoff(e) | Rote-Liste® Gruppe | Anwendung, Bemerkungen |
---|---|---|---|
Colibiogen® | 2,3 x 108 lysierter Escherichia coli Stamm Laves | 60.2.C Darmflora- unterstützende Mittel aus Mikroorganismen | unter anderem Enteritis, Colitis, Dyspepsie, Rehabilitation nach Antibiotika, Allergien, Neurodermitis |
Eubiol® | Trockenhefe aus Saccharomyces cerevisiae Hansen CBS 5926, 375 mg = mindestens 7,5 x 109 lebensfähige Zellen | 60.1.C Antidiarrhoika aus Mikroorganismen | symptomatische Behandlung akuter Durchfallerkrankungen; Gegenanzeigen: geschwächte Immunabwehr, Zentralvenenkatheter |
InfectoDiarrstop LGG® Btl. | Mindestens 5 x 109 KBE entsprechend 25 mg Lactobacillus rhamnosus GG | 60.1.C Antidiarrhoika aus Mikroorganismen | Therapie der Diarrhö bei Säuglingen und Kleinkindern in Kombination mit oraler Rehydratationslösung |
Lacteol® | gefriergetrocknete Milchsäurebakterien, inaktiviert; 10 x 109 Lactobacillus fermentum und L. dellbrückii | 60.1.C Antidiarrhoika aus Mikroorganismen | symptomatische Behandlung von Durchfallerkrankungen, die nicht organischen Ursprungs sind. Bei akutem Durchfall mit hohem Fieber sowie bei Säuglingen und Kindern ist die Gabe ohne ärztliche Untersuchung nicht angezeigt. |
Mutaflor® | Escherichia coli Stamm Nissle 1917, 2,5 bis 25 x 109 KBE | 60.2.C Darmflora- unterstützende Mittel aus Mikroorganismen | Colitis ulcerosa in der Remissionsphase, chronische Obstipation |
Omniflora N | Lactobacillus gasseri Kulturlyophyilisat 25 mg, Bifidobacterium longum Kulturlyophilisat 25 mg / Kps. | keine! Quelle: www.aponet.de/wissen/arzneimitteldatenbank/ | traditionell angewendet als mild wirksames Arzneimittel zur Unterstützung der Darmfunktion, zum Beispiel bei Darmträgheit und Durchfall. Angabe beruht ausschließlich auf Überlieferung und langjähriger Erfahrung. |
Paidoflor® | Trockenpulver aus Lactobacillus acidophilus 20 mg 109 bis 1010 lebensfähige Bakterien/g | 60.2.C Darmflora- unterstützende Mittel aus Mikroorganismen | traditionell angewendet zur Unterstützung der Darmfunktion, zum Beispiel bei Darmträgheit und Durchfall; Gegenanzeigen: geschwächte Immunabwehr |
Perenterol® forte, Yomagi® | Trockenhefe aus Saccharomyces cerevisiae Hansen CBS 5926, 250 mg, Synonym: Saccharomyces boulardii | 60.1.C Antidiarrhoika aus Mikroorganismen | symptomatische Behandlung akuter Durchfallerkrankungen; Gegenanzeigen: geschwächte Immunabwehr, Zentralvenenkatheter |
ProSymbioflor® | 1 ml enthält Bakterienlysat aus 1,5 bis 4,5 x 107 Zellen von Enterococcus faecalis Bakterien DSM 16440, 1,5 bis 4,5 x 107 Zellen von Escherichia coli DSM 17252 | 60.2.C Darmflora- unterstützende Mittel aus Mikroorganismen | Regulierung körpereigener Abwehrkräfte, gastrointestinale Störungen, Colon irritabile |
Symbioflor 2® | 1 ml (14 Tropfen) enthalten: Bakterienkonzentrat mit Escherichia-coli-Bakterien (DSM 17252, Zellen und Autolysat) entsprechend 1,5 bis 4,5 x 107 lebende Zellen | 60.2.C Darmflora- unterstützende Mittel aus Mikroorganismen | Regulierung körpereigener Abwehrkräfte, gastrointestinale Störungen, Colon irritabile |
Evidenzbasiert beraten
Verständlicherweise wünschen die Patienten ein Arzneimittel, das die Nebenwirkung Durchfall bei oder nach der Einnahme von Antibiotika im besten Fall verhindert. Gemäß der aktuellen Datenlage kann allerdings für kein Präparat eine klare evidenzbasierte Empfehlung zur prophylaktischen Einnahme ausgesprochen werden. Leider suggerieren einzelne Veröffentlichungen etwas anderes.
Das arznei-telegramm® beklagte schon 2007 »… methodische Schwächen« und »… unbefriedigende Datenqualität« im Hinblick auf die Beurteilbarkeit von Probiotika zur Prophylaxe und Therapie von Durchfällen (15). Inzwischen liegen neuere Untersuchungen vor.
2012 untersuchte eine Metaanalyse den probiotischen Effekt bei gastrointestinalen Krankheitsbildern (16). Die Autoren bezogen 84 Studien mit mehr als 10 000 Patienten im Zeitraum von 1970 bis 2011 in ihre Analyse mit ein. Acht Krankheitsbilder und elf verschiedene probiotische Zubereitungen gingen in die Auswertung ein, die im Ergebnis zu keiner belastbaren Aussage kam. Es gab zwar Hinweise auf einzelne Wirksamkeiten von Probiotika, vor allem von Saccharomyces boulardii und Lactobacillus rhamnosus GG, aber in der gesamten Beurteilung war die Variabilität der betrachteten Studien zu groß.
Ebenfalls 2012 wurde eine weitere Metaanalyse veröffentlicht, die gezielter nach dem therapeutischen und präventiven Effekt von Probiotika bei Antibiotikainduziertem Durchfall suchte; die Autoren werteten 82 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) aus (17). Auch hier wird die Qualität der Studien kritisiert. So lassen 59 Studien eine Information vermissen, nach der man das Bias-Risiko abschätzen kann; die Hälfte nennt nicht exakt den verwendeten Bakterienstamm; 17 Studien waren Industrie-gesponsert und 52 bezogen nicht klar Stellung zur Finanzierung. Die Autoren resümieren dennoch, dass sie ausreichend Hinweise gefunden hätten, dass die Beigabe von Probiotika mit einem reduzierten Risiko für die Antibiotikaassoziierte Diarrhö einhergeht. Allerdings müssten weitergehende Studien zeigen, für welche Probiotika, Antibiotika und Patienten diese Aussage gilt.
Etliche Bakterien und Hefen werden als Probiotika eingesetzt.
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2015 wurde dieser Versuch dann speziell für Saccharomyces boulardii in einer weiteren Metaanalyse unternommen (18). Diesmal wurden 21 Studien aus großen Datenbanken, unter anderem Cochrane Library, Medline und Embase, mit insgesamt 4780 Teilnehmern betrachtet. Allerdings waren nur zwölf Studien placebokontolliert. Bei 15 Studien waren Erwachsene, bei sechs Studien Kinder die Probanden. Eine große Spannbreite gab es bei den verabreichten Saccharomyces-Dosen: von täglich 50 mg bis zu 1000 mg. Auch gab es Studien, in denen die Patienten mit einem Antibiotikum behandelt wurden, eine Systematik fehlt. Die Definition der Studienziele ist ebenfalls nicht einheitlich bezüglich Häufigkeit und Dauer der Durchfälle. Nur zwei Studien konnte eine geringe Verzerrung der Ergebnisse (Bias) bescheinigt werden; so waren 14 Studien gar nicht erst verblindet oder es fehlten Angaben dazu.
Auch wenn es Hinweise zur präventiven Wirksamkeit gibt, können immer noch keine Rückschlüsse auf eine geeignete Dosierung von Saccharomyces gezogen werden, ebensowenig über Antibiotika, bei denen die Einnahme sinnvoll wäre.
Ebenso mühsam wie die Suche nach Evidenz zur Wirksamkeit ist das Abschätzen des Risikos bei der Einnahme von Probiotika. Einem gesunden Menschen werden die Hefen und Bakterien mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht schaden. Anders sieht es bei Patienten mit medikamentös induzierter Immunsuppression, zum Beispiel unter Glucocorticoiden oder Zytostatika, oder mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Tumoren oder HIV aus. Unsicherheit besteht hinsichtlich der Menge an KBE (koloniebildende Einheiten) Probiotika, die wirksam oder gegebenenfalls schädlich sind. Zudem ist bis heute nicht klar, wie (und ob) die einzelnen Bakterien und Hefen »wirken«. Es gab Berichte über Todesfälle durch Fungiämien und Septikämien im Zusammenhang mit der Gabe von Saccharomyces boulardii (19). Entsprechende Hinweise stehen in den Beipackzetteln der Präparate.
Bislang gilt: Eine klare Empfehlung, dem Patienten bei der Abgabe eines Antibiotikums auch ein Probiotikum zu verkaufen, kann nicht ausgesprochen werden. Dafür reicht die Evidenz derzeit nicht aus.
Guter Rat aus der Apotheke
Sinnvoll ist ohne Zweifel der Rat, bei auftretendem Durchfall genau zu beobachten, wie sich dieser entwickelt. Keinesfalls darf der Patient das Antibiotikum eigenmächtig absetzen oder die Dosis reduzieren. Bleibt der Durchfall moderat, kann er das Medikament nach Verordnung weiter einnehmen. Wird der Durchfall massiv oder kommen Fieber oder Blutbeimengungen hinzu, ist unbedingt und rasch ein Arzt hinzuzuziehen.
Auch wenn das Thema schwierig ist: Der Apotheker sollte mit dem Patienten offen über die Möglichkeit sprechen, dass Durchfälle auftreten können und welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Loperamid ist bei allen Antibiotikainduzierten Durchfällen streng kontraindiziert. Dies gilt auch für Racecadotril, dessen aktiver Metabolit Thiorphan als Enkephalinase-Inhibitor im Darm antisekretorisch wirkt.
Besser geeignet sind Mittel zur oralen Rehydratation (Beispiele: Milupa GES®, Oralpädon®, Elotrans®). Wenn der Patient eine Medikation wünscht, kann man diese Präparate mit gutem Gewissen empfehlen. Sie sind nach den Maßgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammengesetzt und in ihrer Glucose-basierten Zucker- und Mineralstoffzusammensetzung sehr ausgewogen. Die WHO empfiehlt Lösungen mit Glucose 13,5 g/l, Natriumchlorid 2,6 g/l, Kaliumchlorid 1,5 g/l und Natriumcitrat 2,9 g/l (20).
Gleichzeitig sollte das Apothekenteam von der weitverbreiteten Einnahme von Salzstangen und Cola abraten. Die Aufnahme von Zucker und Salzen erfolgt unkontrolliert; unter Umständen kann der hohe Zuckergehalt der Cola selbst zu Durchfällen führen. Gleiches gilt für alle anderen zuckerhaltigen Getränke wie Limonaden oder Fruchtsäfte. Ungesüßter Tee oder (Mineral-)Wasser sind zum Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes am besten geeignet.
Für Antidiarrhoika wie Uzara-Wurzel, getrocknetes Apfelpulver, Siliciumdioxid, Tannin, Kohle oder Myrrhe liegen gemäß der aktuellen Leitlinie zu gastrointestinalen Infektionen keine kontrollierten Studien vor. Diese Mittel können somit nicht evidenzbasiert empfohlen werden (21). /
Literatur
Edith Bennack studierte Pharmazie von 1991 bis 1996 in Bonn, nachdem sie eine Ausbildung zur PTA absolviert hatte. Von 1991 bis 2006 war sie in öffentlichen Apotheken tätig und von 2006 bis 2010 als Apothekerin in der Uniklinik-Apotheke Würzburg. Seit 2010 leitet Bennack die Apotheke des St. Elisabeth-Krankenhaus Köln. Sie ist Fachapothekerin für Offizinpharmazie und für Klinische Pharmazie sowie Antibiotic-Stewardship (ABS)-Experte (DGI).
Edith Bennack
St. Elisabeth- Krankenhaus
Köln-Hohenlind
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50935 Köln
E-Mail: edith.bennack@hohenlind.de