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Arzneimittelfälschungen

Gefahren aus dem Internet

24.04.2008  09:35 Uhr

Arzneimittelfälschungen

Gefahren aus dem Internet

Von Uta Grossmann

 

Noch sind in Deutschland keine Todesfälle durch gefälschte Arzneimittel aktenkundig geworden. Doch jede Fälschung gefährdet die Gesundheit ­ und die Gefahr durch Internetapotheken wächst, warnen Hersteller, Polizei und Gesundheitsministerium.

 

Arzneimittelfälschungen nehmen in Deutschland nach Beobachtung von Industrie und Behörden zu. Problematisch ist weniger der legale Vertriebsweg, hier liegt die Gefahr, an eine Fälschung zu geraten, bei unter einem Prozent, sagte Arnold Schreiber vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in einem Workshop des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) am Montag in Berlin. In der Apotheke seien Arzneimittelfälschungen seltene Ausnahmefälle, so Schreiber.

 

Auch Dr. Frank Lippert vom Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden hält die Möglichkeiten, in Deutschland gefälschte Arzneimittel in die legale Verteilerkette einzuschleusen, für relativ gering. Seit 1996 sind nach BKA-Zahlen 38 Fälle von Arzneimittelfälschungen in der legalen Verteilerkette bekannt geworden. Allerdings hat jeder einzelne Fall massive Auswirkungen auf die Gesundheit und das Sicherheitsempfinden der Menschen.

 

Mehr Transparenz nötig

 

Der legale Vertrieb von Arzneimitteln vom Hersteller über den Großhandel zur öffentlichen Apotheke in Deutschland gut überwacht. Allerdings wäre auch hier an manchen Stellen mehr Transparenz nötig. Michael Dammann vom VFA wies darauf hin, dass im Zwischenhandel bis zu 20 Akteure vor und nach dem vollsortierten Großhandel am Vertrieb beteiligt sein können. Nicht unproblematisch ist der Parallelhandel. Dabei werden Arzneimittel in Ländern mit niedrigerem Preisniveau gekauft und in Staaten verkauft, wo sie teurer sind. 2007 wurden mit Parallelhandel nach Deutschland zwei Milliarden Euro umgesetzt, sagte Dammann. Innerhalb von vier Jahren haben sich der Parallelimport fast verdoppelt. Durch sinkende Arzneimittelpreise wird Deutschland überdies zunehmend interessant für Parallelexport in andere Länder mit höherem Preisniveau. Dammann sprach zudem von einem grauen Markt in Präsenzapotheken, die zugleich Krankenhäuser beliefern.

 

Sorgen bereitet vor allem der illegale Arzneimittelmarkt, der nach Einschätzung des Ministerialdirigenten Schreiber auch in Deutschland wachsen wird. Dammann geht von Fälschungsgraden von 50 Prozent und mehr in illegalen Internetapotheken aus. Jüngste Testkäufe des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker bestätigen das. Besonders Lifestyleprodukte wie Potenz- und Schlankheitsmittel oder Anabolika sind häufig gefälscht und stellen ein schwerwiegendes Gesundheitsrisiko dar.

 

Schreiber berichtete, dass gefälschte Arzneimittel immer öfter der Finanzierung terroristischer Aktivitäten und der organisierten Kriminalität dienten. »Die Globalisierung der Arzneimittelmarktes hat den Markt anfälliger gemacht.« Um den Internethandel besser zu überwachen, wird derzeit bei der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) in Bonn eine Stelle eingerichtet. Das Bundesgesundheitsministerium plant, Fälschungen von Wirkstoffen ebenfalls unter Strafe zu stellen - zuletzt hatte der Heparin-Skandal die Öffentlichkeit aufgeschreckt, in dessen Folge in den USA 81 Menschen starben, die den aus China eingeführten verunreinigten Blutverdünner eingenommen hatten.

 

Der VFA macht sich gemeinsam mit dem Europäischen Pharmaverband EFPIA dafür stark, in Deutschland in einem Pilotprojekt den Einsatz eines Arzneimittel-Identifikationssystems zur Echtheitsprüfung jeder einzelnen Packung zu testen. Mit einem Scanner lesen Apotheker einen sogenannten 2D-Barcode ab, wie er von Flug- und Bahntickets bekannt ist. Ist die Codenummer unbekannt oder schon auf einer anderen Packung gefunden worden, schlägt der Scanner Alarm.

 

Homann: Versandhandel verbieten

 

Die Hersteller engagieren sich zwar gegen Arzneimittelfälschungen, die nicht zuletzt enormen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Den seit 2004 in Deutschland erlaubten Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln will der VFA aber nicht wieder abschaffen. Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer sagte, die Pharmaunternehmen wollten alle Vertriebswege offen halten. Sie setzt stattdessen auf eine Zertifizierung legaler Internetapotheken auf europäischer Ebene. Das Problem ist nur, dass solche Zertifikate und Qualitätssiegel bekanntlich leicht zu fälschen sind.

 

Der hessische Apothekerverband begrüßte zwar die Warnung des Bundesgesundheitsministeriums vor gefälschten Arzneimitteln, ärgerte sich aber auch darüber, dass die Warnung erst jetzt ausgesprochen werde, also vier Jahre nach der Zulassung des Versandhandels. Verbandsvorsitzender Dr. Peter Hohmann forderte die Bundesregierung »zum wiederholten Male auf, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten, wie es in fast allen anderen europäischen Ländern der Fall ist«.

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