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Schlaf statt Sucht

19.04.2017  10:53 Uhr

Viele Benzodiazepin-abhängige Menschen nehmen ihre Schlaf­mittel seit Jahren in gleicher niedriger Dosierung und steigern die ­Dosis nicht eigenmächtig. Vielfach wird diese Low-dose-Abhängigkeit von Benzodiazepinen und Z-Substanzen als Luxusproblem angesehen; die ­Patienten gelten als unbelehrbar. Das ist aber falsch! Es lohnt sich, sie in der Apotheke einfühlsam anzusprechen. Vor den dramatischen Folgen einer Sucht zu warnen, ist dabei sicher nicht der richtige Weg.

 

Besser ist es, dem Patienten zu erklären, dass ein gesunder Nachtschlaf nicht unbedingt acht Stunden dauern muss. Er kann auch fünf oder zehn Stunden dauern. Weiß der Patient, dass es völlig normal ist, nach dem Zubettgehen noch eine halbe Stunde wach zu liegen oder nachts mehrmals aufzuwachen? Ein zu langer Mittagsschlaf, zu wenig Bewegung und Langeweile am Tag lassen viele Senioren nachts schlecht schlafen. Wer nicht über seinen Schlaf grübelt, schläft besser.

 

Ein weiteres Problem: Selbst eine niedrige Diazepam-Dosis kann auf Dauer erheblichen Schaden anrichten. In der sogenannten Apathie-Phase der Abhängigkeit (lesen Sie dazu auch Benzodiazepine: Vom Schlafmittel zum Suchtmittel) ist das Gefühlserleben abgeschwächt, die körperliche Spannkraft geht verloren, die geistige Leistung nimmt ab und die Vergesslichkeit zu. Es liegt nahe, solche Veränderungen aufs vorgerückte Alter zu schieben oder als Depression oder beginnende Demenz fehlzudeuten. Ebenso gut bekannt wie wenig beachtet ist die erhöhte Sturzgefahr, wenn Senioren unter Benzodiazepin-Einfluss nachts aufstehen. Nicht selten folgt auf einen Sturz die Pflege­bedürftigkeit. All dies sind gute Gründe, abhängige Patienten anzusprechen und sie beim ambulanten Entzug zu begleiten.

Brigitte M. Gensthaler

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