Booster für die Impfung |
29.03.2017 09:37 Uhr |
Von Nicole Schuster / In vielen Vakzinen sind sie unverzichtbar: Wirkverstärker, die dafür sorgen, dass selbst geringe Dosen und kleinste Erregerpartikel im Körper eine dauerhafte Immunantwort hervorrufen. Adjuvanzien und ihr Einsatz sind aber umstritten. Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts sieht dafür keine Rationale.
Bei einer Impfung reagiert der Körper auf die applizierten Oberflächenstrukturen von Krankheitserregern. »Um eine schützende Immunantwort bei den Geimpften zu erreichen, die von ausreichend langer Dauer ist, sind einigen Impfstoffen Immunverstärker zugesetzt«, sagt Professor Dr. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung.
Weniger Antigen benötigt
Mit Adjuvanzien als Wirkverstärker wird pro Dosis Impfstoff weniger Antigen benötigt. Das kann etwa bei einer Influenza-Pandemie wichtig sein.
Foto: Imago/Jochen Tack
Die Erforschung von Adjuvanzien begann bereits in den 1920er-Jahren am Pasteur-Institut in Paris. Die Hilfsstoffe sorgen dafür, dass selbst geringe Mengen Antigen für einen Effekt ausreichen. Da Virus-Eiweiße oft rar sind, lässt sich so die Versorgung von mehr Patienten sicherstellen. Bei Totimpfstoffen oder Vakzinen, die nur aus einzelnen Antigen-Untereinheiten bestehen, löst sogar erst der Zusatz an Adjuvanzien im Körper eine ausreichende Immunantwort aus.
Die Hilfsstoffe sind aber nicht unumstritten. Sie verbessern nicht nur die Seroprotektionsrate, sondern begünstigen auch das Auftreten von unerwünschten Erscheinungen. Dazu zählen zum einen Lokalreaktionen wie Rötungen, Schwellungen, Schmerzen oder Gewebeverhärtungen an der Einstichstelle, zum anderen aber auch systemische Beschwerden wie eine erhöhte Körpertemperatur, Myalgien oder ein allgemeines Unwohlsein. Diese unangenehmen Reaktionen verschwinden gewöhnlich nach wenigen Tagen und sind in der Regel nicht bedenklich. »Ein Risikosignal ist bei den zugelassenen adjuvantierten Impfstoffen nicht festzustellen«, bestätigt Cichutek.
Bei Adjuvanzien handelt es sich häufig um Öl-in-Wasser-Emulsionen. Ein Beispiel ist MF59, dessen Name von Mikrofluidisierung abgeleitet ist. Die Squalen-in-Wasser Emulsion kommt in Grippeimpfstoffen wie Fluad® vor und besteht neben Squalen aus oberflächenaktivem Polysorbat 80, Sorbitantrioleat (Span 85), Natriumcitrat und Zitronensäure. Die Zugabe führt dazu, dass vermehrt immunkompetente Zellen an die Injektionsstelle wandern, sie die Antigene effizienter aufnehmen und verstärkt in den Lymphknoten präsentieren. Dadurch werden mehr T- und B-Zellen aktiviert. Die Produktion an Antikörpern steigt und es resultiert eine stärkere Immunprotektion. Patienten sind zudem gegen neu gebildete Varianten der Influenzaviren besser geschützt.
Stimulierender Effekt
Frisch abgefülltes MF59. Das Adjuvans befindet sich zum Beispiel in Grippeimpfstoffen.
Foto: Novartis Behring
Ein weiteres Beispiel für ein Adjuvans mit Squalen ist das Adjuvant System 03 (AS03), das neben Squalen aus DL-α-Tocopherol (Vitamin E) und dem Emulgator Polysorbat 80 besteht und im Impfstoff Pandemrix® enthalten ist. AS03 machen manche Kritiker für das vereinzelte Auftreten von Narkolepsie-Erkrankungen nach einer Impfung verantwortlich. Der Verdacht konnte bislang nicht bestätigt werden. Auch fehlen wissenschaftliche Hinweise dafür, dass Squalen Autoimmunerkrankungen erzeugen könnte.
In Vakzinen mit inaktivierten Erregern und Toxoidimpfstoffen etwa gegen Tetanus und Diphtherie setzt die Industrie als Adjuvans häufig Aluminiumsalze ein. Die wirksamen Bestandteile des Impfstoffs sind an schwerlösliches Aluminiumhydroxid oder -phosphat adsorbiert und werden nur langsam freigesetzt. Dadurch hält der stimulierende Effekt auf das Immunsystem länger an. Das Europäische Arzneibuch begrenzt die Höchstmenge an Aluminium auf 1,25 mg pro Dosis. Zugelassene Impfstoffe enthalten nur etwa 0,125 bis 0,82 mg.
Zu den Nebenwirkungen gehören lokale Reaktionen des Körpers auf das als fremd befundene Adsorbens, etwa die Bildung von Granulomen in der Subkutis. Mit aluminiumhaltigen Adjuvanzien soll auch die makrophagische Myofasziitis (MMF) in Zusammenhang stehen. Bei dieser entzündlichen Muskelveränderung liegen im Gewebe Makrophagen mit Einschlüssen von Aluminiumhydroxidkristallen vor. Das Metall reichert sich zudem dauerhaft im Körper an. Die kontinuierlich aufgenommene Menge aus anderen Quellen überwiegt dabei jedoch deutlich die Zufuhr durch Impfungen. Auch für Säuglinge und Kleinkinder in den ersten beiden Lebensjahren gelten Präparate mit Aluminiumadsorbenzien nach bisherigen Erkenntnissen als sicher.
Adjuvans | Typ / Zusammensetzung | Wirkungsmechanismus | Verwendung |
---|---|---|---|
Aluminiumsalze, etwa Aluminiumhydroxid | Anorganische Verbindung | Verzögerte Antigenfreisetzung → längere und effizientere Antigenpräsentation | Als Adsorptionsmittel beispielsweise in Impfstoffen gegen Tetanus und Diphtherie |
AS02 | Komplex aus MPL und QS21 | Experimentelles Adjuvans, zum Beispiel im Malaria-Impfstoff RTS,S/AS02 | |
AS03 | Squalen-in-Wasser Emulsion mit DL-α-Tocopherol und Polysorbat 80 | Stimulation von Zytokinen, Monozyten und Makrophagen → verbesserte Antigenpräsentation und verstärkte Anregung von B- und T-Zellen | Enthalten in Pandemrix® (Schweinegrippe-Impfstoff) |
AS04 | Komplex aus MPL und Aluminiumhydroxid oder -phosphat | MPL bindet an den Toll-like- Rezeptor 4 → Aktivierung zytotoxischer T-Zellen | Enthalten in Fendrix® (Hepatitis-B-Impfstoff), Cervarix® (HPV-Impfstoff) |
CpG | Synthetische, nichtmethylierte Cytidin-Guanosin-Dinukleotide | Aktivierung des Toll-like-Rezeptors 9 → verstärkte T-Zell-Reaktionen | Enthalten zum Beispiel in Heplisav® (Hepatitis-B-Impfstoff) als experimentelles Adjuvans |
MF59 | Squalen-in-Wasser-Emulsion mit Polysorbat 80 und Sorbitantrioleat | Effizientere Aufnahme des Antigens in Makrophagen und dendritische Zellen → verstärkte Präsentation und Aktivierung von mehr T- und B-Zellen → Produktion größerer Mengen an Antikörpern | Wirkverstärker in Influenzaimpfstoffen wie Fluad® |
Virosomen | Phospholipid-Partikel, deren Hülle mit den Oberflächenantigenen Hämagglutinin und Neuraminidase bestückt ist | Die Virosomen fusionieren mit Antigen-präsentierenden Zellen → verbesserte Antigen-Präsentation → erhöhte Antikörperproduktion | Enthalten in Epaxal® und Havpur® (Hepatitis A-Impfstoffe) |
Adjuvanzien kombinieren
Auch nicht infektiöse Bestandteile von Bakterien können als Adjuvanzien in Impfstoffen eingesetzt werden. Monophosphoryl-Lipid A (MPL-A) ist ein gereinigtes Lipid-A-Derivat aus dem Lipopolysacharid der Zellwand von Salmonella minnesota. Der Hepatitis-B-Impfstoff Fendrix® und der HPV-Impfstoff Cervarix® enthalten MPL-A kombiniert mit einem Aluminiumsalz als Adjuvant System 04 (AS04). Die verstärkende Wirkung beruht vermutlich darauf, dass MPL-A an den Toll-like- Rezeptor TLR4 bindet und dadurch zytotoxische T-Zellen aktiviert. Das Adjuvans soll zudem antigenpräsentierende Zellen stimulieren.
MPL-A kommt auch in AS02 vor. Weiterer Bestandteil der Öl-in-Wasser-Emulsion ist QS21, ein Extrakt aus der Rinde des südamerikanischen Baumes Quillaria saponaria. Der Wirkverstärker könnte möglicherweise den Effekt von Malaria-Impfstoffen, die derzeit noch in Entwicklung sind, verbessern. Bisher kommt AS02 nur in Vakzinen für Tiere vor.
Als Adjvans lassen sich auch Virosomen einsetzen. In HAV pur®, Epaxal® oder Infectovac® Flu sind an hoch gereinigten viralen Membranproteinen und einer Mischung aus verschiedenen Phospholipiden die Antigene, gegen die eine Immunwirkung aufgebaut werden soll, adsorbiert. In Zukunft stehen möglicherweise auch Cochleate, in deren zigarrenartig aufgerollte Lipidstrukturen sich Antigene einbauen lassen, als Immunverstärker zur Verfügung. /