Schmerzfrei |
18.03.2015 09:26 Uhr |
Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Echte Kerle verziehen höchstens kurz das Gesicht, wenn’s mal weh tut. Andererseits verkraften Frauen sogar die Qualen einer Geburt. Welches Geschlecht das starke ist, können auch wir in diesem Schwerpunktheft nicht im Detail ergründen. Beantwortet werden soll hier lediglich die Frage: Wer ist schmerzempfindlicher, wer ist die Memme? Die Antwort ist ernüchternd. Das Geschlecht spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist die Psyche, die Schmerzen je nach Situation dämpft oder verstärkt. Das ist eine vergleichsweise neue Erkenntnis, denn lange galt der Akutschmerz als Ausdruck einer organischen Schädigung, deren Ausmaß mit der Stärke der Schmerzen korreliert (lesen Sie dazu Wahrnehmung: Schmerz ist subjektiv).
Als Memmen bezeichnen sich übrigens auch Frauen untereinander. So werden auch heutzutage noch Schwangere, die bei der Geburt schmerzlindernde Maßnahmen in Erwägung ziehen, als Memmenmütter tituliert. Ganz so antiquiert, wie man vermuten könnte, ist diese Ansicht nicht. So berichtete der englische Frauenarzt Grantly Dick-Read, ein passionierter Gegner jeglicher Hilfe für Gebärende, noch im 20. Jahrhundert von Landarbeiterinnen, die ihre Kinder angeblich schmerzfrei im Feld warfen und dann lachend ihre Arbeit wieder aufnahmen. Befragt hatte er sie nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit wünschten sich auch diese Frauen schmerzlindernde Maßnahmen, wie sie heutzutage verfügbar sind. Eine davon ist die Inhalation von Lachgas, die zum Beispiel gegenüber dem Goldstandard PDA den Vorteil hat, dass die Frauen die Wirkung selbst steuern können (Lachgas: Option im Kreißsaal).
Während Schwangere dem freudigen Ereignis relativ schmerzfrei entgegensehen können, müssen viele chronische Schmerzpatienten ihre Beschwerden ertragen. Grund ist, dass sie in Deutschland nicht optimal versorgt werden, da zu es wenige Experten gibt, die alle Aspekte des Schmerzgeschehens behandeln können. Dieser Ansicht ist zumindest die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin und fordert daher die Etablierung einer neuen Facharztgruppe. Als Vorbild gilt hier Irland, wo es seit 2014 den Facharzt für Schmerzmedizin gibt (Chronische Schmerzen: Ein Fall für den Allrounder).
Vorenthalten möchten wir unseren Lesern auch nicht einen neuen Trend in Fitnessstudios: das Faszien-Training. Faszien hängen wie Spinnweben mit Sehnen, Bändern und Gelenken zusammen. Bislang fanden sie wenig Beachtung. Ulmer Forscher sehen in ihnen jetzt die eigentlichen Verursacher von Schmerzen im Bewegungsapparat (Faszien: Unterschätztes Netzwerk). Wer also sein Bindegewebe in Schuss hält, hat den besten Schutz vor Schmerzen. Spiderman wird’s gewusst haben.
Dr. Kerstin A. Gräfe
Ressortleitung Pharmazie