Option im Kreißsaal |
18.03.2015 09:26 Uhr |
Von Christina Hohmann-Jeddi, Düsseldorf / In Deutschland relativ selten eingesetzt, ist es in anderen europäischen Ländern deutlich beliebter: Lachgas. Es kann die Geburtsschmerzen erleichtern und ist sicher in der Anwendung.
Lachgas (N2O) ist ein altbekanntes Analgetikum. »Während es in den 1970er-Jahren in den Kliniken weitverbreitet war, geriet es wegen Problemen mit Überdosierungen über viele Jahre in Verruf«, sagte der Anästhesist Professor Dr. Jörg Weimann vom Sankt Gertrauden Krankenhaus in Berlin auf einer Veranstaltung des Herstellers Linde Gas auf dem Fortbildungskongress der Frauenärztlichen Bundesakademie Anfang März in Düsseldorf. Viele Anästhesisten hätten daher keine praktische Erfahrung mehr mit dem Arzneimittel, auch nicht im Rahmen ihrer Ausbildung. Dabei habe das Gas durchaus einen Stellenwert in der Therapie von Geburtsschmerzen.
Lachgas kann Geburtsschmerzen zwar nicht beseitigen, Wehen aber wesentlich erträglicher machen.
Foto: Linde Gas/Kai Arndt
In einer Cochrane-Metaanalyse von 18 Reviews zur Schmerztherapie im Kreißsaal wurde eine evidenzbasierte Wirksamkeit festgestellt für Periduralanästhesie (PDA) und kombinierte Spinal- und Epiduralanästhesie (CSE) sowie für äquimolares N2O/O2, berichtete Weimann.
Bei Letzterem handelt es sich um eine feste 50 zu 50-Mischung von Lachgas und Sauerstoff. Als möglicherweise wirksam wurden Methoden wie Geburtswanne, Entspannung, Akupunktur, Nicht-Opiode und Nervenblockaden eingestuft (DOI: 10.1002/ 14651858.CD009234.pub2).
Schwangere steuert den Verbrauch nach Bedarf
Als Fertigarzneimittel mit äquimolarem N2O/O2 ist in Deutschland Livopan® auf dem Markt. In der Fachinformation sind als Indikation kurzzeitige Schmerzzustände von leichtem bis mittlerem Ausmaß angeführt. »Dabei können Wehen schon ein bisschen mehr wehtun«, sagte Weimann. Doch Ziel der Lachgas-Applikation sei nicht, die Schmerzen zu beseitigen, sondern sie erträglich zu machen. Analgetisch wirkt das Gas vermutlich, indem es den NMDA-Rezeptor blockiert und die zentrale und spinale Opioid-Freisetzung erhöht. Ein Vorteil der Substanz sei, dass sie im Körper nicht metabolisiert wird und daher unabhängig von Organfunktionen etwa der Leber oder Niere verabreicht werden kann. »Es wird abgeatmet«, sagte Weimann. Die Wirkung trete innerhalb von zwei bis drei Minuten ein und sei auch innerhalb von Minuten nach Absetzen der Nasenmaske wieder beendet. »Für Schwangere ist die Einnahme daher selbst steuerbar«, so der Anästhesist.
Dies bestätigen auch die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Einsatz von Lachgas zur Schmerztherapie unter der Geburt aus dem Oktober 2014. Vorteilhaft in der Anwendung sei »die gewonnene psychische Unabhängigkeit der Gebärenden durch Selbstitrierung des Medikaments je nach Bedarf«, heißt es dort.
Als Nebenwirkungen nannte Weimann Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Halluzinationen. Auch eine leichte Sedierung könne vorkommen, wobei die meisten Gebärenden dann gegensteuerten, indem sie die Maske abnähmen. Gravierende Nebenwirkungen wie eine Diffusionshypoxie trete unter einer 50-50-Mischung von Lachgas zu Sauerstoff nicht mehr auf. Interaktionen mit Vitamin B12, die zu einer Knochenmarksuppression führen können, seien schon aus den 1950er-Jahren bekannt, träten aber nur bei einer langfristigen Applikation auf. Insgesamt sei das Sicherheitsprofil für dieses Medikament zufriedenstellend, so der Anästhesist.
Offene Fragen
In niedrigen Dosierungen wirke es zuerst anxiolytisch und analgetisch, in höheren Dosierungen erst sedierend und dann narkotisierend. Eine Applikation von Lachgas allein ist für eine Narkotisierung nicht ausreichend. Spontanatmung, Schutzreflexe und Hämodynamik der Patientinnen blieben unter Lachgas unbeeinflusst, sodass es sicher in der Anwendung ist, heißt es in der Stellungnahme der Fachgesellschaften weiter. Sie mahnen allerdings an, dass ein Schaden von Mutter und Kind »nicht mit hinreichender Sicherheit« ausgeschlossen werden könne, und fordern eine zeitnahe Klärung der offenen Fragen in kontrollierten Studien. Als Goldstandard sehen sie rückenmarksnahe Verfahren an. In Deutschland werde Lachgas derzeit bei etwa 10 Prozent der Geburten eingesetzt, hieß es auf dem Symposium. In Großbritannien liege die Rate bei 60 Prozent und in Dänemark bei 50 Prozent. /