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Tricks jenseits von Sport und Diät

24.01.2012  13:56 Uhr

Von Verena Arzbach / Eine reduzierte Kalorienzufuhr und erhöhte körperliche Aktivität lassen bekanntlich die Pfunde purzeln. Darüber hinaus hat die Forschung aber noch weitere Faktoren ausgemacht, die den Fettstoffwechsel und das Hungergefühl beeinflussen. Daraus lassen sich einige Tipps für Abnehmwillige ableiten.

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ist das durchschnittliche Gewicht der Bevölkerung in den Industrienationen kontinuierlich angestiegen. Es ist unstrittig, dass dafür vor allem der moderne Lebensstil mit Bewegungsmangel und ungesunder Ernährung verantwortlich ist. Doch auch andere Faktoren könnten eine Rolle spielen. Denn offenbar werden nicht nur wir Menschen immer dicker, sondern auch die Tiere. Das hat ein Forscherteam um David Allison von der University of Alabama (USA) im Jahr 2010 herausgefunden.

Nach Auswertung der Daten von mehr als 20 000 Tieren stellten die Forscher fest, dass das mittlere Körpergewicht während der vergangenen Jahrzehnte in allen untersuchten Tierpopulationen angestiegen war (doi: 10.1098/rspb.2010.1890). Sowohl bei Labor-, Haus- als auch Wildtieren war die Gewichtszunahme zu beobachten. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass für den Anstieg des durchschnittlichen Körpergewichts auch beim Menschen bisher unbekannte Umwelteinflüsse wie virale Pathogene oder epigenetische Faktoren mit verantwortlich sein könnten.

 

Erwiesen ist, dass sich besonders kurze Schlafzeiten und ein unregelmäßiger Tag-Nacht-Rhythmus negativ auf der Waage bemerkbar machen können. In einer Kohortenstudie fanden Forscher um Rachael Taylor von der University of Otago in Neuseeland 2011 heraus, dass siebenjährige Kinder umso schlanker waren, je länger sie im Alter von drei bis vier Jahren pro Nacht geschlafen hatten (doi: 10.1136/bmj.d2712). Jede zusätzliche Stunde Schlaf im Kleinkindalter reduzierte den Body-Mass-Index (BMI) der Siebenjährigen. Kinder, die weniger als elf Stunden pro Nacht geschlafen hatten, hatten ein signifikant höheres Risiko, später Übergewicht zu entwickeln. Eine Erklärung hierfür könnte unter anderem sein, dass der Körper bei Schlafentzug weniger Leptin ausschüttet, ein Hormon, das das Hungergefühl unterdrückt. Der Gegenspieler des Leptins, das appetitanregende Hormon Ghrelin, wird bei zu wenig Schlaf hingegen vermehrt ausgeschüttet.

 

Schlank im Schlaf

 

Zu lang sollte die nächtliche Bettruhe jedoch auch nicht ausgedehnt werden. 2008 zeigte eine Gruppe kanadischer Wissenschaftler um Jean-Philippe Chaput, dass Erwachsene, die durchschnittlich neun bis zehn Stunden pro Nacht schliefen, innerhalb von sechs Jahren im Durchschnitt 1,58 Kilogramm mehr zulegten als Probanden mit einer mittleren Schlafdauer von sieben bis acht Stunden. Kurzschläfer mit durchschnittlich fünf bis sechs Stunden Nachtruhe nahmen sogar 1,98 Kilogramm mehr zu (Sleep. 2008 Apr;31(4):517-23).

 

Auch Schichtarbeit steht im Verdacht, die schlanke Linie zu gefährden. Randy Nelson und Kollegen von der Ohio State University in Columbus (USA) zeigten 2010 in einer Studie an Mäusen, dass künstliches Licht in der Nacht die innere Uhr aus dem Takt bringt und den Stoffwechsel umstellt (doi: 10.1073/pnas.1008734107). Mäuse, die sich nachts in hellen Räumen aufhielten, hatten nach acht Wochen 10 Prozent mehr an Gewicht zugenommen als Vergleichstiere mit normalem Tag-Nacht-Rhythmus, trotz gleicher Kalorienzufuhr und Bewegung. Es kann also einen Versuch wert sein, abends das Licht zu dimmen und Fernseher und Bildschirme auszuschalten. Das kommt bekanntermaßen auch der Schlafhygiene zugute.

Einen Blick riskieren - oder lieber nicht?

Machen der Anblick oder die Vorstellung von appetitlichen Lebensmitteln hungrig oder satt? Dazu gibt es widersprüchliche Studienergebnisse. 2010 fanden Wissenschaftler von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (USA) heraus, dass Probanden, die sich wiederholt den Genuss eines bestimmten Nahrungsmittels vorgestellt hatten, später weniger aßen als Teilnehmer, die zuvor nicht an Essen gedacht hatten (doi: 10.1126/science. 1195701). Jetzt aber zeigten Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München, dass der Anblick appetit­licher Speisen auch bei sattgegessenen Personen den Appetit steigert. Die Forscher berichten im Journal »Obesity«, dass optische Reize die Ausschüttung des appetitanregenden Hormons Ghrelin erhöhen (doi: 10.1038/oby.2011.385). Sie zeigten acht gesunden Männern Bilder appetitlicher Nahrungsmittel sowie nicht essbarer Inhalte und analysierten in Abhängigkeit davon deren Ghrelin-Blutspiegel. Auch nach einer Mahlzeit führte der Anblick der Nahrungsbilder zu einer verstärkten Ausschüttung von Ghrelin, signifikant mehr als nach den neutralen Bildern.

Starkes Heizen im Winter kann ebenfalls eine Gewichtszunahme fördern, wie britische Forscher um Fiona Johnson vom University College London 2011 im Fachblatt »Obesity Review« feststellten (doi: 10.1111/j.1467-789X.2010.00851.x). Sinkt die Umgebungstemperatur unter 18 Grad Celsius, wird braunes Fettgewebe aktiviert. Dieses ist in der Lage, durch Oxidation von Fettsäuren Energie zu verbrennen und den Körper so aufzuwärmen. Hält der Mensch sich aber ausschließlich im warmen Haus auf, schwinden braune Fettdepots und damit die Fähigkeit zur Wärmeerzeugung. Wer also in der kalten Jahreszeit die Heizung etwas herunterdreht und sich ab und zu im Freien aufhält, aktiviert dadurch vermutlich sein braunes Fettgewebe und fördert die Verbrennung von Fettpolstern.

 

Auch strenge Diäten sind der dauerhaften Gewichtsreduktion nicht zuträglich. Dass Hungerkuren Stress auslösen und später einen Jo-Jo-Effekt provozieren können, bewiesen Forscher um Diana Pankevich von der University of Pennsylvania 2010 auf molekularer Ebene (doi: 10.1523/JNEUROSCI.1955- 10.2010). Mäuse, die auf eine leichte Diät gesetzt wurden, zeigten nach drei Wochen erhöhte Blutspiegel des für Nagetiere typischen Stresshormons Corticosteron. Außerdem stellten die Forscher Veränderungen in Gehirn­regionen der Tiere fest, die Emotionen und Gedächtnis beeinflussen: Cortico­liberin wurde vermehrt exprimiert und bestimmte Promoter methyliert. Diese Veränderungen blieben auch nach der Diät bestehen. In späteren Stresssituationen fraßen die Diät-Mäuse mehr fettreiche Nahrung als Tiere, die keine Diät gemacht hatten.

Abnehmwillige sollten daher ihre Ernährung möglichst behutsam und langfristig umstellen. Denn Radikalkuren beeinflussen auch das spätere Essverhalten und führen auf Dauer nicht zum Erfolg. Darüber hinaus erhöhen sie dauerhaft das Hungergefühl, da sie den Haushalt mehrerer appetitregulierender Hormone nachhaltig durcheinanderbringen. Das zeigten die Ergebnisse einer kürzlich im »New England Journal of Medicine« erschienenen Untersuchung (lesen Sie dazu Wenn Diäten versagen: Hormone sind schuld am Jo-Jo-Effekt, PZ 44/2011).

 

Sich selbst mögen

 

Auch psychosoziale Faktoren beeinflussen unsere Essgewohnheiten. Im Jahr 2008 zeigten Forscher um Adina Lemeshow von der US-amerikanischen Harvard School of Public Health in einer Studie mit knapp 4500 weiblichen Teenagern, dass die subjektive Einschätzung des eigenen sozialen Ansehens Einfluss auf das Gewicht hat (Arch Pediatr Adolesc Med. 2008;162(1):23-28). Je niedriger sich die Mädchen selbst auf einer Beliebtheitsskala einordneten, desto eher nahmen sie innerhalb des Beobachtungszeitraums von zwei Jahren zu.

 

Dass sich Übergewichtige beim Abnehmen stark an ihrem sozialen Umfeld orientieren, zeigten 2011 auch Wissenschaftler um John Morton von der Stanford University (USA) im Journal »Archives of Surgery« (doi: 10.1001/archsurg.2011.244). Ließen sich über­gewichtige Patienten den Magen verkleinern, nahmen ihre Familienangehörigen nach der Operation ebenfalls ab. Sie bewegten sich mehr, ernährten sich gesünder und tranken weniger Alkohol als zuvor. Sich auszutauschen und gegenseitig zum Abnehmen zu motivieren, kann die Erfolgsaussichten also erheblich steigern.

 

Adipositas verhindern

 

Insgesamt können all diese Faktoren vermutlich nur einen kleinen Beitrag zum Erreichen oder Halten des Ideal­gewichts leisten. Gesundes Essen und Sport haben die weitaus größere Bedeutung. Da Adipositas aber an der Entstehung vieler Folgeerkrankungen beteiligt ist und ihre Prävalenz immer weiter ansteigt, ist es wichtig, alle Ursachen hinreichend zu erforschen, um in Zukunft wirksame Therapien entwickeln zu können. / 

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