Abschied und Empörung |
Im Rahmen der BAK-Mitgliederversammlung wurde auch die ehemalige BAK-Präsidentin und derzeitige Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, Magdalena Linz, gebührend verabschiedet. / Foto: PZ/Theo Dingermann
Die diesjährige BAK-Mitgliederversammlung war recht emotional geprägt. Zum einen wurden sehr verdiente Mitglieder verabschiedet, die in den letzten Jahren ganz maßgeblich die Geschicke der verfassten Apothekerschaft mitgestaltet hatten. Zum anderen ging es um die Empörung über einen unkonstruktiven Dialog mit der Politik angesichts des anstehenden Gesetzesvorhabens des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zur Stärkung der Apotheke vor Ort.
Doch zunächst zum Abschied: Die Kammer Nordrhein bekommt in der nächsten Wahlperiode einen neuen Präsidenten und einen neuen Vizepräsidenten. Das bedeutet, dass der langjährige Präsident Lutz Engelen und sein Vize Peter Barleben ihre Ämter in neue Hände übergeben werden. Mit Dank und Anerkennung verabschiedete BAK-Präsident Andreas Kiefer zusammen mit den Repräsentanten aller Länderkammern die beiden Berufsvertreter am Vorabend der eigentlichen Mitgliederversammlung. Über ihre Verdienste und ihren großen Einsatz für die Belange der Apothekerschaft wird noch berichtet werden, wenn sie nach der in Kürze anstehenden Wahl tatsächlich aus ihren Ämtern scheiden.
Während der Mitgliederversammlung wurde dann die Kammerpräsidentin der Landesapothekerkammer Niedersachsen, Magdalena Linz, verabschiedet. Auch dies bedeutet einen spürbaren Verlust, denn mit Linz geht nicht nur eine erfahrene Präsidentin einer Länderkammer, sondern auch eine ehemalige BAK-Präsidentin, die wie kaum eine andere das berufspolitische Geschäft versteht und an vielen Stellen Beharrlichkeit und Durchsetzungsvermögen bewiesen hat.
BAK-Präsident Kiefer charakterisierte die scheidende Kammerpräsidentin durch drei besondere Eigenschaften: »Ihre extreme Zuverlässigkeit, ihr unglaubliches Gedächtnis sowie ihr Einsatzwille und ihre Streitkultur im besten Sinne.« Linz selber verabschiedete sich im Sinne dieser Charakterisierung nicht etwa mit Wehmut, sondern durchaus kämpferisch und optimistisch. Keine Zweifel ließ sie aufkommen, dass sich pharmazeutische Kompetenz und pharmazeutisches Know-how durchsetzen werden. Und sie verwies in diesem Zusammenhang auf das, was jüngst in Niedersachsen gesetzlich durchgesetzt werden konnte: Die gesetzliche Einführung von Stationsapothekern. Dass sie auch hin und wieder unbequem war, räumte Linz durchaus ein. Aber immer habe sie die Sache und nie ihre eigene Person im Fokus gehabt. Die scheidende Kammerpräsidentin versprach, ihr Netzwerk nicht einschlafen zu lassen, sondern auch ohne Amt weiter für die Apothekerschaft kämpfen zu wollen.
Dies war ein versöhnlicher Abschluss einer in Teilen durchaus emotionalen Sitzung. Denn im Rahmen seines politischen Lageberichts musste der BAK-Präsident einräumen, dass der konstruktive Dialog mit der Politik derzeit alles andere als rund läuft. Es fehle, so Kiefer, an einem Konsens hinsichtlich des Diskurses zwischen Politik und Apothekerschaft in Vorbereitung des Referentenentwurfs zum »Gesetz zur Stärkung der vor Apotheke vor Ort«. Offensichtlich wird nicht nur den Politikern in Bonn seitens des Ministeriums suggeriert, Politik und die verfasste Apothekerschaft seien zwischenzeitlich weitgehend einer Meinung. Und offensichtlich, so das dringliche Anmahnen von Vertretern aus den Länderkammern, darunter auch die BAK-Vorstandsmitglieder Ursula Funke (LAK Hessen) und Thomas Benkert (LAK Bayern), verfestigt sich diese Einschätzung auch in der Apothekerschaft.
Prof. Dr. Theo Dingermann, PZ-Chefredakteur / Foto: PZ/Alois Müller
Diese Diskrepanz war dann Thema einer offenen und fairen Debatte, die sich über den gesamten Vormittag hinzog. Man sah davon ab, eine Resolution zu verabschieden, und das war gut begründet. Stattdessen verwies man mit Nachdruck auf das Papier, das im Nachgang zu der ABDA Sondersitzung am 2. Mai einstimmig verabschiedet worden war und in dem unverändert der Standpunkt der Apothekerschaft nachzulesen ist. Dieses Papier sollte nach Ansicht der Apotheker daher neben den Referentenentwurf gelegt werden, wenn es darum geht, objektiv zu überprüfen, inwieweit die Meinung des BMG und der Apothekerschaft übereinstimmen.
Es ist eine ernüchternde, wenn auch nicht neue Erkenntnis: »Wir sind uns mit dem Gesundheitsminister NICHT einig«, so lautet das alles andere als triviale Ergebnis einer emotionalen Debatte auf der BAK-Mitgliederversammlung.
Das ist harter Tobak. Denn bisher hatte man sich mit zu klaren Äußerungen eher zurückgehalten, was keineswegs bei allen Apothekern auf Verständnis stieß. Aber man wollte und will es sich aus gutem Grund nicht mit denen verderben, von denen man ordnungspolitisch abhängig ist.
Was jedoch von erfahrenen Berufspolitikern samt professioneller Berater offensichtlich nicht für möglich gehalten wurde, muss jetzt ernüchternd zur Kenntnis genommen werden. Politisch wird grob missverständlich, in Teilen sogar falsch, argumentiert. So falsch, dass mittlerweile ein brisantes Klima des Misstrauens herrscht, nicht nur innerhalb der Apothekerschaft, sondern auch unter den mit dem Problem befassten Politikern.
Dies ist keine übertriebene Zuspitzung. Denn von Politikern, die die Brisanz der diskutierten Änderungen bei der Organisation der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln verstehen und ernst nehmen, und die sich deshalb für die Argumente der Apothekerschaft stark machen, wurde glaubhaft signalisiert, sie seien sich nicht mehr sicher, noch im Sinne der verfassten Apothekerschaft zu sprechen.
Das ist eine verheerende Situation. Offensichtlich fühlen sich Abgeordnete, die immer wieder von Apothekern vor Ort ebenso wie von Berufspolitikern aus den Ländern angesprochen und um Unterstützung gebeten wurden, unter friendly fire.
Daher bedarf es hier einer Klarstellung: Der Aussage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), man sei sich mit den Apothekern bei der Entwicklung des Entwurfs zum Apotheken-Stärkungsgesetz einig, widerspricht die BAK-Mitgliederversammlung vehement. „Wir sind uns nicht einig“ resümieren die Kammerrepräsentanten nach einer offenen Aussprache. Dieses Signal muss die gesamte Apothekerschaft ebenso hören, wie die Politiker, die die Argumente der Apothekerschaft verstehen, auch weil sie die große Bedeutung und die Zuverlässigkeit einer geordneten Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln kennen und für unverzichtbar einschätzen.
»Wir werden weiter mit Ihnen, Herr Spahn, um die Weiterentwicklung des Apothekenwesens in Deutschland diskutieren und streiten«, lautet die Botschaft an den Minister. Aber die Apotheker fordern eine ehrliche Diskussion. So wie der Gesetzentwurf derzeit politisch diskutiert wird, ist er von der Politik zu verantworten. Die Apothekerschaft trägt diese Argumentation nicht mit. Denn die Apotheker vor Ort ebenso wie ihre gewählten Standesvertreter fordern nach wie vor, die Gleichpreisigkeit von Arzneimitteln, die »Magna Carta« eines geordneten Apothekenwesens, auch beim Versand aus dem Ausland ohne Ausnahme sicherzustellen und die dazu notwendigen Änderungen in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorzunehmen.
Eine politisch-opportunistisch Argumentation ist nicht zielführend. Es fordern die Regeln der Fairness, ehrlich zu diskutieren und um beste Lösungen zu ringen.
Theo Dingermann, Chefredakteur