Zwei Pandemien prallen aufeinander |
Ab einem BMI von 30 ist das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf deutlich erhöht. / Foto: Shutterstock/Amani A
»Derzeit treffen zwei Pandemien aufeinander«, berichtete Professor Dr. Jakob Linseisen vom Universitären Zentrum für Gesundheitswissenschaften am Klinikum Augsburg (UNIKA-T) bei einer Online-Tagung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) am 20. November. Die derzeitige Situation mit den hohen Inzidenzen für Coronavirus-Infektionen treffe auf die schon bestehende Adipositas-Pandemie – mit gravierenden Folgen.
Schon früh war bekannt, dass starkes Übergewicht das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf erhöht. Das hatte sich gleich in mehreren großen Beobachtungsstudien gezeigt. Inzwischen ist die Risikoerhöhung genauer analysiert. Linseisen, Präsident der DGE, stellte hierzu eine Metaanalyse vor, die im August im Journal »Obesity Reviews« erschien. Demnach haben Adipöse ein um 113 Prozent erhöhtes Risiko für eine Hospitalisierung bei einer Covid-19-Erkrankung, ein um 74 Prozent erhöhtes Risiko, auf die Intensivstation verlegt zu werden, und ein um 48 Prozent erhöhtes Risiko zu sterben. Relativ unbekannt bis jetzt ist allerdings, dass Übergewicht auch das Risiko erhöht, sich überhaupt mit dem Erreger zu infizieren. Das ist der Metaanalyse zufolge um 46 Prozent gesteigert.
Beobachtungsstudien stellen Zusammenhänge fest. »Die Frage ist, ob diese Zusammenhänge kausal sind«, so Linseisen. Wahrscheinlich sei dies, wenn es einen plausiblen biologischen Mechanismus gebe. Auch hierzu gibt es schon eine Reihe von Untersuchungen. So könnte Adipositas das Risiko eines schweren Verlaufs durch eine Reihe von Mechanismen erhöhen. Eine Übersicht hierzu veröffentlichte ein Team um Dr. Fabian Sanchis-Gomar von der Universität Valencia, Spanien, im Mai im Journal »Mayo Clinical Proceedings«.
Übergewicht führt nicht nur zu einer Immundysbalance, sondern beeinträchtigt auch die Lungenfunktion und die Sauerstoffsättigung des Blutes und kann zu Nierenschäden führen. Zudem beeinflusst Adipositas die meisten Hauptrisikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Glucose-Stoffwechselstörungen und Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Hyperlipidämie und damit einhergehende negative Effekte auf das kardiovaskuläre System.
Von besonderer Bedeutung ist hier die Hyperkoagulabilität und die Neigung zu thromboembolischen Ereignissen bei Adipösen, da diese eine zentrale Rolle in der Pathogenese von Covid-19 spielen. Zudem befeuert der erhöhte Fettgewebsanteil, der endokrin aktiv ist, bei Übergewichtigen eine chronische Inflammation. Diese kann sich im Fall einer SARS-CoV-2-Infektion ebenfalls ungünstig auswirken, da nicht das Virus selbst, sondern eine verstärkte Immunreaktion auf den Erreger die meisten Schäden bei einer Covid-19-Erkrankung anrichtet.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.