Wirksam und gut erforscht |
Über die Nebenwirkungen der Statine wird immer wieder auch in den Medien berichtet. Das verunsichert viele Patienten. / Foto: Shutterstock/Kzenon
Für das LDL-Cholesterol gilt: je niedriger desto besser. »Der Zusammenhang zwischen einem erhöhten LDL-Cholesterolwert und Atherosklerose ist mittlerweile durch epidemiologische, genetische und klinische Studien eindeutig belegt«, sagte Professor Dr. Dietmar Trenk vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen beim Fortbildungskongress Pharmacon in Schladming. Eine laut Trenk »bahnbrechende« Untersuchung war die 1994 im Fachjournal »The Lancet« publizierte 4S-Studie, in der Simvastatin die Gesamtmortalität im Vergleich zu Placebo relativ um 30 Prozent senkte (DOI: 10.1016/S0140-6736(94)90566-5).
Bis heute schlossen sich so viele Studien an, dass Statine mittlerweile »zu den am besten untersuchten Arzneistoffklassen gehören«, so der Pharmakologe. Aufgrund von negativer Berichterstattung in den Medien zögen Patienten den Nutzen der Statintherapie jedoch immer wieder in Zweifel. »Hier sind auch die Apotheker gefragt, dem Patienten zu versichern, dass die Einnahme des Statins seine Prognose deutlich verbessert.«
Eine Folge der Negativ-Meldungen sei vermutlich auch, dass Muskelschmerzen als Nebenwirkung in der Praxis sehr viel häufiger auftreten als in den Zulassungsstudien. »Das sehe ich als Noceboeffekt«, sagte Trenk. In einer Studie, in der Patienten, die zuvor unter Statinen Muskelschmerzen entwickelt hatten, Atorvastatin oder Placebo erhielten, kam es nur bei 42,6 Prozent unter dem Statin erneut zu dieser Nebenwirkung. Die anderen berichteten entweder nur unter Placebo, sowohl unter Placebo als auch unter Atorvastatin oder überhaupt nicht mehr über Muskelschmerzen (»JAMA« 2016, DOI: 10.1001/jama.2016.3608).
Der Einsatz der Statine kann in der Praxis meist noch optimiert werden, sagt Professor Dr. Dietmar Trenk. / Foto: PZ/Alois Müller
Aufgrund der hervorragend dokumentierten Wirksamkeit empfiehlt die europäische Leitlinie zur Senkung des erhöhten LDL-Cholesterols die Verordnung eines Statins bis zur höchsten empfohlenen beziehungsweise tolerierten Dosis, um den risikoabhängigen Zielwert des Patienten zu erreichen. »Das ist die einzige Empfehlung zur Pharmakotherapie mit dem Empfehlungsgrad I und dem Evidenzgrad A«, betonte Trenk. Er gehe jedoch davon aus, dass die PCSK9-Hemmer, für die zum Zeitpunkt der Erstellung der Leitlinie noch keine Langzeitdaten vorlagen, in der Neuauflage heraufgestuft werden.
Bevor ein PCSK9-Hemmer in Betracht gezogen wird, soll jedoch erst einmal die Statintherapie optimiert werden. Und hier liegt in Deutschland einiges im Argen, wie 2016 eine Untersuchung zeigte (»Clinical Research in Cardiology«, DOI: 10.1007/s00392-016-0991-z). Darin erreichten nur 10,5 Prozent der von Hausärzten betreuten 2625 Hochrisiko-Patienten unter Atorvastatin den Zielwert von 70 mg/dl LDL-Cholesterol oder niedriger. Die Dosis des Statins war in den meisten Fällen nicht dem LDL-Ausgangswert angepasst. Dennoch waren die behandelnden Ärzte mehrheitlich der Ansicht, die Therapie sei so in Ordnung.
Neben der Dosiserhöhung ist ein Wechsel des Statins eine Möglichkeit, um die Wirkung zu steigern. Von den sieben zugelassenen Statinen sind Atorvastatin und Rosuvastatin am stärksten wirksam. »Bei hohen LDL-Ausgangswerten kommen aus meiner Sicht eigentlich nur diese beiden in Betracht«, sagte Trenk. Auch Simvastatin würde gehen, sei aber wegen des deutlich höheren Interaktionspotenzials nicht zu bevorzugen.
Ist der LDL-Wert auch trotz intensivster Statintherapie noch zu hoch, kann der NPC1L1-Hemmer Ezetimib hinzugenommen werden, wobei der zusätzliche Effekt laut Trenk meist nur gering ist. Anders bei den PCSK9-Hemmern Alirocumab (Praluent®) und Evolocumab (Repatha®): Die seit 2015 verfügbaren monoklonalen Antikörper, die der Patient alle zwei beziehungsweise vier Wochen subkutan injiziert, senken den LDL-Wert um durchschnittlich 50 bis 60 Prozent. »Das sind Werte, die wir mit Statinen quasi nie erreichen, und zwar ohne Abstriche bei der Verträglichkeit«. Aufgrund der hohen Kosten von derzeit etwa 650 Euro im Monat kämen die PSCK9-Hemmer jedoch nur für wenige Patienten infrage.