Wie man Priscus, FORTA & Co. richtig nutzt |
Sven Siebenand |
23.05.2022 18:00 Uhr |
Eine Reihe von Medikamenten ist bei sehr alten Menschen potenziell ungeeignet. / Foto: Adobe Stock/Ingo Bartussek
Ob veränderte Pharmakokinetik und -dynamik, mangelnde Adhärenz oder andere Faktoren: Bei älteren Menschen kommt es zu mehr unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) als bei jüngeren Menschen. Wie Professor Dr. Petra A. Thürmann von der Universität Witten/Herdecke beim Fortbildungskongress Pharmacon in Meran informierte, haben Menschen in Pflegeheimen ein besonders hohes Risiko für UAW. Die Evidenz für Nutzen und Risiken vieler Medikamente im Alter sei nur sehr eingeschränkt.
Professor Dr. Petra A. Thürmann von der Universität Witten/Herdecke / Foto: PZ/Alois Müller
»Es grenzt fast an Mobbing, wie ältere Menschen aus Studien ausgeschlossen werden«, sagte die Klinische Pharmakologin. Als aktuelles Beispiel zog sie die Studien zu den SARS-CoV-2-Impfstoffen heran. Ausgerechnet jene vulnerable Risikogruppe, die zunächst geimpft werden sollte, war in den Studien absolut unterrepräsentiert. Weniger als 10 Prozent der Studienteilnehmer waren älter als 65 Jahre, weniger als 1 Prozent älter als 85 Jahre.
Selbst wenn Studiendaten vorhanden sind, muss man laut Thürmann immer noch vorsichtig sein, daraus Schlüsse für die Praxis zu ziehen. Und »alt ist nicht gleich alt«: Während man sich zwischen einem Alter von 18 und 60 Jahren nicht so viele Gedanken um die Spannbreite in der Physiologie machen müsse, werde das mit zunehmendem Alter immer wichtiger. Was ein 65-jähriger Mensch vertrage, könne für einen 85-Jährigen komplett unverträglich sein.
»Die Evidenz aus Studien ist schlecht, aber mithilfe kluger Experten bekommen wir gute Listen hin«, lautete das Zwischenfazit der Referentin. Eine mittlerweile gut bekannte Liste ist die Priscus-Liste, die es nun seit etwa zehn Jahren in Deutschland gibt. Darauf stehen derzeit 83 Arzneistoffe, die im Alter – wenn möglich – vermieden werden sollten, weil sie zu Nebenwirkungen führen können. Die Priscus-Empfehlungen sollen laut Thürmann als Unterstützung bei der Arzneimittelauswahl und -beurteilung dienen. Sie seien aber kein Schwarz-Weiß-Szenario. Im Einzelfall könne bei einem Patienten sehr wohl der Einsatz eines Arzneistoffs von der Priscus-Liste sinnvoll sein.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.