Wie kam es zum Tamoxifen-Engpass? |
Der Geschäftsführer des Herstellerverbands Pro Generika, Bork Bretthauer, betonte am gestrigen Dienstag: Die Politik sei nun am Zug, die Problematik von Arzneimittel-Lieferproblemen nachhaltig zu lösen. / Foto: DKG/Mara Waldherr
Tamoxifen ist mittlerweile in aller Munde und quasi das Symbol für viele andere Arzneimittel-Lieferengpässe geworden. Das Brustkrebsmittel ist seit einigen Monaten auf normalem Weg über die Großhändler kaum mehr bestellbar. Das Problem ist allerdings seit längerer Zeit erkannt, das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat offiziell einen Versorgungsmangel festgestellt. Bislang sind dadurch 5 Millionen Tamoxifen-Tabletten per Sonderimport nach Deutschland gekommen, die hierzulande eigentlich gar nicht zugelassen sind. Bis Mai sollen auf diesem Weg weitere 20 Millionen Tabletten auf den Markt kommen, um die Versorgung von Brustkrebs-Patientinnen und Patienten zu sichern. Nun hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) per Bescheid vorgegeben, dass die Großhändler zunächst vorrangig den Sonder-Import ausliefern sollen.
Der Tamoxifen-Engpass zeige nun erneut, dass Deutschland zwar gut im Management von Krisen ist, das Problem allerdings nicht kausal angehe, betonte Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika bei der Veranstaltung »Brennpunkt Onkologie« der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) am Dienstag. Gut sei, dass durch die zeitnahe Information der Hersteller über mögliche Engpässe sowie die flexible Möglichkeit ausländische Medikamente importieren zu können, die Versorgung der Patientinnen und Patienten sichergestellt werden könne. Das Problem als solches werde vonseiten der Politik aber nicht an der Wurzel gepackt, sondern lediglich auf der Symptomebene behandelt, bemängelte Bretthauer.
Doch wie konnte es überhaupt zu dem Engpass bei Tamoxifen kommen? Das Mittel wurde in den 1970er Jahren in den USA erfunden. Nach dem Wegfall des Patents gab es in den 1990er Jahren Bretthauer zufolge knapp zwei Dutzend Unternehmen, die das Brustkrebsmittel hergestellt hatten. Aufgrund massiven Preisdrucks sind davon heute nur noch vier Generika-Unternehmen übrig, die Tamoxifen herstellen. Davon sei eines der Unternehmen, Aristo Pharma, gerade erst aus der Herstellung ausgestiegen, weil deren Produktionskosten höher seien als die entsprechenden Einnahmen durch die Kassen. Damit verblieben derzeit nur noch Hexal, Aliud und Ratiopharm, so Bretthauer.
Die Unternehmen würden aus der Herstellung des Brustkrebsmittels vor allem deswegen aussteigen, weil die Zulieferer ihre Preise erhöhen oder selbst ganz aussteigen und weil die Produktionskosten bei diesem Medikament sehr hoch seien. Der Grund für die hohen Kosten ist dabei auch der gleiche, warum nicht einfach kurzfristig mehr Tamoxifen hergestellt werden kann. Es handele sich um eine Sonderproduktion, denn Tamoxifen gehöre zu den sogenannten »highly active drugs«. Hier seien Produktionskapazitäten nur begrenzt vorhanden. Weil etwa die Wirkstoffe und Bestandteile von Tamoxifen in keinem Fall in andere Produktionsketten anderer Medikamente gelangen darf, gelten hier strenge Vorschriften, beispielsweise die Notwendigkeit einer gesonderten Klimaanlage oder die Verbrennung des Abwassers, das bei der Herstellung entsteht. Zudem müsse die Anlage nach der Produktion vier Tage lang gereinigt werden und es dürften nur Männer in den Produktionsräumen arbeiten. Diese Vorsichtsmaßnahme ist aufgrund der potentiell hormonellen Belastung für Frauen bei der Herstellung von Tamoxifen notwendig. Die Produktion müsse aufgrund dieser Faktoren etwa ein Jahr im Voraus geplant werden.