Wer Kalorien zählt, hat sich schon verrechnet |
Annette Rößler |
07.03.2023 17:00 Uhr |
Neben dem Gehalt an Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß muss auf Lebensmittelverpackungen in der EU auch der Brennwert angegeben werden. / Foto: Picture Alliance/Harald Richter
Die Kalorie als nicht mehr zugelassene, aber nach wie vor gebräuchliche Einheit für Wärmeenergie begegnet Verbrauchern beim Einkauf von Lebensmitteln auf Schritt und Tritt. Den Energiegehalt von Nahrungsmitteln in Kalorien anzugeben, hat sich eingebürgert, weil die Energiegewinnung des Körpers letztlich ja eine Verbrennung darstellt. Heute muss der Brennwert auf Lebensmittelpackungen gemäß EU-Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) in Kilojoule und Kilokalorien angegeben werden (siehe Kasten).
1 Kalorie (cal) ist definiert als die Energiemenge, die erforderlich ist, um 1 g Wasser von 14,5 auf 15,5 °C zu erwärmen. Der Name leitet sich ab vom lateinischen Begriff calor für Wärme. Die Umrechnung in die SI-Einheit Joule erfolgt mit einem festen Faktor: 1 cal = 4,187 J. Der Brennwert von Nahrungsmitteln wird in Kilojoule (kJ) angegeben; dabei entspricht 1 Kilokalorie (kcal) logischerweise 4,187 kJ.
Wie kommen die Angaben zustande? Die Verordnung mit der Nummer EU 1169/2011 enthält neben vielen Details zur Kennzeichnung von Lebensmitteln auch eine Tabelle mit Umrechnungsfaktoren für die Berechnung der Energie. Hier ist festgelegt, dass Hersteller von Lebensmitteln für jedes Gramm Fett, das ihr Produkt enthält, 9 Kilokalorien (37 kJ) zu veranschlagen haben. Kohlenhydrate und Eiweiß sind jeweils mit 4 kcal/g (17 kJ/g) zu berechnen. Daneben sind noch für wenige weitere Inhaltsstoffe Umrechnungsfaktoren angegeben, etwa für Ethanol (7 kcal/g beziehungsweise 29 kJ/g) und Ballaststoffe (2 kcal/g beziehungsweise 8 kJ/g).
Die Faktoren 4-9-4 für Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß werden als Atwater-Faktoren bezeichnet. Sie gehen zurück auf Wilbur Olin Atwater (1844 bis 1907), einen US-amerikanischen Chemiker, der in den 1890er-Jahren umfangreiche Experimente zum Metabolismus des Menschen gemacht hatte. Die EU verwendet in ihrer Verordnung das erweiterte Atwater-System, das später noch um einige Faktoren ergänzt wurde.
Direkt lässt sich der Energiegehalt von Lebensmittelnmithilfe eines sogenannten Bombenkalorimeters bestimmen. Dieses besteht aus einem dichten Behälter (kalorimetrische Bombe), der von einem Wasserbad umgeben ist. Um den Energiegehalt zu ermitteln, wird eine definierte Menge des Lebensmittels in der kalorimetrischen Bombe unter Sauerstoffüberdruck vollständig verbrannt und dabei der Temperaturanstieg im Wasserbad gemessen.
Wenn es darum geht, wie viel Energie der menschliche Körper aus einem verzehrten Lebensmittel gewinnen kann, ist der so ermittelte Brennwert aber eine theoretische Größe – an der es fundamentale Kritik gibt. Er sei schlichtweg falsch und irreführend, schrieb eine Gruppe um Dr. Edoardo Capuano von der Universität Wageningen in den Niederlanden 2018 in einer Übersichtsarbeit im Fachjournal »Nutrition Reviews« (DOI: 10.1093/nutrit/nux072). Denn »das Verdauungssystem des Menschens ist als Extraktor von Nährstoffen nicht so effizient wie ein Bombenkalorimeter«.