Wenn Essen das Leben bestimmt |
Trotz adäquater Behandlung wird nur etwa die Hälfte der an einer schweren Anorexia nervosa Erkrankten dauerhaft geheilt. Ein möglicher neuer Therapieansatz liegt in der Verbesserung der Darmflora. Denn das Mikrobiom nimmt durch das Hungern nachhaltig Schaden. Auch wenn sich das Gewicht normalisiert, erholt es sich nach bisherigem Wissen nicht vollständig. »Das könnte das Rückfallrisiko beeinflussen«, vermutet Herpertz-Dahlmann. Tierversuche belegen, dass sich die Zusammensetzung des Darmmikrobioms auf die Gewichtsentwicklung auswirkt.
Mit ihrer Arbeitsgruppe testet die Wissenschaftlerin unter anderem die Wirkung von Omega-3-Fettsäuren auf das Darmmilieu. Außerdem bestehe die Hoffnung, dass sich Probiotika oder eine Stuhltransplantation positiv auswirken. Bislang ist allerdings noch unklar, ob sich der Heilungserfolg durch eine Veränderung der Darmflora langfristig verbessern lässt.
Foto: Getty Images/Peter M. Fisher
Anonymes Infotelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zu Essstörungen:
Telefon: 0221-892031 (Montag bis Donnerstag 10.00 bis 22.00 Uhr, Freitag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr)
Regionale Beratungsstellen:
www.bundesfachverbandessstoerungen.de
www.bzga-essstoerungen.de/hilfe-finden
Selbsthilfegruppen:
www.nakos.de
www.overeatersanonymous.de
www.anad.de
Psychotherapeutensuche:
www.bptk.de/service/therapeutensuche.html
Ein Sonderfall ist die Versorgung von Menschen mit chronischer Anorexia nervosa. »Das sind Patientinnen, die seit vielen Jahren betroffen sind und trotz mehrfacher stationärer Behandlung keine anhaltende Gewichtszunahme erreichen«, erklärt Herpertz-Dahlmann. Bei ihnen bestehe oft keine Hoffnung auf Heilung. Derzeit werde im Leitliniengremium diskutiert, ab wann und in welcher Form eine palliativmedizinische Versorgung sinnvoll sein könnte. Wie Beispiele aus anderen Ländern zeigen, gebe es beispielsweise die Möglichkeit, die chronisch Kranken in Wohngemeinschaften zu betreuen und körperliche Folgen tageweise in einer Klinik zu behandeln.
Je früher eine beginnende Essstörung erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Warnzeichen können wiederholte Diäten oder ein sehr restriktives Essverhalten sein, aber auch der häufige Gebrauch von Abführmitteln, insbesondere bei jungen Menschen.
Kinder, die ein positives entspanntes Verhältnis zum eigenen Körper aufbauen können, sind nachweislich weniger anfällig für Essstörungen. Und auch das belegen Studien: Dem schädlichen Einfluss von bildbetonten Social-Media-Kanälen kann man gegensteuern. Zum einen durch zeitweilige Abstinenz, zum anderen durch die bewusste Fokussierung auf Inhalte, die »Body Positivity« vermitteln – also eine positive Einstellung zum Körper unabhängig von dessen Aussehen.
Clara Wildenrath ist Diplom-Biologin, Wissenschaftsjournalistin und Buchautorin. Sie berichtet sowohl für Fachkreise als auch für Laien über Grundlagen und Neuerungen in der Medizin. Zu ihren Schwerpunktthemen gehören unter anderem die Gynäkologie, Immunologie und Biochemie.