Wenn Essen das Leben bestimmt |
Häufige, kaum kontrollierbare Essanfälle kennzeichnen auch eine Bulimia nervosa. Anders als bei der Binge-Eating-Störung wenden die Betroffenen nach der übermäßigen Nahrungsaufnahme jedoch gezielt Gegenmaßnahmen zur Gewichtskontrolle an, etwa induziertes Erbrechen, Missbrauch von Laxanzien, Diuretika oder anderen Medikamenten, Fastenperioden oder exzessiven Sport. Bei schweren Formen kommt es mehrmals täglich zu solchen Episoden, bei leichteren ein- bis dreimal pro Woche über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten.
Von außen ist die Erkrankung oft nicht sichtbar. Viele Betroffene sind normal- oder nur leicht übergewichtig, empfinden sich aber dennoch als zu dick und haben große Angst zuzunehmen. Sowohl die Essanfälle als auch die anschließenden Versuche, sie ungeschehen zu machen, finden meist im Verborgenen statt.
Fachleute gehen davon aus, dass die Erkrankung oft gar nicht diagnostiziert wird. In Studien liegt die Lebenszeitprävalenz bei 2 bis 3 Prozent. »Im Gegensatz zu anderen Essstörungen sind die Zahlen bei der Bulimie in den letzten Jahren leicht rückläufig«, berichtet Herpertz-Dahlmann. »Es könnte allerdings sein, dass weniger Betroffene ärztliche Hilfe suchen. Die Selbsthilfe-Szene ist hier sehr aktiv.«
Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge Eating sind zwar die häufigsten spezifischen Formen, machen insgesamt jedoch nur knapp die Hälfte aller Essstörungen aus. Manchmal treten Mischformen mit Symptomen mehrerer Erkrankungen auf. Beispielsweise kann es auch bei Magersucht zu Essattacken mit anschließendem Erbrechen kommen. Umgekehrt versuchen Menschen mit Bulimia nervosa manchmal, ihr Gewicht durch zeitweilige Hungerkuren zu kontrollieren.
Zu den sogenannten OSFED (Other Specified Feeding oder Eating Disorders, sonstige näher bezeichnete Fütter- oder Essstörungen) zählt die Purging-Störung. Ähnlich wie bei der Bulimie erleben die Betroffenen regelmäßig Essanfälle, denen sie durch selbstinduziertes Erbrechen, den Missbrauch von Laxanzien oder andere kompensatorische Maßnahmen begegnen. Anders als bei der Bulimie sind die während eines Anfalls aufgenommenen Nahrungsmengen nach objektiven Kriterien meist nicht übermäßig groß.