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Polyneuropathien

Wenn Arzneimittel Nerven schädigen

Einige Medikamente schädigen die Nerven – oft schleichend, teilweise irreversibel. Die oft unterschätzte Nebenwirkung kann die Lebensqualität der Patienten stark einschränken.
Nicole Schuster
06.07.2025  08:00 Uhr

Vielfältige Mechanismen

Die pathophysiologischen Mechanismen der DIPN sind vielfältig und noch nicht vollständig erforscht (3). Häufig werden die Mitochondrien geschädigt, die für die Energieversorgung der Neuronen wichtig sind. Einige Zytostatika wie Cisplatin und Paclitaxel sowie Antibiotika wie Linezolid greifen die mitochondriale DNA an oder beeinträchtigen die Atmungskette. Das führt zu einem Energiemangel in den Axonen und zur axonalen Degeneration.

Arzneistoffe können auch direkt oder über Metabolite die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies fördern, die zelluläre Membranen, Proteine und DNA schädigen. Vincristin löst beispielsweise oxidativen Stress in peripheren Nerven aus, ebenso einige antiretrovirale Substanzen der älteren Generation.

Vinca-Alkaloide und Taxane wirken auf die Mikrotubuli, die für den axonalen Transport gebraucht werden und der Zelle Stabilität verleihen. Die Störung des Mikrotubuli-Netzwerks führt zu einem »Stau« von Organellen und Neurotransmittern. Eine axonale Degeneration, vor allem der sensiblen Nervenfasern, ist die Folge.

Andere Zytostatika wie Cisplatin verursachen DNA-Addukte, die zur Apoptose führen können. Auch Immunmodulatoren wie Thalidomid zeigen neurotoxische Wirkungen durch apoptotische Mechanismen.

Manche Arzneimittel lösen Immunreaktionen aus, die sich gegen Strukturen des peripheren Nervensystems richten. Zytostatika mit endotheltoxischen Eigenschaften können Mikroangiopathien verursachen, die die periphere Nervenversorgung stören.

Sorgfältige Ursachensuche

Für die Behandlung einer arzneimittelinduzierten Polyneuropathie ist eine sorgfältige Diagnostik wichtig, um andere Ursachen für die Nervenschäden auszuschließen (2, 4) (Tabelle 2). Hier ist zum Beispiel an Diabetes mellitus zu denken, da Nervenschäden entstehen, wenn die Blutzuckerwerte langfristig schlecht eingestellt sind.

Subtyp der PNP Beschreibung, Pathophysiologie Klinisches Bild, Symptome Interventionen
diabetisch häufigste Form weltweit
Mikroangiopathie, gestörter Mitochondrienstoffwechsel
distal-symmetrische sensible PNP, Schmerzen, Parästhesien, selten motorisch, autonome Symptome Lebensstil, optimale Diabeteseinstellung, Schmerztherapie, Fußpflege
Alkohol-assoziiert bis zu 66 Prozent der Personen mit chronischem Alkoholismus
toxische Wirkung von Ethanol/Acetaldehyd, Mangelernährung (vor allem B-Vitamine), oxidativer Stress
sensible Ausfälle, Schmerzen, später Paresen, vegetative Symptome Abstinenz, Ernährungstherapie, eventuell B-Vitamin-Substitution
Chemotherapie-induziert häufig zum Beispiel bei Oxaliplatin, Vincristin, Taxanen, Bortezomib
Neurotoxizität vermittelt durch verschiedene Mechanismen
Schmerzen, sensible Ausfälle, motorisch bei schweren Formen, Coasting-Phänomen Dosisanpassung, Absetzen der Substanz, symptomatisch
toxisch (nicht chemo­therapeutisch) Medikamente, zum Beispiel Isoniazid, Umweltgifte, zum Beispiel Schwermetalle sensomotorische Ausfälle, meist distal, Schmerzen, vegetative Symptome Exposition beenden, symptomatische Therapie
Vitaminmangel-/Hypervitaminose-induziert häufig bei Mangelernährung, Morbus Parkinson, B12-Mangel, B6-Überdosierung Parästhesien, Ataxie, sensible Defizite Substitution, Absetzen überdosierter Vitamine
Guillain-Barré-Syndrom akute Autoimmunreaktion, meist postinfektiös akut aufsteigende Paresen, Areflexie, autonome Störungen, respiratorische Insuffizienz möglich Immunglobuline, Plasmapherese, eventuell intensivmedizinische Behandlung
Tabelle 2: Unterschiede zwischen verschiedenen Arten von Polyneuropathien (PNP) (2)

Übermäßiger Alkoholkonsum ist als mögliche Ursache ebenfalls zu bedenken, da Alkohol direkt Nervengewebe schädigen kann. Durch häufigen Konsum können zudem Mangelzustände entstehen, die die Nervenfunktion beeinträchtigen und das Risiko weiter erhöhen.

Autoimmunerkrankungen wie Guillain-Barré-Syndrom, Sjögren-Syndrom, Zöliakie, rheumatoide Arthritis oder systemischer Lupus erythematodes können ebenfalls zu Nervenschäden führen, wenn das Immunsystem körpereigene Strukturen angreift.

Bakterielle oder virale Infektionen wie Lyme-Borreliose, Gürtelrose, Hepatitis B oder C sowie eine HIV-Infektion betreffen gelegentlich auch die peripheren Nerven.

Einige Polyneuropathien sind genetisch bedingt. Dazu zählt beispielsweise die Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung. Bei chronischen Nierenerkrankungen ist das Risiko für eine urämische Neuropathie hoch.

Neben Grunderkrankungen spielen auch Ernährungsdefizite eine Rolle, zum Beispiel ein Mangel an den Vitaminen B1, B12 und E oder ein Überschuss an Vitamin B6. Diese Mikronährstoffe braucht der Körper für den Aufbau und die Erhaltung gesunder Nervenzellen.

Eine Exposition gegenüber Giftstoffen wie Arsen, Blei, Quecksilber oder Thallium kann eine sogenannte toxische Neuropathie hervorrufen (Tabelle 2).

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