Wenig Evidenz, viel Erfahrungswissen |
Alles, was kühlt, beruhigt die strapazierte Mundschleimhaut während einer Krebstherapie. / Foto: Getty Images/stefanamer
Sowohl eine klassische Chemo- und Strahlentherapie als auch orale Antitumortherapeutika können die Mundschleimhaut großflächig schädigen. Da sich die Zellen der Schleimhaut häufig erneuern, reagieren sie besonders empfindlich auf die Krebsbehandlung. Deshalb ist die Prävalenz einer Schleimhautentzündung im Mund (Stomatitis) und im gesamten Magen-Darm-Trakt (Mukositis) unabhängig von der Tumorart relativ hoch. Bei einer Bestrahlung des Kopf-Hals-Bereichs ist eine Stomatitis fast unvermeidbar. Es kann bis zu vier Wochen dauern, bis die Entzündung nach der letzten Einheit eines Chemo- oder Strahlentherapiezyklus abheilt.
Starke Schmerzen, Sprach- und Schluckbeschwerden, Geschmacksstörungen und Mundtrockenheit (Xerostomie) führen zu einem so starken Leidensdruck, dass die Stomatitis einen der häufigsten Gründe für einen Therapieabbruch darstellt. Deshalb ist die Prävention das A und O. In jedem Fall gilt es, die Schleimhäute im Mund- und Rachenbereich von Anfang an so gut wie möglich zu pflegen, Läsionen möglichst vorzubeugen beziehungsweise schon bei kleinsten Rötungen aktiv zu werden.
»Leider gibt es derzeit kein Patentrezept für die Behandlung der Stomatitis. Eine frühzeitige und kompetente Beratung vom Apothekenteam ist daher immens wichtig«, informierte Jörg Riedl, Apotheker und Leiter der komplementär-integrativ-medizinischen Sprechstunde am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, auf einer Fortbildungsveranstaltung. Ab und an seien auch etwas Fantasie und Tüftel-Spaß erforderlich. Er führte aus, wie er und sein Team pharmazeutisches Know-how einsetzen, um etwa die Kryotherapie patientenfreundlicher abzuwandeln.
Die Kühlung der Mundhöhle mithilfe von Eiswasserspülungen oder Lutschen von Eiswürfeln während der Infusionen ist in der Lage, das Ausmaß und die Schwere der Läsionen zu begrenzen. Durch die Minderdurchblutung der Mundschleimhaut, so die Überlegung, verringere sich die Konzentration toxischer Substanzen in diesem Gewebe, und entzündliche Reaktionen werden unterdrückt, erklärte Riedl.
Das große Problem dabei: Aufgrund des langen und intensiven Kältereizes - die Kältetherapie sollte bereits vor der Infusion beginnen und bis etwa eine halbe Stunde nach deren Ende fortgesetzt werden - ist sie eher schwierig zu händeln. Angenehmer als die mitunter scharfkantigen Eiswürfel empfinden viele Patienten das Lutschen tiefgefrorener Fruchtwürfel, etwa aus Ananas, Papaya oder auch Salbeitee, informierte Riedl. »Fruchtkugeln werden noch besser akzeptiert als -würfel. Wir haben auch eine Slush-Ice-Maschine«, informierte Riedl die Anwesenden darüber, wie das Team seiner Krankenhausapotheke versucht, den Patienten entgegenzukommen. Auch eisgekühlte Butterkügelchen oder gekühlte Aloe-vera-Mundspüllösungen fänden oft die Akzeptanz der Patienten.