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Schmerzlinderung bei Stomatitis

Wenig Evidenz, viel Erfahrungswissen

Entzündungen der Mundschleimhaut infolge einer Chemo- oder Strahlentherapie sind bekannt. Aber auch nach oraler Einnahme der Krebsmedikamente können die Nebenwirkungen im Mund so heftig sein, dass die Patienten die Behandlung abbrechen. Ideenreichtum bei der Arzneimittelapplikation hilft, Läsionen vorzubeugen.
Elke Wolf
22.05.2023  07:00 Uhr

Sowohl eine klassische Chemo- und Strahlentherapie als auch orale Antitumortherapeutika können die Mundschleimhaut großflächig schädigen. Da sich die Zellen der Schleimhaut häufig erneuern, reagieren sie besonders empfindlich auf die Krebsbehandlung. Deshalb ist die Prävalenz einer Schleimhautentzündung im Mund (Stomatitis) und im gesamten Magen-Darm-Trakt (Mukositis) unabhängig von der Tumorart relativ hoch. Bei einer Bestrahlung des Kopf-Hals-Bereichs ist eine Stomatitis fast unvermeidbar. Es kann bis zu vier Wochen dauern, bis die Entzündung nach der letzten Einheit eines Chemo- oder Strahlentherapiezyklus abheilt.

Starke Schmerzen, Sprach- und Schluckbeschwerden, Geschmacksstörungen und Mundtrockenheit (Xerostomie) führen zu einem so starken Leidensdruck, dass die Stomatitis einen der häufigsten Gründe für einen Therapieabbruch darstellt. Deshalb ist die Prävention das A und O. In jedem Fall gilt es, die Schleimhäute im Mund- und Rachenbereich von Anfang an so gut wie möglich zu pflegen, Läsionen möglichst vorzubeugen beziehungsweise schon bei kleinsten Rötungen aktiv zu werden.

»Leider gibt es derzeit kein Patentrezept für die Behandlung der Stomatitis. Eine frühzeitige und kompetente Beratung vom Apothekenteam ist daher immens wichtig«, informierte Jörg Riedl, Apotheker und Leiter der komplementär-integrativ-medizinischen Sprechstunde am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, auf einer Fortbildungsveranstaltung. Ab und an seien auch etwas Fantasie und Tüftel-Spaß erforderlich. Er führte aus, wie er und sein Team pharmazeutisches Know-how einsetzen, um etwa die Kryotherapie patientenfreundlicher abzuwandeln.

Kälte angenehmer machen

Die Kühlung der Mundhöhle mithilfe von Eiswasserspülungen oder Lutschen von Eiswürfeln während der Infusionen ist in der Lage, das Ausmaß und die Schwere der Läsionen zu begrenzen. Durch die Minderdurchblutung der Mundschleimhaut, so die Überlegung, verringere sich die Konzentration toxischer Substanzen in diesem Gewebe, und entzündliche Reaktionen werden unterdrückt, erklärte Riedl.

Das große Problem dabei: Aufgrund des langen und intensiven Kältereizes - die Kältetherapie sollte bereits vor der Infusion beginnen und bis etwa eine halbe Stunde nach deren Ende fortgesetzt werden - ist sie eher schwierig zu händeln. Angenehmer als die mitunter scharfkantigen Eiswürfel empfinden viele Patienten das Lutschen tiefgefrorener Fruchtwürfel, etwa aus Ananas, Papaya oder auch Salbeitee, informierte Riedl. »Fruchtkugeln werden noch besser akzeptiert als -würfel. Wir haben auch eine Slush-Ice-Maschine«, informierte Riedl die Anwesenden darüber, wie das Team seiner Krankenhausapotheke versucht, den Patienten entgegenzukommen. Auch eisgekühlte Butterkügelchen oder gekühlte Aloe-vera-Mundspüllösungen fänden oft die Akzeptanz der Patienten.

Bewährte Rezepturen

Hat sich die Mundschleimhaut dennoch entzündet, gilt die erste Maßnahme der Schmerzbekämpfung. Gute Erfahrungen hat das Lübecker Team mit Heilerde innerlich und Leinsamen gemacht, vor allem wenn auch der übrige Verdauungstrakt in Mitleidenschaft gezogen ist. Vom Leinsamen könnten sowohl der Schleim als auch der Überstand verwendet werden. »Der Überstand eignet sich zum Trinken bei Beschwerden im Mund. Der Schleim wird erwärmt; Patienten mit Parästhesien an Hand und Fuß baden darin ihre Gliedmaßen und empfinden es als angenehm«, berichtete Riedl.

Eine weitere Möglichkeit: Riedl und sein Team verarbeiten selbst Sanddorn, denn »Sanddornfruchtfleischöl wirkt antibakteriell, schmerz- und reizlindernd und beschleunigt die Granulation von beschädigter Haut und Schleimhaut«. Dazu werden zwei bis drei Tropfen Sanddornfruchtfleischöl etwa in Naturjoghurt eingerührt oder mit einem halben Löffel Leitungswasser oder Aloe-vera-Bio-Ursaft verdünnt, stellte er seine Rezepturen vor. Auch mit Manuka- oder Kanukaöl hat der Experte gute Erfahrungen gemacht, wenn es mit warmem Leitungswasser gemischt wird. Die Mischung eigne sich zum mehrmals täglichen Schlucken oder Gurgeln.

Für die regelmäßige Anwendung antiseptischer Lösungen gibt es keine Evidenz und auch keine generelle Empfehlung für Corticoid-haltige Mundspüllösungen zur Prophylaxe. Schließlich seien klinische Studien zur Wirksamkeit der verschiedenen Ansätze spärlich gesät und methodisch schwierig durchzuführen, so der Apotheker. Für nachts könnte man den Patienten ein künstliches Speichelpräparat wie Aldiamed®, Gelclair®, Caphosol®, Glandosane® oder Saliva Natura® empfehlen.

Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) sind aufgrund ihrer blutverdünnenden Wirkung eher nicht geeignet und auch meist nicht wirksam genug. Eine Ausnahme bilden alkoholfreie Benzydamin-haltige Mundspüllösungen. Die NRF-Rezepturvorschrift 7.15. (Viskose Benzydaminhydrochlorid-Mundspüllösung 0,15 % mit Lidocainhydrochlorid und Dexpanthenol) hilft weiter. Alkoholhaltige Therapeutika wie Tantum verde® sind weniger empfehlenswert bei dieser Indikation.

Auch Opiate haben ihren Platz in der Therapie von Mundschleimhautentzündungen, und zwar in Form von Lösungen und Spülungen. So sind einige Kliniken dazu übergegangen, den entzündeten Mund- und Rachenraum mit verdünnten Morphinlösungen zu spülen oder mit Rezepturen von Opiaten in mukoadhäsiven Grundlagen zu versorgen. Möglich ist dieser Therapieansatz, weil Opiate nicht nur zentral wirksam sind, sondern auch in peripheren Geweben an Rezeptoren binden. Infrage kommen etwa das Morphinsulfat-haltige Fertigarzneimittel Oramorph®-Lösung sowie die NRF-Rezepturvorschrift 2.4. (Viskose Morphinhydrochlorid-Lösung 2 mg/ml oder 20 mg/ml). In den USA wird auch eine Ketamin-haltige Mundspüllösung in Konzentration von 0,4 bis 1,0 Prozent eingesetzt.

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