Wechsel zu Spikevax besser begründen |
Theo Dingermann |
22.11.2021 18:00 Uhr |
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Der Sprecher des brandenburgischen Gesundheitsministeriums, Gabriel Hesse, bezeichnete es als »Kommunikationsdesaster«, was am vergangenen Wochenende aus dem Bundesgesundheitsministerium verlautbart wurde. Und der Verbandschef des Hausärzteverbands Berlin-Brandenburg, Wolfgang Kreischer, spricht am Sonntag gegenüber dem rbb von einem »Super-GAU« für die Impfkampagne.
Tatsächlich hatte Spahn sicherlich das Richtige gemeint, als er anmahnte, doch bitte vermehrt den Moderna-Impfstoff zu verimpfen. Allerdings hatte er dieses Anliegen äußerst ungeschickt zum Ausdruck gebracht. Denn eine solche Botschaft bedarf einer umfassenden Erläuterung.
Zum einen wäre es verantwortungslos, wenn Impfstoff verfallen würde, wie sich das wohl für die eingelagerten Spikevax-Dosen abzeichnet, falls wie bisher weitergeimpft würde. Hier auf Korrekturen zu pochen, ist daher angemessen und berechtigt. Doch die Tatsache, dass derzeit in Deutschland nahezu ausschließlich Comirnaty verimpft wird, legt nahe, dass die Forderung zur Modifizierung der Impfstrategie in der Bevölkerung Misstrauen und in vielen Fällen auch Ablehnung auslösen würde.
Statt den Eindruck zu erwecken, man müsse jetzt die Regale, in denen die Spikevax-Dosen lagern, räumen, da diese kurz vor dem Verfall stehen, wäre es angebracht gewesen, noch einmal darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesem Impfstoff um ein hervorragendes Präparat handelt. Manche, darunter auch Spahn, gehen so weit, den Impfstoff von Moderna als den Rolls-Royce unter den mRNA-Impfstoffen zu bezeichnen. Tatsächlich weisen fast alle verfügbaren Daten darauf hin, dass Spikevax gegenüber Comirnaty bei den meisten Wirksamkeitsindikatoren, darunter beispielsweise die Stabilität des Impfschutzes über die Zeit, die Nase vorne hat. So haben erst kürzlich Studien gezeigt, dass über einen Zeitraum von Februar bis Oktober 2021 der Schutz vor SARS-CoV-2-Infektionen bei Comirnaty von 86,9 auf 43,3 Prozent und bei Spikevax von 89,2 auf 58 Prozent abnahm.
Auch hinsichtlich der Wirksamkeit besonders gegen die Delta-Variante scheint Spikevax geringfügig besser zu sein als Comirnaty. Das könnte daran liegen, dass der Moderna-Impfstoff deutlich höher dosiert ist als der von Biontech/Pfizer (100 µg versus 30 µg). Dies wiederum könnte auch Nachteile haben, denn Spikevax verursacht verglichen mit Comirnaty mehr der äußerst seltenen Nebenwirkungen, von denen vor allem die Myokarditis Beachtung findet. Dies veranlasste die Ständige Impfkommission (STIKO) zu der Empfehlung, Menschen unter 30 Jahren und Schwangere jeden Alters nur noch mit Comirnaty und nicht mehr mit Spikevax zu impfen.
Aber auch dieses Caveat sollte bei einer Booster-Impfung mit Spikevax entfallen. Denn Spikevax ist für die Boosterung nur in der halben Dosis (50 µg) zugelassen, was das Risiko für Myokarditiden nochmals deutlich verringern sollte. Da die Gebinde für die Erst- und Zeitimpfung von Spikevax mit den Gebinden für die Booster-Impfung identisch sind, sollte darauf geachtet werden, dass hier keine Fehler passieren. Ein Vial reicht im Rahmen der Grundimmunisierung somit für zehn Impfungen, aber für 20 Auffrischimpfungen. Bestellen Ärzte Spikevax für die Booster-Impfung, erhalten sie die doppelte Menge an Impfzubehör. Besteht hier bei der Bestellung Unklarheit, sollte die Apotheke noch einmal in der Praxis nachfragen.
Schließlich haben sich heterologe Impfschemata in der Praxis durchaus bewährt. Ob dies auch für das Impfpaar Comirnaty/Spikevax der Fall ist, ist unklar. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass ein solches Schema einem homologen Impfschema, bei dem nur mit Comirnaty geimpft wird, nicht unterlegen ist.
Der Appell, den Moderna-Impfstoff in Deutschland nicht zu ignorieren, ist daher richtig. Allerdings muss man der Bevölkerung besser erklären, weshalb eine Booster-Impfung mit Spikevax nicht die zweitbeste Lösung ist.