Glücklich nach der Entbindung / © Getty Images/Iuliia Burmistrova
Einige Frauen nehmen dauerhaft Medikamente ein und sollen diese während einer Schwangerschaft beibehalten. Andere entwickeln schwangerschaftsassoziierte Erkrankungen und müssen behandelt werden. Gegen Ende der Schwangerschaft stellen sich häufig Fragen, ob diese Arzneimittel rund um die Geburt pausiert oder ob deren Dosierungen verändert werden müssen. Und was ist eigentlich mit den Medikamenten während einer Geburt: Schmerzmittel oder doch etwas mehr?
Viele chronische Erkrankungen werden medikamentös behandelt, zum Beispiel Asthma, psychiatrische Erkrankungen (wie Depression oder Schizophrenie), neurologische Erkrankungen (wie Epilepsie) oder Bluthochdruck und Diabetes. Die beiden Letztgenannten kommen auch häufig schwangerschaftsassoziiert vor, sodass man ab dem zweiten Trimenon mit Arzneimitteln therapiert.
Große Freude – und große Veränderung im Leben / © Getty Images/Studio4
In aller Regel ist die Fortsetzung einer Daueranwendung während einer Schwangerschaft indiziert. Es ist bekannt, dass Erkrankungen wie Diabetes, Asthma und Bluthochdruck unbehandelt die Mortalität beim Ungeborenen und teilweise auch das Fehlbildungsrisiko erhöhen können. Dies ändert sich, wenn die Mutter therapiert wird und physiologisch »normale« Werte erreicht. Auch für die Schwangere selbst ist das Risiko für Komplikationen meist deutlich höher als das der Therapie. Man denke an Bluthochdruck, der zu Schlaganfällen oder Gehirnblutungen führen kann, oder an bakterielle Erkrankungen, die diverse Komplikationen für die Mutter und das ungeborene Kind nach sich ziehen können.
▶ Die Medikationsgruppe, zu der es in der gesamten Schwangerschaft am meisten Anfragen gibt, sind Psychopharmaka. Hingegen sind die am häufigsten eingesetzten Arzneistoffe eher Blutdrucksenker und Acetylsalicylsäure sowie Arzneimittel für schwangerschaftsassoziierte Erkrankungen – Stichwort Übelkeit.
Viele Patientinnen, Ärzte und Apotheker sind extrem verunsichert, ob eine Psychopharmakotherapie während der Schwangerschaft erfolgen darf und soll. Gleich vorweg: Es sind keine Psychopharmaka bekannt, die nachweislich teratogen wirken – außer Valproinsäure und sehr selten auch Lithium (Phasenprophylaxe).
Generell ist das vorrangige Ziel, die stabile Einstellung der Mutter aufrechtzuerhalten, denn die psychischen Belastungen einer Schwangerschaft und insbesondere einer Geburt sind nicht zu unterschätzen. Idealerweise wird bereits bei Schwangerschaftsplanung ein gut untersuchter Arzneistoff ausgewählt, sodass es dann keine große Unsicherheit oder Umstellungen gibt.
Rückt die Geburt näher, treten Themen wie Anpassungsstörungen (Kasten) und Stillen in den Mittelpunkt. Die in allen Fachinformationen erwähnten Hinweise auf ein mögliches Auftreten einer pulmonalen Hypertonie beim Säugling unter Psychopharmaka konnten bis heute nicht bestätigt werden.

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Ausnahmslos alle Psychopharmaka können zu Anpassungsstörungen beim Neugeborenen führen. Die Häufigkeit des Auftretens liegt bei etwa 20 bis 30 Prozent.
Anpassungsstörungen äußern sich in erhöhtem Muskeltonus, Übererregbarkeit, Zittern, Trinkstörungen und auffälligem Schlafverhalten in den ersten Tagen nach der Geburt. Bis heute ist es nicht ganz sicher, ob es sich um eine Entzugssymptomatik oder eine serotonerge Toxizität handelt. Im Normalfall sind die Symptome leicht und selbstlimitierend und beginnen in den ersten zwei Tagen nach der Geburt. Sie dauern selten länger als zwei Wochen. Allerdings sollte man die Entbindung in einer Klinik mit pädiatrischer Vollversorgung planen – damit im Einzelfall Mutter und Kind nicht getrennt werden müssen, wenn eine kinderärztliche Behandlung oder Überwachung nötig ist.
Immer wieder wird diskutiert, ob man durch eine Dosisreduktion kurz vor der Geburt das Risiko für Anpassungsstörungen reduzieren kann. Bis heute gibt es keine klare Empfehlung.
Die gefährlichste Zeit für den Beginn postpartaler psychischer Ereignisse, zum Beispiel einer Depression oder Psychose, ist wenige Tage nach der Entbindung. Hat die Frau zu diesem Zeitpunkt keine ausreichenden therapeutischen Wirkspiegel mehr, weil sie möglicherweise seit Wochen keine Arzneimittel oder keine ausreichende Dosierung einnimmt, kann dies das Wiederauftreten einer bis dato gut eingestellten Erkrankung begünstigen. Gerade in den ersten postpartalen Tagen bis Wochen ist die therapeutische Wirksamkeit besonders wichtig. Um die Stabilität der Mutter nicht zu gefährden, tendiert man dazu, keine Änderungen rund um die Geburt zu riskieren.
Bei Frauen mit einer sehr stabilen Depression spricht im Einzelfall nichts dagegen, die Dosis einige Wochen vor der Entbindung zu senken, um dann rechtzeitig zur postpartalen Zeit wieder ausreichend hoch zu dosieren. Dies ist jedoch ein riskantes Vorgehen, da man den Geburtstermin nicht wirklich genau vorbestimmen kann.
In den Tagen nach der Geburt ist das Risiko für die sogenannten »Heultage« sehr hoch. Halten sie an, kann eine postpartale Depression dahinterstecken. Daher sollten Frauen mit bekannter Depression ihre Medikation vorgeburtlich nicht absetzen oder reduzieren. / © Getty Images/Justin Paget
Bei Frauen mit Schizophrenie oder einer bipolaren Störung ist das Wiederauftreten von Symptomen postpartal deutlich erhöht, vor allem wenn bereits vor der Geburt keine ausreichenden Wirkspiegel erreicht wurden. Daher wird eine stabile Einstellung der Mutter unbedingt bereits während der Schwangerschaft angestrebt und es werden keine Veränderungen peripartal riskiert. Das Risiko für eine Verschlechterung im Wochenbett ist deutlich höher als das im Normalfall geringe Risiko von Anpassungsstörungen.
Da der gestörte Tag-Nacht-Rhythmus Frauen mit psychotischen Erkrankungen besonders zusetzt, wird manchmal die Kombination aus Stillen und Zusatzfüttern überlegt, sodass die Mutter zumindest nachts ruhig schlafen kann. Das ist eine Einzelfallentscheidung und wird idealerweise zwischen Psychiater, Stillberatung, Patientin und Angehörigen besprochen.