Was vor und während der Geburt möglich ist |
Was erwartet die Frau medikamentös während der Entbindung? Im Idealfall sind relativ wenig Arzneimittel nötig. Durch individuelle Betreuung, Atem- und Entspannungstechniken benötigen manche Frauen überhaupt keine Schmerzmittel. Andere wiederum kämpfen sich tapfer durch viele Stunden Wehen und akzeptieren irgendwann Schmerzmittel – vor allem wenn die Kraft der Mutter nachvollziehbarerweise am Ende ist.
▶ Etwas Individuelleres als eine Geburt gibt es kaum. Vergleiche zwischen Gebärenden sind unpassend und belastend – und ein Kämpfen um jeden Preis manchmal auch.
Seit vielen tausend Jahren versucht man, Schmerzen während der Entbindung erträglicher zu machen. Bis zur Einführung der PDA (Periduralanästhesie) gab es jedoch keine richtig guten Varianten, da Opioide als einzig wirksame Substanzen aufgrund ihres plazentaren Übergangs häufig sehr schläfrige und atemdepressive Neugeborene zur Folge hatten.
In der Eröffnungsphase wird manchmal mit »leichteren« Schmerzmitteln wie dem krampflösenden Butylscopolamin und Paracetamol gearbeitet. Zufriedenstellend ist das Ergebnis meist nicht. Außer der PDA steht systemisch nur der Wirkstoff Nalbuphin zur Verfügung; auf andere Opioide wird nur noch in Ausnahmefällen zurückgegriffen.
Nalbuphin ist eine interessante Substanz, denn sie wirkt sowohl als Agonist als auch als Antagonist an Opioid-Rezeptoren. An den κ-Rezeptoren wirkt es agonistisch und daher schmerzstillend (analgetische Potenz: 0,5- bis 0,7-fach von Morphin), während es am µ-Rezeptor als Antagonist wirkt. Dadurch nimmt die Rate an Atemdepressionen beim Kind deutlich ab, allerdings bei begrenzter analgetischer Wirkung. Nalbuphin wird meist in einer frühen Geburtsphase eingesetzt (intravenös), wenn noch einige Zeit überbrückt werden muss, es aber für die Anlage einer PDA noch deutlich zu früh ist.
Ein weiterer Grund für die Beliebtheit von Nalbuphin ist die Tatsache, dass es nicht der Betäubungsmittelverschreibung unterliegt – und die Organisation und Verwaltung deutlich einfacher ist als für andere Opioide.
Die Peridural- und die Spinalanästhesie sind die wirksamsten Methoden der Schmerzlinderung in der Geburtshilfe. Beide Anästhesieformen schalten die Schmerzwahrnehmung in der unteren Körperhälfte aus; im Idealfall bleibt die motorische Funktion der Beine intakt (sogenannte Walking-PDA). Während bei der PDA eine Lokalanästhesie in den Epiduralraum injiziert wird, wird bei der Spinalanästhesie direkt in den Liquorraum injiziert. Die klassische PDA besteht aus Ropivacain und Sufentanil, manchmal auch Fentanyl.
Grundsätzlich ist die PDA sehr gut verträglich, aber unerwünschte Nebenwirkungen, wie nicht ausreichende oder einseitige Wirkung, Atemdepression oder Blutdruckabfall sind nicht auszuschließen.
Ein besonderer Fall ist die Rhesus-Unverträglichkeit. Viele Menschen tragen auf der Zelloberfläche ihrer Erythrozyten das Merkmal des Rhesusfaktors (Rhesus D) und sind somit Rhesus-positiv (Rh-pos). Etwa 15 Prozent der Bevölkerung tragen dieses Merkmal nicht (Rhesus-negativ, Rh-neg). Kommt das Blut von Rh-Positiven mit dem von Rh-Negativen in Kontakt, bildet Letzterer Antikörper gegen das fremde Merkmal. Das Immunsystem zerstört in der Folge die übertragenen Erythrozyten und so wird beispielsweise eine Bluttransfusion wirkungslos.
Bekommt eine Rh-negative Frau ein Kind mit positivem Rhesusfaktor, können sich bei jedem Blutaustausch (passiert sehr häufig bei der Geburt, aber auch bei Blutungen in der Schwangerschaft) Antikörper gegen Rhesus D bilden: Das ist die sogenannte Rhesus-Unverträglichkeit. Für das erste Rh-positive Kind ist das nicht bedrohlich, aber in einer Folgeschwangerschaft mit einem Rh-positiven Kind kann es zu schweren Komplikationen bis hin zum Tod des Ungeborenen durch eine Abstoßungsreaktion kommen. Daher bekommt jede Rh-negative Frau nach der Entbindung eines (möglicherweise Rh-positiven) Kindes eine passive Immunisierung zur Verhinderung der Bildung von Anti-D-Antikörpern.