Was vor und während der Geburt möglich ist |
Glücklich nach der Entbindung / © Getty Images/Iuliia Burmistrova
Einige Frauen nehmen dauerhaft Medikamente ein und sollen diese während einer Schwangerschaft beibehalten. Andere entwickeln schwangerschaftsassoziierte Erkrankungen und müssen behandelt werden. Gegen Ende der Schwangerschaft stellen sich häufig Fragen, ob diese Arzneimittel rund um die Geburt pausiert oder ob deren Dosierungen verändert werden müssen. Und was ist eigentlich mit den Medikamenten während einer Geburt: Schmerzmittel oder doch etwas mehr?
Viele chronische Erkrankungen werden medikamentös behandelt, zum Beispiel Asthma, psychiatrische Erkrankungen (wie Depression oder Schizophrenie), neurologische Erkrankungen (wie Epilepsie) oder Bluthochdruck und Diabetes. Die beiden Letztgenannten kommen auch häufig schwangerschaftsassoziiert vor, sodass man ab dem zweiten Trimenon mit Arzneimitteln therapiert.
Große Freude – und große Veränderung im Leben / © Getty Images/Studio4
In aller Regel ist die Fortsetzung einer Daueranwendung während einer Schwangerschaft indiziert. Es ist bekannt, dass Erkrankungen wie Diabetes, Asthma und Bluthochdruck unbehandelt die Mortalität beim Ungeborenen und teilweise auch das Fehlbildungsrisiko erhöhen können. Dies ändert sich, wenn die Mutter therapiert wird und physiologisch »normale« Werte erreicht. Auch für die Schwangere selbst ist das Risiko für Komplikationen meist deutlich höher als das der Therapie. Man denke an Bluthochdruck, der zu Schlaganfällen oder Gehirnblutungen führen kann, oder an bakterielle Erkrankungen, die diverse Komplikationen für die Mutter und das ungeborene Kind nach sich ziehen können.
▶ Die Medikationsgruppe, zu der es in der gesamten Schwangerschaft am meisten Anfragen gibt, sind Psychopharmaka. Hingegen sind die am häufigsten eingesetzten Arzneistoffe eher Blutdrucksenker und Acetylsalicylsäure sowie Arzneimittel für schwangerschaftsassoziierte Erkrankungen – Stichwort Übelkeit.
Viele Patientinnen, Ärzte und Apotheker sind extrem verunsichert, ob eine Psychopharmakotherapie während der Schwangerschaft erfolgen darf und soll. Gleich vorweg: Es sind keine Psychopharmaka bekannt, die nachweislich teratogen wirken – außer Valproinsäure und sehr selten auch Lithium (Phasenprophylaxe).
Generell ist das vorrangige Ziel, die stabile Einstellung der Mutter aufrechtzuerhalten, denn die psychischen Belastungen einer Schwangerschaft und insbesondere einer Geburt sind nicht zu unterschätzen. Idealerweise wird bereits bei Schwangerschaftsplanung ein gut untersuchter Arzneistoff ausgewählt, sodass es dann keine große Unsicherheit oder Umstellungen gibt.
Rückt die Geburt näher, treten Themen wie Anpassungsstörungen (Kasten) und Stillen in den Mittelpunkt. Die in allen Fachinformationen erwähnten Hinweise auf ein mögliches Auftreten einer pulmonalen Hypertonie beim Säugling unter Psychopharmaka konnten bis heute nicht bestätigt werden.
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Ausnahmslos alle Psychopharmaka können zu Anpassungsstörungen beim Neugeborenen führen. Die Häufigkeit des Auftretens liegt bei etwa 20 bis 30 Prozent.
Anpassungsstörungen äußern sich in erhöhtem Muskeltonus, Übererregbarkeit, Zittern, Trinkstörungen und auffälligem Schlafverhalten in den ersten Tagen nach der Geburt. Bis heute ist es nicht ganz sicher, ob es sich um eine Entzugssymptomatik oder eine serotonerge Toxizität handelt. Im Normalfall sind die Symptome leicht und selbstlimitierend und beginnen in den ersten zwei Tagen nach der Geburt. Sie dauern selten länger als zwei Wochen. Allerdings sollte man die Entbindung in einer Klinik mit pädiatrischer Vollversorgung planen – damit im Einzelfall Mutter und Kind nicht getrennt werden müssen, wenn eine kinderärztliche Behandlung oder Überwachung nötig ist.
Immer wieder wird diskutiert, ob man durch eine Dosisreduktion kurz vor der Geburt das Risiko für Anpassungsstörungen reduzieren kann. Bis heute gibt es keine klare Empfehlung.
Die gefährlichste Zeit für den Beginn postpartaler psychischer Ereignisse, zum Beispiel einer Depression oder Psychose, ist wenige Tage nach der Entbindung. Hat die Frau zu diesem Zeitpunkt keine ausreichenden therapeutischen Wirkspiegel mehr, weil sie möglicherweise seit Wochen keine Arzneimittel oder keine ausreichende Dosierung einnimmt, kann dies das Wiederauftreten einer bis dato gut eingestellten Erkrankung begünstigen. Gerade in den ersten postpartalen Tagen bis Wochen ist die therapeutische Wirksamkeit besonders wichtig. Um die Stabilität der Mutter nicht zu gefährden, tendiert man dazu, keine Änderungen rund um die Geburt zu riskieren.
Bei Frauen mit einer sehr stabilen Depression spricht im Einzelfall nichts dagegen, die Dosis einige Wochen vor der Entbindung zu senken, um dann rechtzeitig zur postpartalen Zeit wieder ausreichend hoch zu dosieren. Dies ist jedoch ein riskantes Vorgehen, da man den Geburtstermin nicht wirklich genau vorbestimmen kann.
In den Tagen nach der Geburt ist das Risiko für die sogenannten »Heultage« sehr hoch. Halten sie an, kann eine postpartale Depression dahinterstecken. Daher sollten Frauen mit bekannter Depression ihre Medikation vorgeburtlich nicht absetzen oder reduzieren. / © Getty Images/Justin Paget
Bei Frauen mit Schizophrenie oder einer bipolaren Störung ist das Wiederauftreten von Symptomen postpartal deutlich erhöht, vor allem wenn bereits vor der Geburt keine ausreichenden Wirkspiegel erreicht wurden. Daher wird eine stabile Einstellung der Mutter unbedingt bereits während der Schwangerschaft angestrebt und es werden keine Veränderungen peripartal riskiert. Das Risiko für eine Verschlechterung im Wochenbett ist deutlich höher als das im Normalfall geringe Risiko von Anpassungsstörungen.
Da der gestörte Tag-Nacht-Rhythmus Frauen mit psychotischen Erkrankungen besonders zusetzt, wird manchmal die Kombination aus Stillen und Zusatzfüttern überlegt, sodass die Mutter zumindest nachts ruhig schlafen kann. Das ist eine Einzelfallentscheidung und wird idealerweise zwischen Psychiater, Stillberatung, Patientin und Angehörigen besprochen.
Der Einsatz von Antikonvulsiva (Antiepileptika) benötigt aufgrund der Teratogenität einiger Arzneistoffe eine sehr gute Evidenzkenntnis und ein besonderes Fingerspitzengefühl. Die Blutspiegel einiger Wirkstoffe, zum Beispiel Lamotrigin oder Levetiracetam, können während der Schwangerschaft stark variieren und müssen individuell engmaschig angepasst werden. Eine gute neurologische Betreuung ist daher Voraussetzung.
Es sind keine Dosisänderungen rund um die Geburt vorgesehen – außer aufgrund veränderter Pharmakokinetik in der Schwangerschaft. Nach der Entbindung ist vor allem darauf zu achten, rasch wieder auf die »alte« Dosierung zurückzukommen und die Blutspiegel zu kontrollieren.
Bei den meisten Antikonvulsiva ist Stillen unter Monotherapie gut verträglich. Bekommt eine Frau eine Kombination aus mehreren Arzneistoffen, muss man im Einzelfall über Vor- und Nachteile des Stillens diskutieren. Auch das geschieht im Normalfall gemeinsam mit Neurologen, Stillberatung, Neonatologen oder Pädiatern sowie den Eltern des Säuglings.
Ein erhöhter Blutdruck in der Schwangerschaft stellt ein gesundheitliches Risiko für Mutter und Kind dar. Er ist für 20 bis 25 Prozent der perinatalen Mortalität verantwortlich und steht in den Industrieländern an erster Stelle der mütterlichen Todesursachen. Besonders gefürchtet sind Komplikationen wie die Präeklampsie, eine Hypertonie mit weiteren Organmanifestationen, meist einer Proteinurie.
Die Zielblutdruckwerte sollen ≤135 mmHg systolisch und ≤85 mmHg diastolisch betragen. Liegen die Werte regelmäßig darüber oder liegen zusätzliche Risikofaktoren vor, wird eine Therapie überlegt beziehungsweise die Schwangere antihypertensiv behandelt.
Regelmäßige Kontrollen helfen, einen Blutdruckanstieg rasch zu erkennen und eine Behandlung einzuleiten. / © Adobe Stock/photo 5000
Bevorzugte Arzneistoffe sind Alpha-Methyldopa, Nifedipin und Labetalol oder Metoprolol. In bestimmten Fällen wird auch Amlodipin eingesetzt. Nicht geeignet sind ACE-Hemmer und Angiotensin-Antagonisten (Sartane), denn diese können im zweiten und dritten Trimenon schwere Schäden an den fetalen Nieren verursachen. Ebenfalls ungünstig können sich Diuretika auswirken.
Für die Zeit kurz vor der Geburt gibt es keine spezielle Dosisanpassung für Antihypertensiva. Wichtig ist die engmaschige Blutdruckkontrolle beim Gynäkologen und möglicherweise auch Internisten.
Besteht das Risiko einer Präeklampsie, werden bereits in der Frühschwangerschaft (bis zur 36. Schwangerschaftswoche, SSW) die Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS 100 bis 150 mg/d) sowie die konsequente Überwachung des Blutdrucks empfohlen.
Für einen möglichst unkomplizierten Schwangerschaftsverlauf und -ausgang ist eine normoglykämische Stoffwechsellage essenziell.
Grundsätzlich ist zu beachten, dass sich der Insulinbedarf während der Schwangerschaft ändert. In der Regel ist dieser im ersten Trimenon geringer als vor der Schwangerschaft und steigt im zweiten und dritten Trimenon deutlich an, wobei er zum Zeitpunkt der Geburt wieder schnell abfallen kann. Zur Add-on-Therapie ist auch Metformin bei Typ-2-Diabetes in der Schwangerschaft zugelassen (hier mehr dazu).
Asthmakranke Schwangere müssen besonders gut betreut werden, um die werdende Mutter und das ungeborene Kind nicht zu gefährden. Die Erkrankung bleibt bei einem Drittel der Schwangeren stabil, bei jeweils einem Drittel ist mit einer Verbesserung oder Verschlechterung zu rechnen (»one-third rule«).
Bei Schwangeren werden Kontrolluntersuchungen alle vier bis sechs Wochen empfohlen, abhängig von der Erkrankungsschwere. Schweres, unzureichend therapiertes Asthma wird mit einem höheren Risiko für Frühgeburten, Wachstumsverzögerung oder Sauerstoffmangel in Verbindung gebracht.
Die Therapie in der Schwangerschaft entspricht bis auf wenige Einschränkungen den allgemeinen Empfehlungen des Stufenplans je nach Asthmaschweregrad. Mittel der Wahl sind Salbutamol, Budesonid (gefolgt von Beclomethason und Fluticason), Formoterol und Salmeterol, alle als Inhalativa. Ist ein systemisches Corticoid indiziert, ist Prednisolon der Stoff mit dem geringsten plazentaren Übergang. Gibt es klare Indikationen für andere Corticoide, stellt das im Normalfall kein Problem dar.
Peripartal bestehen manchmal Bedenken gegenüber β2-Sympathomimetika, da diese als Wehenhemmer bekannt sind. Dieser Effekt wurde nach inhalativer Anwendung normaler Dosen laut Stufenplan nicht beobachtet.
Achtung: Die Kombination von β2-Sympathomimetika mit Corticosteroiden kann die Kohlenhydrattoleranz beeinträchtigen. Dies ist bei Schwangeren mit diabetogener Stoffwechsellage zu berücksichtigen.
Akute Schmerzen sollen auch in der Schwangerschaft konsequent behandelt werden. Im dritten Trimenon steht als Schmerz- und Fiebermittel nur Paracetamol zur Verfügung. Die NSAR müssen aufgrund ihrer unerwünschten Wirkungen ab SSW 28 ausgespart werden.
Stichwort Migräne: Helfen die besprochenen Analgetika nicht, ist die Anwendung von Sumatriptan möglich, ebenso von Metoclopramid bei Übelkeit. Ist eine Migräneprophylaxe nötig, sollte die Frau dies mit dem Neurologen besprechen. Metoprolol und Amitriptylin sind die Mittel der Wahl. Pfefferminzöl an den Schläfen ist zwar nicht untersucht, aber bei allen Arten von Kopfschmerzen in der Schwangerschaft möglich.
Schmerzen müssen auch in der Schwangerschaft behandelt werden. Oft haben die Frauen gute Erfolge mit Akupunktur, Physiotherapie, Yoga und Entspannungstechniken. / © Adobe Stock/mmphoto
Sind akute Schmerzen mit Paracetamol und nicht-medikamentösen Maßnahmen nicht beherrschbar, müssen eventuell kurzfristig mittelstarke oder starke Opioide gegeben werden. Eine mögliche Atemdepression beim Kind, wenn es unmittelbar nach der Gabe geboren wird, ist im Normalfall gut beherrschbar. Eine Abhängigkeit ist nach einzelner oder kurzzeitiger Gabe nicht zu erwarten.
Jedoch sollte eine nicht-medikamentöse Behandlung möglichst bevorzugt werden. Bei typischen Schwangerschaftsbeschwerden wie Schmerzen im Rücken und Becken erreicht man oft mit Akupunktur, Physiotherapie, Yoga und Entspannungstherapien gute Erfolge.
Banale Infektionen können jederzeit gut behandelt werden. Abschwellende Nasentropfen wie Xylometazolin oder Oxymetazolin, Halsschmerztabletten und gegebenenfalls Paracetamol als systemischer Fiebersenker werden empfohlen. Zur Anwendung pflanzlicher Hustensäfte und -tees gibt es keine systematischen Untersuchungen, allerdings auch keine Hinweise auf unerwünschte Wirkungen. Alkoholhaltige Extrakte sind zu meiden. Bei massivem Reizhusten kann eventuell kurzzeitig (off Label) Codein gegeben werden.
Allergien können zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft mit Loratadin oder Cetirizin (systemisch) oder mit Augen- oder Nasentropfen lokal behandelt werden.
Herpes simplex verläuft in der Schwangerschaft meist unproblematisch und kann mit Aciclovir lokal oder systemisch behandelt werden. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die Erkrankung in der Schwangerschaft zum ersten Mal oder aber im Genitalbereich auftritt. Dann muss sofort der Gynäkologe aufgesucht werden.
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Influenza und COVID können in der Spätschwangerschaft relativ schwer verlaufen. Die Therapie erfolgt rein symptomatisch. Die Influenza-Impfung wird klar im zweiten oder dritten Trimenon empfohlen. Im ersten Trimenon empfiehlt man sie eher Frauen, die per se ein erhöhtes Krankheitsrisiko für Influenza tragen (chronische Erkrankungen). Die Corona-Impfung wird ebenfalls allen Schwangeren im zweiten und dritten Trimenon empfohlen.
Impfungen gegen Hepatitis A und B, auch die Grundimmunisierung, sind möglich.
Um einen bestmöglichen Schutz des Neugeborenen vor Keuchhusten (Pertussis) zu erreichen, wird diese Impfung jeder Schwangeren empfohlen, idealerweise in der 27. bis 36. Schwangerschaftswoche. Die Verabreichung erfolgt als Drei- oder Vierfachimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten sowie gegebenenfalls zusätzlich gegen Kinderlähmung.
Besondere Sorgfalt ist nötig, wenn eine Person mit Herpes simplex Kontakt zu Neugeborenen hat. Diese sind bis zur achten Lebenswoche wegen ihres noch unreifen Immunsystems besonders gefährdet, wenn sie sich mit Herpes anstecken. Wer Lippenherpes hat, sollte einen Säugling nicht küssen, sich regelmäßig die Hände waschen und das Kind von den Herpesbläschen fernhalten. Eine Abdeckung mit Herpes-Pflastern kann für junge Mütter sehr sinnvoll sein.
Was erwartet die Frau medikamentös während der Entbindung? Im Idealfall sind relativ wenig Arzneimittel nötig. Durch individuelle Betreuung, Atem- und Entspannungstechniken benötigen manche Frauen überhaupt keine Schmerzmittel. Andere wiederum kämpfen sich tapfer durch viele Stunden Wehen und akzeptieren irgendwann Schmerzmittel – vor allem wenn die Kraft der Mutter nachvollziehbarerweise am Ende ist.
▶ Etwas Individuelleres als eine Geburt gibt es kaum. Vergleiche zwischen Gebärenden sind unpassend und belastend – und ein Kämpfen um jeden Preis manchmal auch.
Seit vielen tausend Jahren versucht man, Schmerzen während der Entbindung erträglicher zu machen. Bis zur Einführung der PDA (Periduralanästhesie) gab es jedoch keine richtig guten Varianten, da Opioide als einzig wirksame Substanzen aufgrund ihres plazentaren Übergangs häufig sehr schläfrige und atemdepressive Neugeborene zur Folge hatten.
In der Eröffnungsphase wird manchmal mit »leichteren« Schmerzmitteln wie dem krampflösenden Butylscopolamin und Paracetamol gearbeitet. Zufriedenstellend ist das Ergebnis meist nicht. Außer der PDA steht systemisch nur der Wirkstoff Nalbuphin zur Verfügung; auf andere Opioide wird nur noch in Ausnahmefällen zurückgegriffen.
Nalbuphin ist eine interessante Substanz, denn sie wirkt sowohl als Agonist als auch als Antagonist an Opioid-Rezeptoren. An den κ-Rezeptoren wirkt es agonistisch und daher schmerzstillend (analgetische Potenz: 0,5- bis 0,7-fach von Morphin), während es am µ-Rezeptor als Antagonist wirkt. Dadurch nimmt die Rate an Atemdepressionen beim Kind deutlich ab, allerdings bei begrenzter analgetischer Wirkung. Nalbuphin wird meist in einer frühen Geburtsphase eingesetzt (intravenös), wenn noch einige Zeit überbrückt werden muss, es aber für die Anlage einer PDA noch deutlich zu früh ist.
Ein weiterer Grund für die Beliebtheit von Nalbuphin ist die Tatsache, dass es nicht der Betäubungsmittelverschreibung unterliegt – und die Organisation und Verwaltung deutlich einfacher ist als für andere Opioide.
Die Peridural- und die Spinalanästhesie sind die wirksamsten Methoden der Schmerzlinderung in der Geburtshilfe. Beide Anästhesieformen schalten die Schmerzwahrnehmung in der unteren Körperhälfte aus; im Idealfall bleibt die motorische Funktion der Beine intakt (sogenannte Walking-PDA). Während bei der PDA eine Lokalanästhesie in den Epiduralraum injiziert wird, wird bei der Spinalanästhesie direkt in den Liquorraum injiziert. Die klassische PDA besteht aus Ropivacain und Sufentanil, manchmal auch Fentanyl.
Grundsätzlich ist die PDA sehr gut verträglich, aber unerwünschte Nebenwirkungen, wie nicht ausreichende oder einseitige Wirkung, Atemdepression oder Blutdruckabfall sind nicht auszuschließen.
Ein besonderer Fall ist die Rhesus-Unverträglichkeit. Viele Menschen tragen auf der Zelloberfläche ihrer Erythrozyten das Merkmal des Rhesusfaktors (Rhesus D) und sind somit Rhesus-positiv (Rh-pos). Etwa 15 Prozent der Bevölkerung tragen dieses Merkmal nicht (Rhesus-negativ, Rh-neg). Kommt das Blut von Rh-Positiven mit dem von Rh-Negativen in Kontakt, bildet Letzterer Antikörper gegen das fremde Merkmal. Das Immunsystem zerstört in der Folge die übertragenen Erythrozyten und so wird beispielsweise eine Bluttransfusion wirkungslos.
Bekommt eine Rh-negative Frau ein Kind mit positivem Rhesusfaktor, können sich bei jedem Blutaustausch (passiert sehr häufig bei der Geburt, aber auch bei Blutungen in der Schwangerschaft) Antikörper gegen Rhesus D bilden: Das ist die sogenannte Rhesus-Unverträglichkeit. Für das erste Rh-positive Kind ist das nicht bedrohlich, aber in einer Folgeschwangerschaft mit einem Rh-positiven Kind kann es zu schweren Komplikationen bis hin zum Tod des Ungeborenen durch eine Abstoßungsreaktion kommen. Daher bekommt jede Rh-negative Frau nach der Entbindung eines (möglicherweise Rh-positiven) Kindes eine passive Immunisierung zur Verhinderung der Bildung von Anti-D-Antikörpern.
Wehenfördernde Stoffe sind unverzichtbar und manchmal lebensrettend, um den Geburtsvorgang zu beschleunigen oder Blutungen nach der Geburt zu stoppen. Die Indikationen reichen daher von der Einleitung der Geburt über die Wehenstimulation bis zur Prävention und Therapie von Nachgeburtsblutungen.
Zur Geburtseinleitung werden Prostaglandine, Oxytocin und Oxytocin-Agonisten verwendet. Prostaglandine wirken zervixerweichend und uteruskontrahierend; man verwendet das natürlich vorkommende Prostaglandin PGE2 (Dinoproston) und die synthetische Variante Misoprostol. Die Stoffe dürfen nur in Kliniken eingesetzt werden, da in Notfällen jederzeit eine operative Entbindung möglich sein muss. Ein vernarbter Uterus oder Mehrlingsschwangerschaften sind Kontraindikationen.
Dinoproston wird entweder als vaginales Gel oder vaginale Tablette eingesetzt, manchmal auch in Form vaginaler Inserte. Letztere wirken länger und können bei guter Wirksamkeit jederzeit rasch wieder entfernt werden.
Alles hat gut geklappt: Ein gesundes fittes Baby ist angekommen! / © Klausner
Misoprostol ist ein synthetisches Analogon zum natürlich vorkommenden Prostaglandin E2 und wirkt ebenfalls wehenauslösend, auch bei unreifer Zervix. Der Wirkstoff war jahrelang nicht zur Anwendung in der Geburtshilfe zugelassen, sondern wurde off Label in sehr unterschiedlichen Dosierungen mit teils nicht unerheblichen Nebenwirkungen eingesetzt. Seit September 2021 ist ein Präparat im Handel, mit dem die Geburtseinleitung niedrig dosiert peroral erfolgen kann (Angusta®).
Oxytocin (intravenös oder intramuskulär) wird selten zur primären Geburtseinleitung verwendet, sondern eher bei Wehenschwäche sowie zur Blutungsprophylaxe und zur Beschleunigung der Plazentaablösung und Uterusrückbildung. Das Hormon fördert aktiv die Wehentätigkeit und verringert in der Nachgeburtsperiode durch rasche Plazentalösung den postpartalen Blutverlust.
Das Oxytocin-Analogon Carbetocin wirkt länger und ist nur zur postpartalen Blutungsstillung zugelassen. Es wird ebenfalls intravenös oder intramuskulär injiziert.
Eine wehenhemmende Therapie (Tokolyse) wird bei drohender Frühgeburt eingesetzt – in erster Linie, um die Geburt zu verzögern, bis die Lungenreifung des Fetus durch Corticoide erreicht ist.
Betasympathomimetika führen durch Erregung des Sympathikus an den β2-Rezeptoren der Gebärmutter zur Erschlaffung der Uterusmuskulatur. Fenoterol ist der bekannteste Wirkstoff und wird – außer bei drohender Frühgeburt – auch zur Wehenhemmung während einer äußeren Wendung des Ungeborenen bei Beckenendlage parenteral (nicht inhalativ) eingesetzt.
Es können kardiale β1-mimetische Nebenwirkungen auftreten, meist in Form einer Tachykardie. Auch Unruhe, Blutdruckabfall, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen wurden beobachtet.
Oxytocin-Antagonisten wie Atosiban (intravenös) konkurrieren mit Oxytocin um die Rezeptorbindung. Dessen Wirkung wird somit aufgehoben und vorzeitige Wehen werden gehemmt. Die Wirkung ist gleich gut wie die der Betamimetika – bei geringeren kardiovaskulären Nebenwirkungen.
Bei moderater Wehentätigkeit wird off Label auch der Blutdrucksenker Nifedipin eingesetzt.
Zur Induktion der Lungenreifung dienen Betamethason oder Dexamethason. Die Therapie erhöht nachweislich die Überlebensrate der Frühgeborenen, vor allem durch Bildung von Surfactant und Reifung der Pneumozyten, aber auch durch Reduktion von Gehirnblutungen. Bei drohender Frühgeburt zwischen 24. und 34. SSW wird die Gabe von zweimal 12 mg Betamethason im Abstand von 24 Stunden oder viermal 6 mg Dexamethason alle zwölf Stunden empfohlen, jeweils intramuskulär.
Primäre Ansprechpartner nach der Geburt sind Hebammen und Gynäkologen. Geburtsbedingte Verletzungen werden normalerweise noch in der Klinik direkt behandelt, genauso wie Schmerzen nach einem Kaiserschnitt; eventuell ist die Gabe von Eisen oder Blutersatzprodukten nötig.
Vertrauter Beratungsort: Nach Rückkehr von Mutter und Kind nach Hause sind Apothekenteams oft die ersten Ansprechpartner bei leichteren Problemen. / © Getty Images/FatCamera
Sehr gut muss die psychische Gesundheit gewährleistet sein – nicht nur medikamentös, sondern vor allem durch eine Sensibilität aller Betreuenden, das Thema und mögliche Hilfen anzusprechen. Symptome wie plötzliche Kopfschmerzen und Bluthochdruck sind nach einer Geburt sehr ernst zu nehmen und rasch mit den Ärzten zu besprechen. Schmerzen in den Beinen oder beim Atmen können auf thromboembolische Ereignisse hindeuten; das Auftreten ist nicht nur in der Schwangerschaft, sondern auch im Wochenbett noch deutlich erhöht.
Verstopfung, Haarausfall, Schlafprobleme: Sind Mutter und Kind nach Hause zurückgekehrt, sind Apothekenteams oft die ersten Ansprechpartner bei Gesundheitsproblemen. Viele Frauen fragen auch nochmal nach der Verträglichkeit ihrer Dauermedikamente. Fundierte Beratung beruhigt die junge Familie.
Sigrun Klausner hat in Graz Pharmazie studiert und 2005 ihre Approbation erhalten. Anschließend arbeitete sie je zwei Jahre in der Apotheke des LMU-Klinikums München-Großhadern und bei Embryotox in Berlin. 2010 wurde sie promoviert. Seit 15 Jahren ist Dr. Klausner in der Landesapotheke (Klinikapotheke) in Salzburg in der Abteilung für Arzneimittelinformation und seit mehr als zehn Jahren als klinische Pharmazeutin in der Kinderklinik und Gynäkologie tätig. Ihr Spezialgebiet sind Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit. Daneben engagiert sie sich ehrenamtlich im Ausschuss für Arzneimittelinformation der ADKA und in der österreichischen Arbeitsgruppe für Palliativpharmazie.