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Phytopharmaka und Co.

Was ist präoperativ zu beachten?

Viele Patienten nehmen Phytopharmaka, Nahrungsergänzungsmittel und andere Präparate der komplementären und alternativen Medizin ein. Diese müssen erfasst, beurteilt und gegebenenfalls rechtzeitig abgesetzt werden, um unerwünschte Effekte vor und bei Operationen zu vermeiden.
Dorothea Strobach
29.08.2021  08:00 Uhr

Eine kurze Übersicht

Die Vielzahl der national und international eingesetzten Präparate der CAM macht es quasi unmöglich, eine vollständige Übersicht zu erstellen. Zudem erscheinen immer wieder neue Substanzen, Phytopharmaka und andere Naturprodukte in diesem Bereich.

Die Tabelle 1 zeigt einen Überblick über eine Auswahl von 20 Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmitteln mit Angaben zu möglichen perioperativen Risiken aus der Literatur und Empfehlungen zum perioperativen Umgang. Die Beispiele stammen alle aus Medikationsprofilen von Patienten, die präoperativ zu ihren Arzneimitteln von Apothekern im Klinikum der Universität München befragt wurden. Auf die Darstellung allgemein bekannter Vertreter wie Ginkgo, Ginseng und Johanniskraut, die präoperativ abzusetzen sind, wurde verzichtet (lesen Sie dazu den Beitrag »Hochbetagt zur Operation«). Die in Tabelle 1 aufgeführten perioperativen Risiken und Empfehlungen sind als Orientierung zu verstehen, die an die jeweilige Situation des Patienten angepasst werden müssen.

Pflanze, Substanz (Synonyme) Mögliche perioperative Risiken Empfehlungen
Acerola
(Malphigia glabra, M. emarginata)
in hohen Dosen Durchfall, keine weiteren unerwünschten Effekte bekannt (14) kein Handlungsbedarf
Aloe vera (interne Anwendung) bei chronischem Gebrauch Hypokaliämie möglich, vor allem in Kombination mit Diuretika, Corticosteroiden, Süßholz, cave Interaktion mit Herzglykosiden, Antiarrhythmika, QT-Zeit-verlängernden Arzneimitteln (13, 14)
erhöhtes Risiko für Hypoglykämie, vor allem bei Einnahme oraler Antidiabetika (8)
kann Gefahr perioperativer Blutungen erhöhen in Kombination mit Sevofluran oder Plättcheninhibitoren (8)
in vitro Absorption von Arzneistoffen erhöht (7)
schwacher Inhibitor von CYP2D6 und CYP3A4 (37)
zwei Wochen vor OP absetzen (8)
Baldrian
(Valeriana officinalis)
Sedierung durch Beeinflussung der GABA-Ausschüttung und Rezeptormodulation (2, 29)
Beeinflussung der Wirkung von Narkotika, kann sedative Wirkung von Benzodiazepinen und Barbituraten erhöhen, gleichzeitige Gabe vermeiden (2, 29)
im Tierversuch muskelrelaxierend (1)
Vorsicht bei plötzlichem Absetzen, Gefahr von Benzodiazepin-ähnlichen Entzugserscheinungen (2), lt. anderen Quellen keine Entzugserscheinungen zu erwarten (1)
Fallbericht über kardiale Störungen, Zittern nach Absetzen (17)
einige Wochen vor der OP schrittweise absetzen (2, 24, 29)
falls Dosisreduktion nicht möglich, kann zur Einnahme bis zum OP-Tag geraten werden (2)
zwei Wochen vor OP absetzen (38)
Bockshornklee
(Fenugreek, Trigonella foenum-graecum)
als Gewürz und Ballaststoffzusatz: keine unerwünschten Wirkungen zu erwarten (14)
beeinflusst Glucosemetabolismus, Risiko für Hypoglykämie (8, 14)
estrogene Wirkung möglich, nicht in der Schwangerschaft oder bei hormonsensitiven Hormonen einnehmen (30)
Verdacht auf Beeinträchtigung der Koagulation bei Einnahme großer Mengen, hemmt Plättchenaggregation (8)
Veränderungen von T3 und T4 in Tierversuchen berichtet, Vorsicht bei Einnahme von Schilddrüsenhormonen (30)
zwei Wochen vor OP absetzen (8)
Bromelain erhöhte Herzfrequenz berichtet unter sehr hohen Dosen (14, 30)
erhöhtes Blutungsrisiko bei gleichzeitiger Gabe von Antikoagulanzien oder NSAR (8, 14)
laut Fachinformation kontraindiziert bei gleichzeitiger Einnahme von Antikoagulanzien oder Thrombozytenaggregationshemmern (13)
zwei Wochen vor OP absetzen, wenn andere Blutverdünner eingesetzt werden (38)
zwei Wochen vor OP absetzen (8)
vor OP absetzen (13}
Chondroitin signifikante Nebenwirkungen unwahrscheinlich (34)
kann über CYP-System Metabolisierung anderer Substanzen beeinflussen (36)
verstärkte Wirkung von Cumarinen möglich (8, 12)
48 Stunden vor OP absetzen (8)
Danshen
(Salvia miltiorrhiza, Rotwurzel-Salbei, TCM)
erhöhtes Blutungsrisiko bei gleichzeitiger Gabe mit Antikoagulanzien (31), hemmt Plättchenaggregation (8)
im Tierversuch verstärkte Wirkung von Cumarinen (14)
potenziert antihypertensive Wirkungen (8)
moderater Inhibitor von CYP1A2, 2C9, 3A4, 3A5 (37)
zwei Wochen vor OP absetzen (8)
Dong Quai
(Angelika sinensis)
erhöhtes Blutungsrisiko bei gleichzeitiger Gabe mit Antikoagulanzien (31)
Hypertonie und Fieber berichtet (14)
induziert CYP2D6 und CYP3A4 mit Risiko für Interaktionen mit darüber abgebauten Substanzen (zum Beispiel Midazolam, Fentanyl) (14, 37)
zwei Wochen vor OP absetzen (8, 38)
Fieberkraut
(Tanacetum parthenium, auch Chrysanthemum parthenium, Falsche Kamille, Zierkraut, Mutterkraut, Feverfew)
erhöhte Herzfrequenz beschrieben (14)
Absetzen nach mehrjähriger Einnahme: zentralnervöse Reaktionen (u. a. Fatigue, Kopfschmerz, Schlafstörungen), Muskel- und Gelenkbeschwerden berichtet (14, 30)
Post-Feverfew-Syndrom bei ca. 10 Prozent der Patienten (38)
erhöhtes Blutungsrisiko bei gleichzeitiger Einnahme von Antikoagulanzien, Plättcheninhibitoren oder NSAR
hemmt Lipoxygenase und Cyclooxygenase (8, 14, 38)
multiple CYP-Interaktionen (8)
vier Wochen vor OP beginnend über zwei Wochen schrittweise absetzen, keine Einnahme zwei Wochen vor OP (38)
zwei Wochen vor OP absetzen (8)
Glucosamin blutverdünnende Eigenschaften (17)
kann die Wirkung von Thrombozytenaggregationshemmern und Cumarin-Antikoagulanzien (Beispiel Warfarin) verstärken, erhöhtes Blutungsrisiko (8, 13, 34)
kann zu Hypoglykämie führen (13, 17, 34), klinische Wirkung auf Glucosespiegel unklar (12)
periphere Ödeme und Tachykardie berichtet (12)
zwei bis drei Wochen vor OP absetzen (17)
wegen guter Verträglichkeit erst am Abend vor OP absetzen (38)
48 Stunden vor OP absetzen (8)
Guarana Arrhythmien, Hypertonie, kardiovaskuläre Probleme möglich (12, 14, 36)
in vitro Inhibition der Plättchenaggregation (14)
aufgrund des Koffeingehalts Interaktion möglich mit Clozapin, Lithium, Anxiolytika, Antihypertensiva (14)
24 Stunden vor OP absetzen (36)
zwei Wochen vor OP absetzen (8)
Inositol keine spezifische Rolle für die menschliche Ernährung nachgewiesen
keine Nebenwirkungen beschrieben (12, 14)
kein Handlungsbedarf
Kamille
(Matricaria chamomilla/recutita)
bei Einnahme von Kapseln, Tropfen usw. (nicht Tee): kann Plättchenfunktion inhibieren und Blutungsrisiko erhöhen, Fallberichte über Blutungen bei gleichzeitiger Warfaringabe (27)
Interaktion mit Ciclosporin berichtet (30)
kann sedativen Effekt von Anästhetika verstärken
kann Metabolisierung von Opioiden, Blutdruckmedikation, Blutverdünnern beeinflussen über CYP-System (36)
schwacher Inhibitor von CYP1A2 und 3A4 (37)
vor OP absetzen (27)
sieben Tage vor OP absetzen (36)
Kelp-Extrakt
(Braunalgenextrakt, Grünalgenextrakt)
Vitamin-K-haltig, veränderter INR bei gleichzeitiger Gabe von Cumarinen (14)
stark jodhaltig, TSH-Anstieg experimentell gezeigt (12, 14)
bei hohem Konsum Gelbfärbung der Haut möglich (12, 14)
keine Empfehlung ermittelbar, bei Patienten unter Cumarinen Absetzen erwägen
Kreatin
(Creatin)
Verschlechterung der Nierenfunktion möglich bei hohen Dosen oder bestehender Niereninsuffizienz (12, 14)
bei Diabetes: Blutzucker intensiv überwachen (14)
Gewichtszunahme und Wassereinlagerungen, aber auch Dehydrierung möglich (12)
keine Empfehlung ermittelbar, Nierenfunktion überwachen, ggf. auf nicht-kreatininbasierte Bestimmung umstellen
Lakritze
(Süßholz, Glycyrrhiza glabra)
negative Effekte nur in hohen Dosen zu erwarten (> 20 g Extrakt täglich oder > 50 g Süßholzwurzel) (38)
kann die Wirkung von Antikoagulanzien, Thrombolytika, Salicylaten und Thrombozytenaggregationshemmern verstärken, erhöhtes Blutungsrisiko (14, 31)
kann zu Hypertonie, Flüssigkeitsretention (Pseudohyperaldosteronismus) und Arrhythmien bei höheren Dosen über längere Zeiträume führen (14)
kann Hypokaliämie verursachen, insbesondere bei gleichzeitiger Gabe von Diuretika (14)
zwei Wochen vor OP absetzen, Nebenwirkungen nur bei hohen Dosen zu erwarten (38)
Mariendistel
(Silybum marianum)
Wechselwirkungen über CYP 3A4 und p-Glykoprotein können nicht ausgeschlossen werden
antiarrhythmische Wirkung von Amiodaron möglicherweise verstärkt (13)
moderater CYP2C8-Inhibitor (37)
dosisabhängig Durchfall mit Flüssigkeitsverlust möglich (17)
senkt möglicherweise den Blutzuckerspiegel (21)
zwei bis drei Wochen vor OP absetzen (17)
Sägepalme
(Serenoa repens)
perioperative Blutungen, Tachykardie, Angina, Wasser- und Elektrolytstörungen (17)
kann die Wirkung von blutgerinnungshemmenden Arzneimitteln wie Phenprocoumon, Warfarin, Clopidogrel verstärken (13, 14, 31)
in Kombination mit Acetylsalicylsäure und anderen NSAR steigt das Risiko für Blutungen im Magen-Darm-Bereich (14)
zwei bis drei Wochen vor der OP absetzen (17)
zwei Wochen vor OP absetzen (8, 38)
sieben Tage vor OP absetzen (36)
Teufelskralle
(Harpagophytum procumbens, Devils Claw)
erhöhtes Blutungsrisiko. Vorsicht bei gleichzeitiger Gabe anderer Gerinnungshemmer (8, 14)
kann den Blutzuckerspiegel erniedrigen (14)
hypotensive Effekte berichtet (1)
gleichzeitige Gabe mit antiarrhythmischen oder positiv inotropen und chronotropen Medikamenten kontraindiziert, da im Tierversuch verringerte Herzfrequenz und milde positiv inotrope Effekte beobachtet (14)
erhöht Magensäureproduktion (8)
zwei Wochen vor OP absetzen (8)
Traubenkernextrakt
(Grape seed extract, Proanthocyanidine, OPC: oligomere Proanthocyanidine)
Plättcheninhibierende Eigenschaften, bei gleichzeitiger Gabe anderer Gerinnungshemmer oder NSAR erhöhtes Blutungsrisiko (14)
Vorsicht bei erhöhter Blutungsneigung, Einnahme von Antikoagulanzien oder vor Operationen (30)
im Tierversuch nach sehr hohen Dosen Nierenschädigung (14)
keine Empfehlung in der Literatur ermittelbar
vor OP mit Blutungsrisiko oder bei Blutungsneigung Absetzen zwei bis drei Wochen vorher erwägen
Tabelle 2: Übersicht zum perioperativen Umgang mit ausgewählten Präparaten der CAM; je nach Literaturstelle können sich die Empfehlungen widersprechen oder sind nicht ganz kongruent.
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