Ursache für schwere Hepatitiden bei Kindern geklärt? |
Theo Dingermann |
27.07.2022 09:00 Uhr |
Adenoviren sind auch laut einer neuen Hypothese an der Entstehung der schweren Hepatitis bei Kindern beteiligt, aber nicht alleine. / Foto: Adobe Stock/Corona Borealis
Ende April schreckten Meldungen zu unüblich schweren Hepatitisfällen bei Kindern die Öffentlichkeit auf. Offensichtlich wurden die Fälle nicht durch die typischen fünf Hepatitis-Virustypen ausgelöst. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wurden zwischen Oktober letzten Jahres und dem 8. Juli 1010 Fälle von ungeklärter Hepatitis bei Kindern in 35 Ländern registriert. Bei etwa 5 Prozent war eine Lebertransplantation erforderlich und es wurden 18 Todesfälle gemeldet.
Zunächst fiel der Verdacht für die Ursache der schweren Komplikation auf das Adenovirus 41 (AdV 41), das in der Mehrzahl, aber nicht in allen Fällen bei den betroffenen Kindern nachgewiesen wurde. Es ist bekannt, dass das AdV 41 bei immungeschwächten Kindern Leberschäden auslöst, aber bei Kindern mit intaktem Immunsystem war dies noch nie beobachtet worden. Auch stand kurzzeitig SARS-CoV-2 unter Verdacht, an der Pathologie beteiligt zu sein. Diese Hypothese wurde jedoch verworfen.
Nun deuten aktuelle Studien an, dass das adenoassoziierte Virus 2 (AAV2) ein Faktor für die Manifestation der schweren Hepatitiden bei Kindern sein könnte. In einem auf dem Preprintserver »Medrxiv« publizierten Artikel beschreiben Dr. Antonia Ho von der University of Glasgow und Kollegen die Ergebnisse einer Untersuchung, in der sie mithilfe von Next-Generation-Sequenzierungsmethoden und Echtzeit-PCR Proben von neun erkrankten Kindern und von 58 Kontrollpersonen analysierten. In allen Proben, Plasma/Serum und teils Leberbiopsien, aller neun erkrankter Kinder fanden die Forschenden AAV2-DNA. Im Gegensatz dazu ließ sich dieses Virus in keiner der Kontrollproben nachweisen, auch nicht bei Kindern aus der Kontrollgruppe, die mit einem humanen Adenovirus (HAdV) infiziert waren und eine normale Leberfunktion aufwiesen oder die wegen einer Hepatitis anderer Ätiologie klinisch behandelt wurden.
AAV2 kann sich nur in Gegenwart eines »Helfer«-Virus replizieren. In aller Regel ist dies ein Adenovirus oder ein Herpesvirus. HAdV (Spezies C und F) und das humane Herpesvirus 6B (HHV6B) wurden in sechs von neun beziehungsweise in drei von neun betroffenen Fällen nachgewiesen.
Sollten sich diese starken Hinweise bestätigen, dass AAV2 ein entscheidender Faktor für die Manifestation dieses seltenen Typs einer Hepatitis bei Kindern ist, schließt das nicht aus, dass auch das Adenovirus 41 bei den dokumentierten Fällen eine Rolle gespielt hat, sagte Dr. Angela Rasmussen, Virologin bei der Vaccine and Infectious Disease Organization (VIDO) an der University of Saskatchewan, Kanada, dem Nachrichtenmagazin »STAT«. »AdV 41 (oder ein anderes Hilfsvirus) könnten notwendig, aber nicht ausreichend sein.«
Diese Daten wurden durch die Arbeit von Dr. Sofia Morfopoulou und Kollegen vom University College London bestätigt. Deren Arbeit ist ebenfalls noch nicht abschließend begutachtet, ist jedoch als Preprint verfügbar. in dieser Arbeit wurden 28 Fälle und 136 Kontrollpersonen eingehend untersucht. In fünf Fällen, bei denen eine Lebertransplantation erforderlich war, wiesen die Forschenden hohe Konzentrationen des AAV2 in den explantierten Lebern nach. AAV2 wurde auch in hohen Konzentrationen im Blut von zehn der elf nicht transplantierten Fälle nachgewiesen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.