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Hepatitis-Fälle bei Kindern

Gene und mehrere Viren mögliche Auslöser

Für die bislang ungeklärte Häufung von schweren Hepatitis-Fällen bei Kindern, die seit dem Frühjahr 2022 unter anderem in Großbritannien zu beobachten ist, haben Forschende anhand aktueller Untersuchungsergebnisse eine mögliche Erklärung gefunden.
Theo Dingermann
30.03.2023  18:00 Uhr

Im Juli letzten Jahres wurde in einer damals noch nicht begutachteten Vorabpublikation erstmals über alarmierende Zahlen von akuten Hepatitiden bei Kindern berichtet, die eine ungewöhnliche Ätiologie aufwiesen. Zwischenzeitlich ist die Zahl der Fälle weiter drastisch gestiegen. Alleine im Vereinigten Königreich wurden 270 ähnliche Fälle gemeldet. 15 der betroffenen Kinder benötigten sogar eine Lebertransplantation.

Bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gingen zwischen dem 5. April und dem 8. Juli 2022 Meldungen zu 1010 Fällen aus 35 Ländern ein. In 46 Fällen war eine Lebertransplantation erforderlich, 22 Kinder verstarben.

Jetzt erschienen im renommierten Fachjournal »Nature« gleich drei Publikationen, in denen diese Hepatitiden unabhängig voneinander genauer analysiert wurden. Die Ergebnisse zeigen große Übereinstimmungen.

AAV2-DNA als gemeinsamer Marker

Alle drei Arbeitsgruppen konnten bei fast allen betroffenen Kindern in Gewebeproben große DNA-Mengen des adenoassoziierten Virus 2 (AAV2) nachweisen. AAV2 ist ein kleines, nicht umhülltes Virus mit einem einzelsträngigen DNA-Genom von etwa 4675 Nukleotiden Länge. Bei bis zu 80 Prozent der Bevölkerung sind immunologische Marker für eine AAV2-Infektion nachweisbar, wobei die Serokonversion meist in der frühen Kindheit nach einer Infektion der Atemwege erfolgt.

Bei Kindern im Alter von drei beziehungsweise fünf Jahren lag die Seroprävalenz in einer amerikanischen, prospektiven Studie zwischen 25 und 40 Prozent. Diese Altersspanne deckt sich mit der der Fälle der aktuellen Studien, was darauf hindeutet, dass die Hepatitiden eher mit einer Primärinfektion mit AAV2 als mit einer Reaktivierung zusammenhängen könnten.

Allerdings benötigt AAV2 ein sogenanntes Helfervirus, um sich vermehren zu können. Ist diese Voraussetzung gegeben, vermehrt sich AAV2 zwar in der Leber, verursacht aber normalerweise keine Hepatitiden.

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