Gene und mehrere Viren mögliche Auslöser |
Theo Dingermann |
30.03.2023 18:00 Uhr |
Die dritte Arbeit dieser Serie stammt von den Autoren der bereits erwähnten Vorabpublikation. Sie analysierten die Daten von 32 betroffenen Kindern, die zwischen dem 14. März und dem 20. August 2022 im Krankenhaus vorgestellt wurden. Das mittlere Alter der betroffenen Kinder betrug 4,1 Jahre, 21 der 32 Kinder (66 Prozent) waren weiblich.
Die Forschenden um Dr. Antonia Ho konnten bei den meisten der erkrankten Kinder ebenfalls eine Infektion mit AAV2 nachweisen. Dagegen fiel der Nachweis von AAV2 nur bei fünf von 74 Kontrollkindern (7 Prozent) positiv aus. Auffällig war auch, dass bei nahezu allen betroffenen Kindern (25 von 27 Fällen, 93 Prozent) das MHC-Klasse-II-Allel DRB1*04:01 nachgewiesen werden konnte. Dies liegt deutlich über der Hintergrundhäufigkeit, die in dieser Studie mit 10 von 64 Proben (16 Prozent) ermittelt wurde. Das MHC-Klasse-II-Allel DRB1*04:01 ist ein bekanntes Risikoallel, das für Autoimmunkrankheiten mit Beteiligung von T-Zellen prädisponiert.
Ho und Kollegen konnten in Leberbiopsien von fünf der infizierten Kindern histologisch AAV2 in abnorm geschwollenen Leberzellen nachgewiesen, die massiv von T-Zellen umgeben waren. Das ist ein starker Hinweis darauf, dass AAV2 tatsächlich eine ursächliche Rolle bei den akuten Hepatitiden spielte.
In einem begleitenden »News & Views«-Kommentar hält Professor Dr. Frank Tacke von der Berliner Charité zunächst fest, dass in allen drei Studien AAV2 bei Kindern mit einer ungeklärten akuten Hepatitis nachgewiesen wurde. Die Tatsache, dass die Studien auf zwei Kontinenten durchgeführt wurden, machen die Ergebnisse angesichts des globalen Charakters des Ausbruchs der Krankheit besonders wertvoll. Allerdings ist Vorsicht geboten, denn alle drei waren retrospektive Studien. Zudem sind die Fallzahlen relativ klein und die Zahl der Leberproben ist noch geringer.
Tacke erwähnt auch, dass der Zeitpunkt des Hepatitis-Ausbruchs mit dem Ende der pandemiebedingten Lockdowns zusammenfiel. Selbst wenn eine direkte Beteiligung von SARS-CoV-2 ausgeschlossen werden könne, sei diese zeitliche Koinzidenz auffällig, so Tacke. Sie könnte womöglich damit erklärt werden, dass die Kinder nach den Schließungen plötzlich einer Flut von Viren ausgesetzt waren oder ein schlecht ausgebildetes Immunsystem hatten, das zu einer erhöhten Anfälligkeit für ansonsten harmlose Viren führte.
Die akuten Hepatitiden sind in den meisten Fällen offenbar ohne langfristige Immunsuppression abgeklungen. Es seien nun prospektive, ordnungsgemäß kontrollierte Folgeuntersuchungen erforderlich, so Tacke, um festzustellen, inwieweit eine AAV2-Infektion eine akute Hepatitis bei Kindern verursachen oder zu ihr beitragen kann. Bis dahin sei eine Überwachung auf AAV2 und verwandte Viren in solchen Fällen anzuraten.