Tipps und Tricks für Geriatrie-Patienten |
Mit zunehmendem Alter sind Menschen oftmals multimorbide und müssen zahlreiche Arzneimittel gleichzeitig einnehmen. Zumindest für einen Teil dieser Patienten kann eine patientenindividuelle Neuverpackung von Arzneimitteln (Stellen oder Verblistern) gemäß § 34 ApBetrO die Adhärenz fördern. Vorteile, die sich aus dem Stellen oder Blistern für Pflegende oder Pflegeeinrichtungen ergeben, sind gesondert zu bewerten.
Unter patientenindividuellem Stellen versteht man die auf Einzelanforderung vorgenommene, patientenbezogene manuelle Neuverpackung von Fertigarzneimitteln für bestimmte Einnahmezeitpunkte in einem wiederverwendbaren Behältnis.
Patientenindividuelles Verblistern unterscheidet sich vom Stellen darin, dass auch eine maschinelle Neuverpackung möglich ist und die Verpackung in einem nicht wiederverwendbaren Behältnis erfolgt.
Verwendet werden unter anderem Tages-, Wochen- oder Monatsboxen, Dosetten und Schlauchbeutel. Bei Multidose-Behältnissen befinden sich mehrere zu einem bestimmten Zeitpunkt einzunehmende Arzneimittel in einem gemeinsamen Behältnis. Bei Unitdose-Behältnissen werden Arzneimittel einzeln neu verblistert.
Eine Steigerung der Adhärenz ist nur dann zu erwarten, wenn der Patient die Medikation unabsichtlich nicht entsprechend dem Therapiekonzept des Arztes einnimmt. Blistern oder Stellen sind nicht sinnvoll, wenn der Patient die gesamte Einnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt vergisst oder diese generell ablehnt.
Hilfreich kann Blistern oder Stellen bei kognitiven Einschränkungen oder Schwierigkeiten beim Lesen und Verstehen der Arzneimittelkennzeichnung sein. Dies gilt ebenso, wenn Patienten keinen Überblick über ihre Medikamente haben oder dazu neigen, Arzneimittel zu horten. Blistern bringt auch Ordnung in ein verwirrendes Therapieregime von mehreren Verordnern, sofern es nur eine beteiligte Apotheke des Vertrauens gibt. Selbstverständlich muss die Entnahme der Arzneimittel aus dem Behältnis einfach sein, damit dies keine neuerliche Hürde aufbaut.
Mehr Ordnung und Übersicht bei der Tabletteneinnahme kann die Adhärenz unterstützen. / Foto: Adobe Stock/Daniela Baumann
Grundsätzlich kommt eine patientenindividuelle Neuverpackung im Wesentlichen für feste, oral zu applizierende Arzneiformen wie Tabletten oder Kapseln in Betracht, die die Patienten als Dauermedikation erhalten. Parenteralia, Dermatika und Inhalate sowie Medikamente der Bedarfsmedikation, zum Beispiel Fieber- und Schmerzmittel, sind nicht integrierbar. Kritisch sind Akutmedikamente, bei denen sich in kurzen Zeitabständen etwas ändert, zum Beispiel Antibiotika, oder einschleichend verschriebene Medikamente, deren Dosierung zunächst unter Beobachtung angepasst werden muss, zum Beispiel Antikoagulanzien. Diese können nur integriert werden, wenn eine entsprechend kurzfristige Änderung des Blisterinhalts möglich ist.
Flüssige Oralia wie Säfte und Tropfen sowie andere Arzneiformen wie Zäpfchen lassen sich mit Einschränkungen in Becher-Blistersystemen neu verpacken.
Ist die Entscheidung zugunsten des Verblisterns gefallen, so ist dies qualitätsgesichert umzusetzen. Im rechtlichen Sinn ist eine patientenindividuelle Neuverpackung von Arzneimitteln als Rezeptur anzusehen. Entsprechende Maßnahmen zur Qualitätssicherung sind in der BAK-Leitlinie »Patientenindividuelle manuelle Neuverpackung von Fertigarzneimitteln für bestimmte Einnahmezeitpunkte« zusammengefasst. Detaillierte Hinweise findet man auch im entsprechenden Aide-Mémoire der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG). Informationsquellen zur Stabilität sind neben allgemeiner Fachliteratur und Herstellerangaben auch Veröffentlichungen des National Health Service.
Eine Verblisterung scheidet aus bei:
Auch mögliche Inkompatibilitäten der in einer Einheit zusammengeführten Arzneimittel gilt es zu erkennen. Sofern die Literaturdaten und Angaben des pharmazeutischen Unternehmers für eine Beurteilung zur Verblisterungsfähigkeit ausreichen, sind keine eigenen experimentellen Untersuchungen nötig und zu dokumentieren, sondern die Angaben mit pharmazeutischem Sachverstand zu bewerten. Eine Verwendbarkeitsfrist von einer Woche lässt sich für zahlreiche Arzneimittel begründen und reicht meist aus. Eine realistische Obergrenze liegt bei vier Wochen, sofern geeignete Daten als Rationale vorliegen. Erlauben die verfügbaren Daten keine adäquate Risikoanalyse, ist ohne eigene Untersuchungen von einer Verblisterung abzusehen. Das Ergebnis der Risikoanalyse ist zu dokumentieren.
Die Entnahme der Arzneimittel aus dem Originalpackmittel ist ein kritischer Schritt, da danach eine eindeutige Identifizierung eventuell schwer oder nicht mehr möglich ist. Daher müssen eine Kreuzkontamination sowie Untermischung oder Verwechslung durch organisatorische Maßnahmen wirksam verhindert werden. Alle notwendigen Schritte sind, da es sich um eine Rezeptur handelt, in einer schriftlichen Herstellanweisung festzuhalten. Die Herstellung ist zu dokumentieren und die patientenindividuell neu verpackten Fertigarzneimittel sind nach erfolgter visueller Prüfung freizugeben. Die Verantwortung für eine ausreichende Qualität liegt vollumfänglich bei der Apotheke.
Rolf Daniels studierte Pharmazie in Regensburg und wurde 1985 im Fach Pharmazeutische Technologie promoviert. Zunächst als Laborleiter in der pharmazeutischen Industrie tätig, arbeitete er ab 1987 als Akademischer Rat am Institut für Pharmazie der Universität Regensburg. Nach der Habilitation für das Fach Pharmazeutische Technologie (1994) war Daniels Universitätsprofessor (C3) am Institut für Pharmazeutische Technologie der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig. Seit 2005 leitet er den Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie an der Universität Tübingen.