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Schluckbeschwerden

Tablettenteilen ist meist keine Option

Viele Patienten teilen ihre Tabletten, um sie besser schlucken zu können. Aus pharmazeutisch-technologischer Sicht ist das ein No-Go. »Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, muss das Teilen von Tabletten verhindert werden«, mahnte Professor Dr. Rolf Daniels von der Uni Tübingen beim Pharmacon Meran.
Brigitte M. Gensthaler
24.05.2022  13:00 Uhr

Feste Peroralia sind in der Regel einfach anzuwenden. Nicht so für Patienten mit Schluckstörungen. »Dysphagie ist ein typisches Thema in der Geriatrie, denn 45 Prozent der 75-Jährigen haben Probleme mit dem Schlucken«, informierte der pharmazeutische Technologe. Entscheidend für die Schluckbarkeit seien Größe, Form und Farbe der Tablette und diese Kenngrößen seien beim Austausch von Arzneimitteln gemäß Rabattverträgen zu beachten. Oblongtabletten rutschen leichter als ovale und diese leichter als runde Tabletten. Überzogene Tabletten oder Kapseln sind leichter zu schlucken als solche mit rauer Oberfläche. Auch die Farbe spielt eine Rolle, wobei es in Untersuchungen keine »optimale Farbe« gab.

Patienten sind kreativ, um sich die Einnahme zu erleichtern. Viele nutzen Lebensmittel wie Apfelmus, Joghurt, Marmelade, Kartoffelbrei und Honig – keine Option bei Nüchterneinnahme. Inerte Schluckhilfen seien kommerziell erhältliche Überzugsmittel (Beispiele: Medcoat®, Gloup®) oder Hydrogele aus der Apothekenrezeptur, sagte Daniels. Als Hausmittel gegen trockenen Mund könne man Spülen mit Wasser, Kauen von gefrorenen Ananasstücken oder Kräutern wie Kamille, Salbei und Pfefferminze oder aber Medizinprodukte wie Sprays, Feuchtigkeitsgele und viskose Spüllösungen empfehlen.

Eindringlich warnte der Technologe vor »Tabletten-Massakern« beim unkontrollierten Teilen: »Zwischen Unwirksamkeit und tödlichem Ausgang ist alles möglich.« Magensaftresistent überzogene PPI-Tabletten würden geteilt unwirksam, während die plötzliche Freisetzung retardierter Opioide lebensgefährlich sei. Allerdings gebe es auch Retardtabletten, die geteilt werden dürfen und suspendierbar sind. Diese basierten auf Retardgranulaten oder -pellets, berichtete Daniels. »Da dies für Laien und Pflegekräfte nicht nachvollziehbar ist, sollten Apotheker restriktiv beraten zum Teilen und Mörsern: Tablettenteilen ist blöd.«

Lösungen und Suspensionen kommen infrage, wenn der Patient diese schlucken kann. Orodispersible Formen sind Schmelztabletten und Lyophilisate, die allerdings fragil und daher schwer zu handhaben sind. Als »finale Escape-Strategie« biete sich die Apothekenrezeptur an. In Einzelfällen sind Depotarzneiformen zur Injektion, zum Beispiel bei Antipsychotika, eine Option. Allerdings könne man diese Therapie nicht abbrechen oder modifizieren, wenn unerwünschte Arzneimittelwirkungen auftreten.

Als beste Maßnahme zur Verbesserung der Adhärenz nannte der Apotheker das empathische Gespräch. »Das Einverständnis des Patienten für seine Medikation bekommen Sie nur durch Reden.«

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