Was bei Inhalativa zu beachten ist |
28.05.2018 14:16 Uhr |
Von Rolf Daniels, Tübingen / Die Pharmakotherapie von Asthma bronchiale und COPD erfolgt überwiegend mit Dosieraerosolen und Pulverinhalatoren sowie seltener mit Soft Inhalern. Ein Präparateaustausch ist auch bei Inhalativa aufgrund von Aut-idem-Regelung und Rabattverträgen in der Apothekenpraxis etwas Alltägliches. Doch wann ist ein Austausch möglich und wo lauern Probleme?
Dass ein Austausch von Inhalativa therapeutische Risiken bergen kann, ist allgemeiner Konsens und spiegelt sich auch in der DPhG-Leitlinie zur Guten Substitutionspraxis wieder, die die Inhalativa der Gruppe der kritischen Darreichungsformen zuordnet. Kein Wunder, denn der therapeutische Effekt erfordert ein komplexes Wechselspiel zwischen Formulierung, Applikationssystem (Device) und Patient. Nur wenn ein Patient den passenden Wirkstoff in einem für ihn gegeigten Applikationssystem erhält, ist der therapeutische Nutzen wahrscheinlich.
Die Vielfalt an Inhalatoren ist groß und eine Substitution nur in wenigen Fällen problemlos möglich.
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Dennoch konnte sich der Gemeinsame Bundesausschuss (gBA) bisher nicht dazu durchringen, Inhalativa in die Substitutionsausschlussliste aufzunehmen. So bleibt zum Wohl des Patienten – falls der Arzt das »Aut-idem Kreuz« nicht setzt – letztlich nichts anderes übrig, als in der Apotheke in einer individuellen Risikoabschätzung zu entscheiden, ob dem Austausch durch ein wirkstoffgleiches Präparat pharmazeutische Bedenken entgegenstehen. Um dies zu entscheiden, muss der Apotheker vor allem Unterschiede in der Funktionalität und Handhabung sowie patientenindividuelle Aspekte im Blick haben.
Grundregeln der generischen Substitution
Im Rahmen der gültigen Aut-idem- Regelungen ist bei der Abgabe das verordnete Arzneimittel durch ein preisgünstiges oder in einem Rabattvertrag mit der Krankenkasse ausgehandeltes Präparat zu substituieren, das
Unter diesen Voraussetzungen ist eine Substitution bei Inhalativa offensichtlich nur innerhalb einer bestimmten Kategorie (Dosieraerosol, Pulverinhalator, Soft Inhaler) möglich. Aber auch der Austausch innerhalb einer Kategorie ist wesentlich kritischer zu hinterfragen als eine Substitution peroraler Darreichungsformen. Dies liegt daran, dass eine Bioäquivalenz zwischen zwei wirkstoffgleichen Inhalativa im klassischen Sinne nicht ermittelt werden kann.
Was ist eine Hybridzulassung?
Ob das klappen wird? Hoffentlich ist die Patientin gut geschult.
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Eine Zulassung erfolgt hier nicht über das »normale« generische Zulassungsverfahren, sondern über den Nachweis der therapeutischen Äquivalenz in einer sogenannten Hybridzulassung. Dieser liegt eine ganzheitliche Bewertung von Arzneiformulierung und zugehörigem Device zugrunde.
Dabei ist eine bezugnehmende Zulassung wirkstoffgleicher Präparate möglich, auch wenn diese die formalen Voraussetzungen für generische Arzneimittel (gleicher Wirkstoff, dieselbe Dosis, vergleichbare Darreichungsform und Nachweis der Bioäquivalenz) nicht erfüllen. Denn angesichts der deutlich unterschiedlichen Applikationssysteme ist die Anforderung bezüglich Gleichheit der Darreichungsform insbesondere bei Pulverinhalatoren praktisch nie gegeben. Alternativ kann bei Inhalativa in einem konsekutiven Entscheidungsprozess auf drei Stufen nachgewiesen werden, dass zwischen Test- und Referenzprodukt (Originator) therapeutische Äquivalenz besteht. Erforderlich sind entweder
Der In-vitro-Äquivalenznachweis setzt in Bezug zum Referenzprodukt eine Vergleichbarkeit hinsichtlich Darreichungsform, aerodynamischem Verhalten, abgegebener Dosis (± 15 Prozent), des zur Abgabe der notwendigen Wirkstoffmenge durch das Device inhalierten Atemvolumens, des Atemstromwiderstands (± 15 Prozent) und der Handhabung voraus. Angesichts der meist deutlich unterschiedlichen Applikationssysteme ist die Anforderung bezüglich Gleichheit der Darreichungsform und Handhabung bei den Pulverinhalatoren nur sehr selten gegeben.
Daher erfolgt der Äquivalenznachweis sehr häufig auf der Basis einer vergleichbaren systemischen Pharmakokinetik, das heißt, es werden die durch den inhalierten Wirkstoffanteil erzeugten Blutspiegelkurven anhand der AUC- und Cmax-Werte verglichen. Da aber ein Teil der applizierten Dosis durch Impaktion bereits im Mund- und Rachenraum abgeschieden und nach dem Verschlucken über den Gastrointestinaltrakt resorbiert wird, erfordern diese Studien eine Trennung des gastrointestinal und des pulmonal resorbierten Wirkstoffanteils. Hierzu gibt es eine Reihe experimenteller Tricks. So kann zum Beispiel gleichzeitig mit der Inhalation peroral Aktivkohle appliziert werden, um den verschluckten Wirkstoffanteil zu adsorbieren und an der Resorption zu hindern.
Hinsichtlich der möglichen Vorgehensweisen, die unmittelbar mit den pharmakokinetischen Eigenschaften des Wirkstoffs verknüpft sind, geben Leitlinien Auskunft. Eine direkte Aussage darüber, wo genau der Wirkstoff in der Lunge resorbiert wird, ist allerdings bei dieser Art des Äquivalenznachweises nicht möglich.
Wer das kann, kann in der Regel auch ein Dosieraerosol auslösen
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Die Schulung bringt's
Viel stärker wiegt aber, dass alle diese Zulassungsstudien mit Probanden beziehungsweise Patienten durchgeführt werden, die hinsichtlich der korrekten Anwendung intensiv geschult und engmaschig überwacht werden. Somit können Anwendungsfehler zu nahezu 100 Prozent ausgeschlossen werden.
Die therapeutische Praxis sieht dagegen ganz anders aus: Bei der Auswertung zahlreicher Studien machen 30 Prozent der Anwender substanzielle Fehler. Bei konsequenter pharmazeutischer Betreuung wie beispielsweise in der VITA-Studie kann die Fehlerrate deutlich gesenkt werden: ein riesiger Erfolg der involvierten Apotheker. Dennoch ist selbst dabei keine komplett fehlerfreie Anwendung bei allen Patienten erreichbar. Ein wiederholter Präparatewechsel zwingt alle Beteiligten, immer wieder von vorne zu beginnen.
Selbst wenn der für die Schulenden damit verbundene Aufwand flächendeckend zu leisten wäre, überfordert das Umlernen in aller Regel den Patienten. Dieser muss seinen Inhalator/seine Inhalatoren ja auch in akuten Stresssituationen ohne zu überlegen korrekt handhaben können.
Es gilt also rechtzeitig zu erkennen, wann ein Präparatewechsel die Therapiesicherheit des individuellen Patienten gefährdet. Abhängig von der Inhalatorkategorie ergeben sich typische Herausforderungen, wenn ein konkretes Präparat gemäß Aut-idem-Regelung substituiert werden soll.
Bezeichnung | Material | Verwendung von Tensid | Nachspülen mit Wasser | Spül- maschine |
---|---|---|---|---|
A2A Spacer Box | Polycarbonat | ja | nein | nein |
AeroChamber | leitfähiges Polymer | ja | ja | ja |
Babyhaler | Polycarbonat | ja | ja | nein |
Fisonair | Polycarbonat | nein | - | nein |
Inhalierhilfe Ratiopharm | Polypropylen | ja | ja | ja |
Jetspacer | Polypropylen | nein | - | nein |
Optichamber | Polycarbonat | ja | ja | nein |
RC Compact Space | Polycarbonat | nein | - | nein |
Volumatic | Polycarbonat | ja | nein | ja |
Vortex | Polycarbonat und Aluminium | ja | ja | ja |
Dosieraerosole
Dosieraerosole spielen insbesondere für die Akutmedikation eine bedeutende Rolle. Ein Austausch bei Dosieraerosolen ist als vergleichsweise unkritisch einzustufen, da die Systeme sehr ähnlich funktionieren.
Der erforderliche Kraftaufwand zum Auslösen der Dosieraerosole variiert zwischen 24 und 38 N und entspricht etwa der Kraft, die zum Lochen von unterschiedlich dickem Papier benötigt wird. Sind also ältere sowie muskel- oder gelenkerkrankte Patienten nicht mehr in der Lage, diese Alltagstätigkeit auszuüben, so muss man davon ausgehen, dass sie auch nicht mehr zur korrekten Applikation ihres Dosieraerosols fähig sind.
Das ideale Atemmanöver bei der Verwendung eines Dosieraerosols zeichnet sich durch einen ruhigen und tiefen Atemzug (Erwachsene 4 bis 5 s; Kinder 2 bis 3 s; bei einer Flussrate von etwa 30 l/min) aus. Besondere Anforderungen an den inspiratorischen Fluss werden nicht gestellt, da Freisetzung, Dosisabgabe und Partikelgrößenverteilung davon unabhängig sind.
Allerdings ergeben sich gravierende Einschränkungen, wenn Patienten ihre Atmung mit der Generierung des Aerosols nicht ausreichend koordinieren können. Abhilfe kann in diesen Fällen entweder die Verwendung einer Inhalierhilfe (Spacer) oder von atemzuginduzierten Abgabesystemen wie Autohaler® oder Easi-Breathe® schaffen. Eine Substitution Letzterer durch einfache Dosieraerosole verbietet sich offensichtlich und führt konsequenterweise sehr häufig zu pharmazeutischen Bedenken.
Bei Patienten, die einen Spacer verwenden, muss der Apotheker darauf achten, dass das Mundstück des Dosieraerosols, das unterschiedlich geformt sein kann, in die Öffnung des Spacers passt. Außerdem unterscheiden sich die Herstellerangaben zur Reinigung der Spacer (Tabelle 1), die aus hygienischen Gründen mindestens einmal wöchentlich erfolgen sollte. Dabei ist unbedingt zu beachten, ob das Spülen mit oder ohne Tensidzusatz (Geschirrspülmittel) erfolgen soll, ob ein Nachspülen mit reinem Wasser notwendig oder sogar eine Reinigung in der Spülmaschine erlaubt ist. Hält man sich nicht an die Vorgaben des Herstellers, riskiert man inakzeptable Wirkstoffverluste aufgrund einer elektrostatischen Aufladung der Inhalierhilfen.
Wirkstoffbehältnis | Handelsname (Beispiele) |
---|---|
Mehrdosenreservoir im Inhalator (Standardterm: Pulver zur Inhalation) | Easyhaler, Genuair, Nexthaler, Novolizer, Spiromax, Turbohaler, Twisthaler |
Einzeldosis in Hartkapseln (Standardterm: Hartkapsel mit Pulver zur Inhalation) | Aerolizer, Breezhaler, Cyclohaler, Handihaler, Zondahaler |
Einzeldosis im Blister (Standardterm: Einzeldosiertes Pulver zur Inhalation) | Diskus, Ellipta, Elpenhaler, Forspiro |
Kein Austausch beim Respimat®
Der Respimat® Soft Inhaler ist mit verschiedenen Wirkstoffen im Handel: mit dem Anticholinergikum Tiotropiumbromid in Spiriva®, mit Ipatropiumbromid plus Fenoterol in Berodual®, mit Olodaterol in Striverdi® und Tiotropiumbromid plus Olodaterol in Spiolto®. Der Respimat stellt eine eigene Inhalatorenklasse dar, sodass ein Aut-idem-Austausch nicht zur Diskussion steht.
Durch das besondere Prinzip der Aerosolerzeugung (Vernebler mit kollidierenden Tröpfchen) wird aus einer mit Benzalkoniumchlorid konservierten wässrigen Lösung ein sehr feiner Wirkstoffnebel (mittlere Tröpfchengröße 3,7 µm) über einen langen Zeitraum von etwa 1,5 s erzeugt, sodass die Koordination für die allermeisten Patienten unproblematisch ist. Ebenso werden – analog zu den Dosieraerosolen – keine besonderen Anforderungen an die Atemmechanik gestellt: also ein sehr patientenfreundliches Abgabesystem.
Schwierigkeiten bei der Anwendung und damit Grund für mögliche pharmazeutische Bedenken ist die bei der Handhabung erforderliche Griffkraft. So erfordert das Einschieben der wirkstoffgefüllten Patrone einen sehr hohen, wenngleich auch nur kurzzeitigen Kraftbetrag von bis zu 80 N – das ist etwas mehr Kraft als notwendig ist, um einen Fußball in Wasser komplett unterzutauchen. Schafft ein Patient dies nicht mehr, so kann das Apothekenteam leicht helfen, indem es die Patrone für den Patienten einsetzt und am besten das Gerät gleich primt, das heißt durch mehrmaliges Betätigen ohne zu inhalieren einsatzbereit macht.
Bei jeder weiteren Applikation ist das Spannen einer Feder erforderlich, die die mechanische Energie zum Versprühen bereitstellt. Hierfür ist ein relativ geringes Drehmoment von etwa 30 Ncm notwendig (etwa die Hälfte dessen, was zum Öffnen einer Getränkeflasche erforderlich ist). Lediglich bei älteren Patienten mit zusätzlichen Einschränkungen, zum Beispiel durch eine rheumatoide Arthritis, könnte dies eine Einschränkung bedeuten.
Charakteristik | Novolizer® | Easyhaler® | Turbohaler® |
---|---|---|---|
Inhalator wiederbefüllbar | ja | nein | nein |
Schütteln vor der Anwendung | nein | ja | nein |
Schutzkappe | abnehmen vom Mundstück | abnehmen vom Mundstück | abschrauben |
Laden | Druck auf Taste | zusammendrücken | Drehen des Dosierrades |
versehentliche Überdosierung möglich | nein | ja | nein |
Feedback bei richtiger Inhalation | Klickgeräusch | nein | nein |
Inhalationswiderstand (kPa0,5 L/min) | 0,028 | 0,043 | 0,035 |
inspiratorischer Fluss (L/min) | 71 | 56 | 64 |
Kritischer Blick auf Pulverinhalatoren
Pulverinhalatoren sind die am zweithäufigsten verordnete Gruppe von Inhalativa, die sich grob in die beiden großen Gruppen der Einzel- und Mehrdosensysteme unterteilen lässt (Tabelle 2). Derzeit sind 16 Devices am Markt erhältlich. Die Vielfalt ermöglicht in der Regel auch Patienten, die Schwierigkeiten im Umgang mit einem bestimmten System haben, durch gezielten Wechsel auf ein anderes System eine adäquate Therapie.
Eine ausreichende Wirkstoffdeposition im Bronchialsystem setzt allerdings in jedem Fall die korrekte Anwendung des Inhalators voraus. Der Austausch eines Pulverinhalators ist grundsätzlich zunächst einmal extrem kritisch zu bewerten, da sich die verschiedenen Systeme zum Teil erheblich in ihrer Anwendung unterscheiden. Tabelle 3 zeigt dies am Beispiel der Budesonid-Inhalatoren. Nicht umsonst weist die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Asthma auf die erforderliche intensive Schulung zu Therapiebeginn und regelmäßige Monitoring-Termine während der Dauertherapie (mindestens einmal jährlich) hin. Erfreulicherweise erwähnt die NVL ausdrücklich die wichtige Rolle der Apotheker und bindet sie offiziell in die Schulung ein.
Erfordern die Aut-idem-Regelungen nun einen Präparatewechsel, so ist eine intensive neue Patientenschulung notwendig. Trotzdem ist das Risiko für Anwendungsfehler signifikant erhöht, da sich die einmal (hoffentlich intensiv) erlernten Verhaltensmuster für die Bedienung des »alten« Devices nur selten von heute auf morgen ablegen lassen. Das Erlernen der neuen Routine benötigt am besten eine ständige Kontrolle und wird sich dennoch meist nur schwer und langsam, wenn überhaupt korrekt, entwickeln. Sie sollte aber eigentlich von Anfang an und sogar in Stresssituation fehlerfrei oder zumindest fehlerarm abrufbar sein.
Mitunter fallen die Unterschiede kleiner aus, wie das Beispiel der drei Pulverinhalatoren mit der Wirkstoffkombination Fluticason/Salmeterol zeigt (Tabelle 4). Dann ist zu prüfen, wie gut ein Patient mit dem neuen System zurechtkommt. Vorteile ergeben sich, falls ihm die Anwendung des bisherigen Inhalators gewisse Probleme bereitete. So erfordert zum Beispiel der Rolenium® Elpenhaler beim Einlegen der Einzelblister eine ausreichende Feinmotorik und ein gewisses Sehvermögen, um die feinen Strukturen erkennen zu können, in die der Blister eingelegt werden muss. Der Wechsel auf eines der beiden anderen Systeme, die Blisterstreifen nutzen und kein separates Einlegen erfordern, könnte dann vorteilhaft sein.
Einem Austausch steht kaum etwas entgegen, wenn wie bei den beiden Pulverinhalatoren mit dem Wirkstoff Tiotropiumbromid (Spiriva® Handihaler und Braltus® Zondahaler) nur marginale Unterschiede bestehen. Die Differenzen beschränken sich auf die Art der Kapsel (Hypromellose transparent versus Gelatine opak eingefärbt) sowie kleine Unterschiede in der zu deren Durchstechen erforderlichen Griffkraft. Ansonsten bestehen – auch hinsichtlich der Aerodynamik – keine substanziellen Unterschiede. Die Substitution ist also möglich.
Grafik 1: Erforderlicher inspiratorischer Atemfluss für die Anwendung unterschiedlicher Inhalativa; nach Haidl et al., 2016
Grafik: Stephan Spitzer
Auf die Atemleistung kommt es an
Abgesehen von der teilweise komplexen Handhabung der Pulverinhalatoren setzt deren Verwendung unbedingt ein adäquates Atemmanöver voraus. Dabei stellt die Koordination zwischen Atmung und Aerosolerzeugung ein geringes Problem dar, da beide systembedingt miteinander gekoppelt sind.
Dagegen ist die vom Patienten aufzubringende Atemleistung unmittelbar am therapeutischen Erfolg beteiligt. Ursache hierfür ist, dass in Pulverinhalatoren die Wirkstoffe aus galenischen Gründen in agglomerierter Form vorliegen und der Patient den Wirkstoff mit seinem Einatemstrom desagglomerieren, freisetzen und an den Wirkort transportieren muss.
Wichtig ist vor allem, dass der inspiratorische Fluss zu Beginn der Inhalation rasch ansteigt und damit sofort genügend feine Wirkstoffpartikel aus dem agglomerierten Pulver freigesetzt werden. Steigt der inspiratorische Fluss am Anfang dagegen nur langsam an, ist die Desagglomeration unvollständig und die erzeugte Feinpartikelfraktion (1 bis 5 µm) zu gering. Darüber hinaus setzt deren Freisetzung verzögert ein, sodass das verbleibende Atemvolumen nicht mehr ausreicht, sie an den Wirkort zu transportieren.
Ein einfaches Hilfsmittel, um einen ersten Eindruck von der Atemmechanik eines Patienten zu bekommen, bieten Schulungsmaterialien, die einige Hersteller zur Verfügung stellen, wie den Turbotrainer. Noch informativer ist die Verwendung von sogenannten In-Check-DIALs, die vom Fachhandel in verschiedenen Versionen angeboten werden. Mit diesen Geräten kann der Atemstromwiderstand für eine gewisse Anzahl unterschiedlicher Inhalatortypen simuliert werden. Der Patient atmet durch das Messgerät ein, und der für den eingestellten Inhalator maximal erzielte inspiratorische Fluss kann abgelesen werden. Anhand dieses Messwerts kann der Apotheker sehr sicher entscheiden, ob der für ein bestimmtes Device erforderliche Atemfluss überhaupt erreicht wird.
Die verschiedenen Devices nutzen unterschiedliche Verfahren und haben vielgestaltige Geometrien der Luftkanäle, um die Desagglomeration zu unterstützen. Daraus wiederum resultieren verschiedene Mindestflussraten zur Erzeugung eines ausreichend feinen Aerosols (Grafik 1). Es ist aber nicht grundsätzlich als günstiger zu bewerten, wenn der Patient einen möglichst hohen Atemfluss erzielt, da hierdurch auch der Wirkstoffanteil, der in den oberen Atemwegen durch Impaktion abgeschieden wird, ansteigt.
Charakteristik | Viani® Diskus | Rolenium® Elpenhaler | Airflusal® Forspiro |
---|---|---|---|
Farbmarkierung | violett | bronzefarben | violett |
einzeln dosiert | ja, aus Blisterstreifen, keine separate Einlage notwendig | ja, aus Blisterstreifen, separate Einlage für jede Anwendung notwendig | ja, aus Blisterstreifen, keine separate Einlage notwendig |
Inhalator wiederbefüllbar | nein | keine Nachfüllpackung ohne Inhalator erhältlich | nein |
Zählwerk | 1er-Schritte | 20er-Schritte, letzte 50 sind 10er | 1er-Schritte |
Erfolgskontrolle | keine | optisch (leerer Blister) | optisch (leere Blisterstreifen werden verzögert ausgeworfen) |
Haltung beim Laden | waagrecht | senkrecht | senkrecht oder leicht geneigt |
Haltung beim Inhalieren | waagrecht | waagrecht | waagrecht oder leicht geneigt |
Inhalationswiderstand (kPa0.5 L/min) | 0,027 | 0,029 | 0,026 |
inspiratorischer Fluss (L/min) | 75 | 68 | 78 |
Die erzielbare Höhe des Atemflusses hängt unmittelbar vom gerätespezifischen Widerstand ab. Je höher dieser ist, umso geringer wird die inspiratorische Flussrate sein. Bei einem Vergleich zeigt sich häufig, dass Devices mit hohem Widerstand (< 50 l/min bei 4 kPa Druckabfall) effizienter desagglomerien als solche mit niedrigem Widerstand (> 90 l/min bei 4 kPa Druck- abfall).
Zusätzlich zeigen Untersuchungen, dass der erzielte inspiratorische Fluss bei Devices mit hohem Atemwiderstand (Easyhaler, Handihaler, Zondahaler) weniger stark von der individuellen Atemmechanik des Patienten beeinflusst wird als bei einem Inhalator mit niedrigem Widerstand (Cyclohaler, Breezhaler, Accuhaler, Diskhaler, Ellipta). Dadurch hängt bei Inhalatoren mit hohem Widerstand die Desagglomeration und Freisetzung des lungengängigen Wirkstoffanteils weniger von den individuellen Fähigkeiten des Patienten ab, und die inhalierte Dosis zeigt geringere inter- und intraindividuelle Schwankungen.
Letztlich gilt es, den vom Patienten in Abhängigkeit von seinem Krankheitszustand erbringbaren inspiratorischen Fluss mit den Anforderungen des verordneten Device abzustimmen. Dabei kann sich – insbesondere bei Kindern und Senioren – je nach Schweregrad der Erkrankung ergeben, dass ein kritischer Mindestwert nicht mehr erreicht wird. Für das in Grafik 2 gewählte Beispiel bedeutet dies, dass ein normales Dosieraerosol und der Diskus immer geeignet sind, während der Autohaler bei einer stark ausgeprägten COPD nicht mehr auslöst, was der Patient aber im Prinzip problemlos selbst erkennen kann. Ein Turbohaler ist nur bei einem geringen COPD-Schweregrad noch geeignet. Dies kann mit der vom Hersteller angebotenen Schulungshilfe (Turbotrainer), die bei ausreichendem Atemfluss einen Ton abgibt, leicht überprüft werden.
Wie hoch ist die Griffkraft?
Das Thema Griffkraft spielt vor allem bei den kapselbasierten Pulverinhalatoren eine entscheidende Rolle. Vor der Inhalation muss die Kapsel, die als Primärpackmittel für das zu inhalierende Pulver dient, zunächst perforiert werden. In der technischen Realisierung unterscheiden sich die Devices zum Teil sehr deutlich. Entsprechend unterschiedlich fällt auch der Kraftaufwand aus, der für eine vollständige Perforation notwendig ist (Tabelle 5). So reicht es bei den Geräten, die eine Griffkraft von nur etwa 10 N benötigen, wenn der Patient Nudeln mit einer Spaghettizange halten kann, während 30 N bedeuten, dass der Patient einen Papierlocher noch korrekt bedienen können muss.
Bei eingeschränkter Griffkraft kann die adäquate Bedienung eines bestimmten Devices scheitern. Ein Unterschreiten der erforderlichen Perforationskraft um nur 10 Prozent (etwa 2 N) kann die abgegebene Pulvermenge um mehr als 60 Prozent reduzieren. Auch ein wiederholtes Inhalieren mit derselben Kapsel führt in solchen Fällen nicht zur vollständigen Entleerung, da die Kapsel nicht ausreichend geöffnet ist. Wenn die Kraft fehlt, kann der Patient das therapeutische Ziel also definitiv nicht erreichen.
Bei der Schulung müssen Apotheker und Patient daher auf jeden Fall kontrollieren, ob die gepiercte Kapsel auch tatsächlich die für den jeweiligen Inhalatortyp charakteristische Lochung aufweist. Außerdem sollten die Patienten angehalten werden, dies bei der Anwendung regelmäßig zu kontrollieren, was natürlich ein ausreichendes Sehvermögen voraussetzt.
Device | Anzahl der Drucktasten | Anzahl der Dornen je Taste | Form der Dornspitze | Erforderliche Kraft (N) |
---|---|---|---|---|
Aerolizer | 2 | 4 | kegelförmig | 22,5 |
Breezhaler | 2 | 1 | lanzettenförmig | 10,5 |
Cyclohaler | 2 | 4 | kegelförmig | 25,1 |
Formoterol Aristo/AL/Sandoz/ Stada Inhalator | 2 | 1 | lanzettenförmig | 10,8 |
Formolich Pulverinhalator | 2 | 4 | kegelförmig | 25,9 |
Formoterol CT/ratiopharm Inhalator | 2 | 4 | kegelförmig | 29,3 |
Handihaler | 1 | 2 | lanzettenförmig | 21,0 |
Podhaler | 1 | 2 | lanzettenförmig | 27,6 |
Zondahaler | 1 | 2 | lanzettenförmig | 18,5 |
Farbenspiel: Blau für die Akuttherapie
Ein letztes im weitesten Sinne pharmazeutisch-technologisches Thema bei der Substitution ist die Farbgebung der Inhalatoren. Wenn man sich die breite Palette an verfügbaren Produkten anschaut, könnte man auf den ersten Blick den Eindruck gewinnen, dass die Farbgestaltung ausschließlich Marketingzwecken dient.
Dies trifft aber nicht zu, sondern es besteht eigentlich (weltweit) eine Konvention: Bei kurz wirksamen Beta-2-Sympathomimetika für die Bedarfstherapie sind Teile des Devices blau gekennzeichnet. Dies zu wissen, ist für den Patienten und seine Angehörigen wichtig, um im akuten Anfall zum richtigen Präparat zu greifen. Der blaue Pulverinhalalator oder das blaue »Asthmaspray« sind immer griffbereit zu halten – und nicht, wie man laienhaft meinen könnte, die Präparate in der typischen Notfall- oder Alarmfarbe Rot. Die Einhaltung und Kenntnis dieser Konvention kann im Extremfall über Leben und Tod entscheiden.
Für diesen Griff braucht man etwa 10 N Kraft.
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In der Langzeittherapie geht es inzwischen relativ bunt zu. Konventionell sind die dafür eingesetzten inhalativen Glucocorticoide rot, die lang wirkenden Beta-2-Sympathomimetika grün und die Kombinationen violett markiert. Leider halten sich Hersteller nicht immer an die empfohlene Farbgebung. So ist beispielsweise der Rolenium® Elpenhaler mit den Wirkstoffen Fluticason und Salmeterol bronzefarben. Viani® Diskus und Airflusal® Forspiro sind der Konvention folgend violett. Symbicort® ist mit einem roten Dosierrad ausgestattet, enthält aber eine Arzneistoffkombination aus Budesonid und Formoterol. Die wirkstoffgleiche Kombination Duoresp® Spiromax ist weinrot und der Pulmelia® Elpenhaler silbern.
Im Notfall ist Blau die wichtigste Farbe: Der blaue Asthmaspray enthält das sofort wirksame Beta-2-Mimetikum.
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Neben diesen offensichtlichen Abweichungen von der Konvention finden sich auch noch braun, orange und türkis oder sogar zweifarbig gekennzeichnete Produkte. Dabei steckt das Marketing oder der Wunsch, eine Zusatzinformation mit der Farbgebung zu transportieren, hinter der Entscheidung der pharmazeutischen Unternehmer. Es lohnt sich also auf alle Fälle, bei einem Präparatewechsel auch auf die farbliche Gestaltung des Devices zu achten und dies gegebenenfalls bei der Abgabeberatung anzusprechen. /
Literatur
Rolf Daniels studierte Pharmazie in Regensburg und wurde 1985 promoviert. Zunächst als Laborleiter in einer Pharmafirma und dann als Akademischer Rat am Institut für Pharmazie der Universität Regensburg tätig, habilitierte sich Daniels 1994 und erhielt die Lehrbefugnis für das Fach Pharmazeutische Technologie. Zehn Jahre war er als Professor für Pharmazeutische Technologie an der TU Braunschweig tätig, bevor er 2005 als W3-Professor an die Universität Tübingen wechselte. Seine Hauptforschungsgebiete umfassen die Formulierung und Charakterisierung von Dermatika und hier insbesondere von polymer- oder feststoffstabilisierten Emulsionen, Lipiddispersionen und Schaumformulierungen sowie von lipidbasierten oralen Darreichungsformen.
Professor Dr. Rolf Daniels, Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie
Pharmazeutisches Institut, Eberhard Karls Universität Tübingen
Auf der Morgenstelle 8
72076 Tübingen
E-Mail: rolf.daniels@uni-tuebingen.de