Taktgeber für den Stoffwechsel |
Levothyroxin ist ein Medikament mit einem engen therapeutischen Index. Der Wirkstoff ist von der Aut-idem-Substitutionspflicht ausgeschlossen. Diese Regelung ist sinnvoll, wie eine aktuelle Stellungnahme der European Thyroid Association (ETA) und der Thyroid Federation International (TFI) zeigt. Die Fachgesellschaften haben beobachtet, dass beim Wechsel auf das Präparat eines anderen Herstellers, aber auch bei Änderungen der Levothyroxin-Formulierung gesundheitliche Probleme entstehen.
Die ETA und TFI stützen sich dabei auf Daten aus den Niederlanden, Frankreich und Dänemark. Diese zeigen, dass Patienten regelmäßig Nebenwirkungen erleiden, die zum Teil auf eine mangelnde Einstellung der Schilddrüsenfunktion zurückzuführen sind, wenn der Hersteller oder die Formulierung ihres Medikaments geändert wird. Die Probleme können selbst dann entstehen, wenn Pharmafirmen Bioäquivalenzstudien durchgeführt hatten. Umso wichtiger ist, dass die Hersteller über Formulierungsänderungen informieren.
Ist eine Umstellung unumgänglich, empfehlen die Experten, dass der behandelnde Arzt nach sechs Wochen mittels Blutuntersuchung überprüft, ob die Dosierung angepasst werden muss (17).
Allgemein gelten als empfohlene Dosis etwa 1,6 µg Levothyroxin/kg Körpergewicht pro Tag für eine Vollsubstitution. Maßstab für die individuelle Dosis sind die laborchemisch bestimmten Schilddrüsenwerte, hier in erster Linie das TSH. Dabei ist zu beachten, dass sich der TSH-Wert erst etwa sechs Wochen nach einer Dosisänderung wieder eingependelt hat. »Eine Verlaufskontrolle sollte daher auch erst nach mindestens sechs Wochen erfolgen«, sagt Möller.
Da die Hashimoto-Krankheit nicht heilbar ist, müssen Patienten lebenslang Levothyroxin substituieren (11, 13). Dabei ist zu beachten, dass sich Schilddrüsenhormone mit vielen anderen Medikamenten nicht vertragen (Tabelle 2). Dazu einige Beispiele.
Medikament | Wechselwirkung | Resultat, Kommentar |
---|---|---|
Sertralin, Chloroquin/Proguanil | vermindern die T4-Wirkung | TSH-Wert steigt an |
Barbiturate, Carbamazepin, Rifampicin, Phenytoin | erhöhen hepatische T4-Clearance | verringerte Plasmaspiegel von Levothyroxin |
hoch dosierte Salicylate, Clofibrat, Phenytoin, hohe Dosen von Furosemid | verdrängen T4 aus seiner Plasmaeiweißbindung | erhöhte Werte der freien Schilddrüsenhormone |
Estrogene (Kontrazeptiva, postmenopausale Hormonsubstitution) | Anstieg des Thyroxin-bindenden Globulins | erhöhter Bedarf an Schilddrüsenhormonen |
Colestyramin und Colestipol, Calcium-, Natrium- und Eisensalze, Aluminium-haltige Antazida | hemmen Resorption von T4 | mindestens vier Stunden Einnahmeabstand |
Propylthiouracil, Glucocorticoide, Betarezeptorenblocker | Konversionshemmung von T4 in T3 | engmaschige Überwachung der Schilddrüsenhormone notwendig |
Protease-Inhibitoren (Lopinavir, Ritonavir) | Verlust der Wirkung von Schilddrüsenhormonen möglich | regelmäßige Überwachung der Schilddrüsenfunktion notwendig |
Tyrosinkinase-Inhibitoren (z. B. Imatinib, Sunitinib, Sorafenib, Motesanib) | Wirksamkeit von T4 kann vermindert sein | Schilddrüsenfunktion kontrollieren, eventuell T4-Dosis anpassen |
sojareiche Ernährung | reduzierte intestinale T4-Aufnahme | ggf. Dosiserhöhung von T4 erforderlich |
Antidiabetika | T4 kann die blutzuckersenkende Wirkung reduzieren | Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrollieren und ggf. Dosierung der Antidiabetika erhöhen |
Cumarin-Derivate (Phenprocoumon, Warfarin) | können durch T4 aus ihrer Plasmaeiweißbindung verdrängt werden, Wirkung wird verstärkt | engmaschige Kontrolle der Blutgerinnung, ggf. Cumarin-Dosis senken |
Das häufig eingenommene Schmerzmittel Acetylsalicylsäure oder das Diuretikum Furosemid können in hoher Dosis die Wirkung von Levothyroxin verstärken. Den gegenteiligen Effekt haben Kationen, etwa Calcium-reiche Nahrung oder Nahrungsergänzungsmittel, Eisenpräparate oder Aluminium-haltige Antazida. Sie hemmen die Aufnahme von Levothyroxin und schwächen seine Wirkung ab. Verzichten müssen Patienten auf die Präparate deswegen aber nicht. Das Apothekenteam sollte sie darauf hinweisen, dass ein etwa vierstündiger Abstand zwischen den Einnahmen einzuhalten ist.
Auch bestimmte Antidepressiva wie Sertralin mindern die Wirkung der Schilddrüsenhormone. Lithium hemmt den Iodtransport innerhalb der Schilddrüse und beeinträchtigt dadurch auch die Freisetzung von fT4 und fT3. Bei Frauen, die Estrogene in Kontrazeptiva oder als postmenopausale Hormonsubstitution einnehmen, wird vermehrt Levothyroxin an Eiweiß gebunden: Der Bedarf an Schilddrüsenhormonen steigt an.
Wer Schilddrüsenhormone einnimmt, muss früh aufstehen: Mindestens eine halbe Stunde vor dem Frühstück sind die Tabletten zu schlucken. / Foto: Adobe Stock/M.studio
Betablocker oder Glucocorticoide wie Cortisol stören die Umwandlung von T4 in T3. Eine engmaschige Überwachung der Schilddrüsenhormone ist empfehlenswert.
Die Interaktionen können aber auch die Wirkung von anderen Medikamenten betreffen. So ist bei der Kombination mit Antidiabetika Vorsicht angeraten, denn deren Wirksamkeit kann durch Levothyroxin abnehmen. Patienten, die gleichzeitig Cumarine wie Phenprocoumon und Warfarin anwenden, können eine verstärkte Hemmung der Blutgerinnung feststellen. Sie müssen eventuell die Cumarin-Dosis senken. Der Grund dafür: Levothyroxin verdrängt die Cumarin-Derivate aus ihrer Plasmaeiweißbindung und verstärkt dadurch ihre Wirkung (19–21).
Da auch Lebensmittel die Aufnahme von Levothyroxin beeinflussen, sollte das Apothekenteam die Patienten daran erinnern, das Medikament mit Wasser nüchtern, also mindestens 30 Minuten vor einer Mahlzeit, einzunehmen. Empfehlenswert ist die Einnahme morgens früh oder abends vor dem Schlafengehen, da so der Abstand zu Mahlzeiten leichter eingehalten werden kann (12, 3). Wegen der langen Halbwertzeit von sieben Tagen spielt der Zeitpunkt für die Wirkung selbst keine wesentliche Rolle.