Stumme Erkrankung mit schweren Folgen |
Ein zirrhotischer Umbau der Leber ist eine häufige Erkrankung in Deutschland. Ein Zirrhose entwickelt sich aus einer Leberfibrose oder einer Fettlebererkrankung, die lange Zeit keine Beschwerden auslösen. / Foto: Getty Images/UserGI15994093
50 bis 70 Prozent aller Leberzirrhosen sind hauptsächlich oder begleitend alkoholtoxischen Ursprungs. Ein weiterer großer Stellenwert kommt den Virus-Hepatitiden zu. Auch zahlreiche andere Erkrankungen und die Hepatotoxizität von Arzneimitteln können, wenn auch viel seltener, Ursache einer Zirrhose sein. Dazu gehören stoffwechselbedingte Erkrankungen wie die Hämochromatose, Morbus Wilson (eine Störung des Kupferstoffwechsels), ein α-1-Antitrypsin-Mangel oder gefäßbedingte Stauungserkrankungen der Leber wie das Budd-Chiari-Syndrom.
Der Zirrhose gehen entweder eine Leberfibrose oder eine Fettleber voraus. Fettlebererkrankungen heißen nach neuer Nomenklatur »Steatotic Liver Disease« (SLD). Fibrose und SLD können in eine Zirrhose münden, sind aber in den Anfangsstadien reversibel. Grundsätzlich hat die Leber im Vergleich zu anderen Organen eine hohe Selbstheilungskapazität. Mittlerweile mehren sich sogar die Hinweise, dass selbst ein zirrhotischer Leberumbau in frühen Stadien reversibel sein kann.
Erst wenn ein großer Teil der Leberzellen zu funktionslosem Gewebe umgebaut wurde, bemerken die Patienten Symptome. In diesem Stadium ist eine völlige Regeneration nicht mehr möglich. Im »stummen« Stadium wird die Erkrankung häufig nur nebenbefundlich diagnostiziert oder bleibt viele Jahre unentdeckt. Chronisch anhaltende Entzündungsprozesse im Lebergewebe führen zu einer reaktiven Vermehrung von Bindegewebe und Vernarbung mit Knotenbildung (Fibrosierung). Infolge der Zerstörung der Architektur der Leber mit ihren Läppchen und Gefäßen kommt es zum Funktionsverlust der Hepatozyten und zu deren Schrumpfung. Ist die Leber bindegewebsartig vernarbt, spricht man von einer Zirrhose, die in Stadien von A bis C eingeteilt wird (Kasten).
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Eingeteilt werden die Stadien der Leberzirrhose nach dem Child-Pugh-Score (benannt nach den beiden Beschreibern). Dieser beinhaltet die Werte von Albumin und Bilirubin, die Menge an Aszites, das Vorhandensein einer hepatischen Enzephalopathie und den Quick-Wert (oder INR). Eine leichte Zirrhose besteht im Stadium A, während ein Score von C die höchste Kategorie darstellt.
Dabei geben die Stadien nicht, wie häufig angenommen, direkt den Grad der Lebereinschränkung an, sondern prognostizieren die Ein-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten. Diese liegt im Stadium A bei nahezu 100 Prozent, während im Stadium C die Sterblichkeitsrate nach einem Jahr bei über 60 Prozent liegt.
Eine Aussage über die Verstoffwechselungskapazität der Leber für Arzneistoffe kann mit der Child-Pugh-Kategorisierung allgemein nicht getroffen werden. Der Score ist nicht als quantitativer Marker für eine Dosisanpassung von Arzneistoffen geeignet. Nur in Einzelfällen liegen Daten zur Dosisanpassung anhand des Scores oder des Bilirubin-Werts vor.
Im Vergleich zur Fibrose wird bei der SLD Fett in die Leberzellen eingelagert, was deren Funktion ebenfalls einschränkt. Chronischer Alkoholabusus ist auch hier die häufigste Ursache. Daneben spielt die nicht alkoholische Fettleber (neuerdings Metabolic Dysfunction-associated Steatotic Liver Disease oder MASLD genannt), ausgelöst durch Übergewicht, die größte Rolle. Ohne Lebensstiländerung oder Ernährungsumstellung belasten die Noxen die Leberzellen anhaltend und es entsteht eine fortschreitende chronische Erkrankung.
Im Durchschnitt sind Zirrhose-Patienten wesentlich jünger als andere Patientengruppen. Vor allem bei den alkoholbedingten Lebererkrankungen sind die Patienten im Mittel etwa 50 Jahre. Männer sind doppelt so oft betroffen wie Frauen.