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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Metformin

Zwar ist Metformin so gerade nicht mehr unter den Top Ten der meistverordneten Arzneistoffe, aber unangefochten das wichtigste orale Antidiabetikum. Vor fast hundert Jahren erstmals synthetisiert, entdecken Forscher immer noch neue Seiten an dem Wirkstoffklassiker.
Daniela Hüttemann
09.09.2020  07:00 Uhr

Was ist das Einsatzgebiet von Metformin?

Metformin ist der einzig verbliebene Vertreter der Biguanide unter den oralen Antidiabetika. Es ist gemäß Leitlinie erste Wahl bei Typ-2-Diabetes, wenn eine Ernährungsumstellung und mehr Bewegung allein keine Besserung der Blutzuckerwerte gebracht haben, denn es senkt das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse infolge der Zuckerkrankheit und soll bei der Gewichtskontrolle helfen. Dabei ist sowohl eine Monotherapie möglich als auch die Kombination mit anderen oralen Antidiabetika oder Insulin. Auch Kinder ab zehn Jahren mit bestätigter Typ-2-Diabetes-Diagnose dürfen mit Metformin behandelt werden.

Neben diesen zugelassenen Indikation wird Metformin Frauen mit polyzystischem Ovarialsyndrom off Label verordnet. Darüber hinaus hat es verschiedenen Studien zufolge auch Potenzial in diversen anderen Einsatzgebieten: zum Abmildern der Nebenwirkungen einer Cortison-Behandlung, als Anti-Aging-Mittel, zur Raucherentwöhnung, zur Senkung des Krebsrisikos sowie bei Covid-19.

Wie wirkt Metformin?

Die chemische Struktur des Biguanids ist ziemlich einfach, aber die Wirkmechanismen sind immer noch nicht genau verstanden. Metformin gilt als sogenanntes dirty Drug mit verschiedenen Zielstrukturen. Es soll unter anderem die AMP-aktivierte Proteinkinase (AMPK) stimulieren. Ein Screening im vergangenen Jahr ergab, dass Metformin allein in der Leber rund 250 verschiedene Kinasen und andere Proteine beeinflusst, darunter solche, die den zellulären Stress regulieren.

Wie wird Metformin dosiert?

Metformin steht in den Wirkstärken 500, 850 und 1000 mg pro Tablette zur Verfügung. Die Dosis wird in den ersten zwei Behandlungswochen langsam gesteigert und dann anhand des Blutzuckerspiegels angepasst.

Welche Nebenwirkungen kann Metformin haben?

Die langsame Aufdosierung erfolgt auch, um die zu Behandlungsbeginn sehr häufigen gastrointestinalen Beschwerden wie Bauchschmerzen Durchfall, Übelkeit und Erbrechen zu reduzieren. Patienten sollten wissen, dass diese Nebenwirkungen nach den ersten Behandlungswochen in der Regel von selbst verschwinden. Bei massivem Erbrechen, schwerem Durchfall oder Dehydrierung sollte Metformin abgesetzt werden, da die Gefahr einer Übersäuerung, einer Laktatazidose, besteht. Gleiches gilt vor Operationen mit bestimmten Narkoseverfahren. Metformin sollte 48 Stunden vor dem Eingriff abgesetzt und frühestens nach 48 Stunden wieder angesetzt werden. Generell gilt das Auftreten einer Laktatazidose als sehr seltenes Ereignis. Trotzdem sollten Patienten das Risiko und die Symptome kennen. Häufig verändert Metformin das Geschmacksempfinden der Patienten. Eher selten treten Hautreaktionen auf. Bei einer Langzeitbehandlung kann in sehr seltenen Fällen der Vitamin-B12-Spiegel zu stark sinken. Er sollte daher von Zeit zu Zeit überprüft werden. Ein großes Plus von Metformin: Unter der Monotherapie kommt es nicht zu Hypoglykämien.

Für wen ist Metformin nicht erste Wahl?

Zwar gibt es laut Fachinformation bislang keine Hinweise auf ein Missbildungsrisiko des Fetus unter Metformin-Einnahme in der Schwangerschaft. Trotzdem wird empfohlen, Schwangere mit Diabetes nicht mit Metformin zu behandeln, sondern auf Insulin umzustellen. Metformin geht in die Muttermilch über. Daher wird Stillen unter Metformin derzeit nicht empfohlen. Es ist darüber hinaus kontraindiziert bei Alkoholabusus und akuter Alkoholintoxikation, Leberinsuffizienz, jedweder metabolischer Azidose, Nierenversagen oder stark eingeschränkter Nierenfunktion sowie akuten oder chronischen Erkrankungen, durch die das Gewebe nicht genügend mit Sauerstoff versorgt wird, zum Beispiel bei einem Herzinfarkt, sowie bei akuten Zuständen, die zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion führen können, wie Dehydration, schwere Infektionen und Schock.

Welche Wechselwirkungen mit Metformin sind möglich?

Unter Metformin-Einnahme sollte Alkohol vermieden werden. Aufgrund der Gefahr einer Laktatazidose darf Metformin bei eingeschränkter Nierenfunktion nur mit Vorsicht eingesetzt werden, wenn gleichzeitig andere Arzneistoffe wie Diuretika und nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) gegeben werden, die die Nierenfunktion akut beeinträchtigen können. In Kombination mit Insulin oder anderen oralen Antidiabetika wie Sulfonylharnstoffen und Gliniden kann es zu Unterzuckerungen kommen.

Seit wann gibt es Metformin?

1918 entdeckten Forscher, dass die Heilpflanze Geißraute (Galega officinalis), die traditionell zur Blutzuckersenkung eingesetzt wurde, reich an Guanidinen ist. Daraufhin wurden synthetische Guanidin-Derivate hergestellt, darunter 1922 auch Metformin als Fusion von zwei Guanidin-Molekülen zum Biguanid. Da andere versuchsweise bei Diabetes eingesetzte Guanidine sich als zu toxisch erwiesen und Insulin vermehrt zur Verfügung stand, gerieten die Wirkstoffklasse und mit ihr Metformin zunächst in Vergessenheit. In den 1940er-Jahren kam das Guanidin-basierte Antimalariamittel Proguanil auf den Markt – mit blutzuckersenkenden Nebenwirkungen. Auch Metformin wurde als Malariamittel in Betracht gezogen und zudem unter dem Namen Flumamin gegen Grippe eingesetzt. 1956 schließlich legten der Mediziner Jean Sterne und die Pharmazeutin Denise Duval in Frankreich die wissenschaftliche Grundlage für den sicheren Einsatz von Metformin als Antidiabetikum.

Was gibt es noch zu Metformin zu wissen?

Abgesehen von den scheinbar immer neuen möglichen Einsatzgebieten gab es zu Metformin im Dezember 2019 auch negative Schlagzeilen. Schuld daran war nicht der Arzneistoff selbst, sondern eine mögliche Verunreinigung mit Nitrosaminen. Allerdings gaben die europäischen Arzneimittelbehörden Entwarnung. Da alle in der EU-zugelassenen Präparate derzeit untersucht werden, könnte es in den kommenden Monaten immer wieder zu Schwankungen bei der Verfügbarkeit kommen, hieß es im Juli vom neuen Beirat des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für Lieferengpässe.

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