Steckbrief Hydrochlorothiazid |
Brigitte M. Gensthaler |
16.12.2020 07:00 Uhr |
Hydrochlorothiazid erhöht den Harnfluss und wird daher zum Ausschwemmen bei Ödemen, aber auch zur Blutdrucksenkung und als Add-On bei Herzinsuffizienz eingesetzt. / Foto: Adobe Stock/Ben Schonewille
Wofür wird Hydrochlorothiazid eingesetzt?
Einsatzgebiete von HCT sind die arterielle Hypertonie, kardiale, hepatische und renale Ödeme und in Kombination mit ACE-Hemmern die chronische Herzinsuffizienz. Nur noch selten wird das Diuretikum als Monotherapie genutzt. In der Regel wird es kombiniert mit ACE-Hemmern, Betablockern, Calciumkanalblockern, kaliumsparenden Diuretika, Sartanen oder Renin-Inhibitoren.
Für Senioren ist HCT nicht unproblematisch: Laut FORTA-Liste (Fit fOR The Aged) zählen Diuretika bei Herzinsuffizienz und Hypertonie zur Kategorie B. Das bedeutet, die Wirksamkeit ist nachgewiesen, aber es gelten Einschränkungen. Zudem können sie das Sturzrisiko erhöhen.
Wie wirkt HCT?
HCT als Prototyp der Thiazide ist ein bizyklisches Sulfonamid-Derivat, bei dem eine der beiden Sulfonamid-Gruppen in das Ringsystem eingebunden ist (Benzothiadiazin-Derivat). Primär erhöhen Thiazide die Ausscheidung von Elektrolyten; sekundär steigt dadurch der Harnfluss durch das osmotisch gebundene Wasser. HCT hemmt reversibel den Natrium-Chlorid-Kotransporter im distalen Tubulus in der Niere. In der Folge werden Natrium, Chlorid, Kalium und Bicarbonat vermehrt ausgeschieden. Bei einer Langzeittherapie nimmt die Calcium-Ausscheidung ab, sodass eine Hypercalcämie resultieren kann. Die Elektrolyt- und Wasserausscheidung setzt innerhalb von einer bis zwei Stunden ein, erreicht ein Maximum nach drei bis sechs Stunden und hält bis zu zwölf Stunden an.
Wie wird HCT dosiert?
HCT wird einmal täglich unzerkaut zum Frühstück mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen. Die Dosierung richtet sich nach der Indikation. Bei arterieller Hypertonie beträgt die Initialdosis 12,5 bis 25 mg und die Erhaltungsdosis in der Regel 12,5 mg. Höher dosiert wird in der Therapie von Ödemen: initial und als Erhaltungsdosis meist mit 25 bis 50 mg, in seltenen Fällen mit bis zu 100 mg. In der adjuvanten Therapie der Herzinsuffizienz werden 25 bis 37,5 mg HCT empfohlen.
Wann darf HCT nicht gegeben werden?
Bei chronisch niereninsuffizienten Patienten mit einer Kreatinin-Clearance unter 30 ml pro Minute und/oder Serumkreatinin über 1,8 mg pro 100 ml sowie bei Niereninsuffizienz mit Oligurie oder Anurie ist das Medikament praktisch unwirksam und kontraindiziert. Weitere Kontraindikationen sind eine Überempfindlichkeit gegen Thiazide und Sulfonamide, akute Glomerulonephritis, hepatisches (Prä-)Koma, Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypovolämie oder Dehydratation, Hypercalcämie und Gicht.
Schwangerschaft und Stillzeit
HCT passiert die Plazenta, aber nicht die Blut-Hirn-Schranke. Nehmen Schwangere es im zweiten und dritten Trimenon ein, können Störungen der fetoplazentaren Perfusion sowie fetale und neonatale Schäden wie Ikterus, Elektrolytstörungen und Thrombozytopenie auftreten. Bei Schwangerschaftsödemen und -hypertonie oder einer Präeklampsie sollte HCT nicht eingesetzt werden, bei essenzieller Hypertonie schwangerer Frauen nur, wenn keine andere Behandlung möglich ist.
Die Einnahme während der Stillzeit wird nicht empfohlen, da HCT in geringen Mengen in die Muttermilch übergeht und in hohen Dosen die Laktation hemmen kann.
Welche Nebenwirkungen sind möglich?
Zu den sehr häufigen unerwünschten Wirkungen, die mehr als 10 Prozent der Patienten erleiden, gehören neben einer Glucosurie auch Störungen im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt, vor allem eine Hypokaliämie, aber auch reduzierte Spiegel an Natrium, Magnesium und Chlorid sowie erhöhte Calciumwerte. Häufig sind Thrombozytopenie, Hyperurikämie (mit drohendem Gichtanfall), Hyperglykämie, erhöhte Serumlipide, Herzklopfen, Appetitlosigkeit und Magen-Darm-Beschwerden. Bei Patienten mit Diabetes kann sich die Stoffwechsellage verschlechtern und ein latenter Diabetes mellitus kann manifest werden.
Aufgrund der Sulfonamid-Struktur kann es zu Haut- und Überempfindlichkeitsreaktionen kommen. HCT wirkt photosensibilisierend. Für Aufsehen sorgten im Herbst 2018 zwei epidemiologische Studien auf der Grundlage des dänischen nationalen Krebsregisters, die ein erhöhtes Risiko von hellem Hautkrebs (Basalzell- und Plattenepithelkarzinom) mit steigender kumulativer HCT-Dosis fanden. Daher werden konsequenter Sonnenschutz und regelmäßige Hautkrebsvorsorge-Termine empfohlen. Eine mögliche Alternative zu HCT ist Chlortalidon, zu dem aber keine Daten zum Hautkrebsrisiko vorliegen.
Welche Wechselwirkungen sind zu beachten?
HCT interagiert mit vielen anderen Wirkstoffen. Eine Auswahl: Andere Antihypertonika, aber auch Nitrate, Barbiturate, trizyklische Antidepressiva, Vasodilatatoren und Alkohol können die Blutdrucksenkung verstärken. Bei zusätzlicher Einnahme von ACE-Hemmern kann der Blutdruck zu Behandlungsbeginn massiv bis hin zum Schock abfallen und die Nierenfunktion kann sinken (selten bis zum akuten Nierenversagen). Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR), Salicylate sowie Phenytoin können die antihypertensive und diuretische Wirkung vermindern. Bei Patienten mit Hypovolämie oder Dehydratation kann die parallele Gabe von NSAR und HCT ein akutes Nierenversagen auslösen.
Die gleichzeitige Anwendung mit kaliuretischen Diuretika wie Furosemid, Glucocorticoiden, Adrenocorticotropin, Penicillin, Salicylaten, Amphotericin B oder Laxanzien kann die Kaliumverluste verstärken. Eine Hypokaliämie kann lebensbedrohliche Arrhythmien auslösen.
Welche Besonderheiten hat HCT?
Wie alle Diuretika steht auch HCT auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping Agentur WADA. Die Anwendung ist in und außerhalb von sportlichen Wettkämpfen verboten. Sie werden als Maskierungsmittel missbraucht, weil die Harnverdünnung den Nachweis von Dopingmitteln erschwert. In Sportarten, bei denen Wettkämpfe in Gewichtsklassen ausgetragen werden, werden sie zur raschen Wasserausschwemmung missbraucht.
Strukturformel Hydrochlorothiazid (HCT) / Foto: Wurglics