Späte Frühchen, rechtzeitige RSV-Impfung |
Neben den vermeintlich gesunden späten Frühchen sind es auch Kinder unter zwei Jahren mit Atemwegserkrankungen und Herzfehlern, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren RSV-Verlauf haben. / Foto: Adobe Stock/parinya agsararattananont
Das Respiratorische Synzytial-Virus (RS-Virus, RSV), das für 50 Prozent aller Fälle von Lungenentzündungen und bis zu 90 Prozent der gemeldeten Fälle von Bronchiolitis im Säuglingsalter verantwortlich ist, hat in der vergangenen Saison die Kinderkliniken im gesamten Bundesgebiet überrollt. 80 Prozent der Krankenhäuser meldeten Versorgungsengpässe, die zu einem Aufnahmestopp geführt haben - und das bereits im August und September. Viel früher als gewöhnlich zirkulierten vermehrt RS-Viren, und da sich das Immunsystem der Kinder aufgrund der Corona-Maßnahmen und Kita-Schließungen im Jahr 2020 nicht ausreichend hatte entwickeln können, registrierte das Robert-Koch-Institut so viele schwere Verläufe wie noch nie.
Dieses Jahr lief die RSV-Saison später an, lediglich in einzelnen Regionen wurden im Spätsommer zunehmend Kinder mit RSV-Infektionen der unteren Atemwege in Kliniken aufgenommen. Doch nun fiel der offizielle Startschuss: Seit Ende Oktober empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), mit der RSV-Prophylaxe für Hochrisikogruppen zu beginnen. Die bis vor wenigen Tagen einzige dafür in Deutschland zugelassene Prophylaxe war die passive Immunisierung mit Palivizumab (Synagis®). Anfang November hat nun die Europäische Arzneimittelagentur EMA mit Nirsevimab (Beyfortus®) einen weiteren Antikörper zugelassen.
»Im vergangenen Jahr hatten wir eine unberechenbare RSV-Infektionslage, mit schweren Verläufen, längerer Liegedauer und auch älteren Kindern. Die Infektionslage hat sich überall auf dem Erdball im vergangenen Jahr dramatisch verändert. Die Nicht-Exponiertheit des Immunsystems aufgrund der Corona-Kontaktbeschränkungen beeinflusste die RSV-Dynamik«, berichtete Professor Dr. Thorsten Orlikowsky, Leiter der Neonatologie und Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen, im Rahmen einer Presseveranstaltung von Astra-Zeneca.
Orlikowsky machte darauf aufmerksam, dass die RSV-Übertragung auch von Wetterfaktoren abhängig sei. So beeinflussten Änderungen der Niederschläge den Zeitpunkt und den Ausbruch des Virus. »Eine erhöhte Luftfeuchtigkeit aufgrund erhöhter Temperaturen reduziert etwa den Umfang der saisonalen Übertragung. Trockenere Bedingungen führen dagegen zu größeren saisonalen Änderungen bei den Übertragungen«, stellte der Mediziner aktuelle Studiendaten vor. Für die nahe und weitere Zukunft prognostizierte er eine zwar insgesamt »flachere RSV-Aktivität, dafür aber über das gesamte Jahr verteilt«.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.