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Respiratorisches Synzytial-Virus 

Späte Frühchen, rechtzeitige RSV-Impfung

Der Startschuss für die diesjährige RSV-Prophylaxe für Hochrisikogruppen ist gefallen: Nach der schweren RSV-Welle in der vergangenen Saison mahnen Experten diesmal etwas früher zur vorbeugenden Impfung mit Palivizumab (Synagis®). Mehr Kinder als bislang gedacht haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf.
Elke Wolf
09.11.2022  09:00 Uhr

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RS-Virus, RSV), das für 50 Prozent aller Fälle von Lungenentzündungen und bis zu 90 Prozent der gemeldeten Fälle von Bronchiolitis im Säuglingsalter verantwortlich ist, hat in der vergangenen Saison die Kinderkliniken im gesamten Bundesgebiet überrollt. 80 Prozent der Krankenhäuser meldeten Versorgungsengpässe, die zu einem Aufnahmestopp geführt haben - und das bereits im August und September. Viel früher als gewöhnlich zirkulierten vermehrt RS-Viren, und da sich das Immunsystem der Kinder aufgrund der Corona-Maßnahmen und Kita-Schließungen im Jahr 2020 nicht ausreichend hatte entwickeln können, registrierte das Robert-Koch-Institut so viele schwere Verläufe wie noch nie.

Dieses Jahr lief die RSV-Saison später an, lediglich in einzelnen Regionen wurden im Spätsommer zunehmend Kinder mit RSV-Infektionen der unteren Atemwege in Kliniken aufgenommen. Doch nun fiel der offizielle Startschuss: Seit Ende Oktober empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), mit der RSV-Prophylaxe für Hochrisikogruppen zu beginnen. Die bis vor wenigen Tagen einzige dafür in Deutschland zugelassene Prophylaxe war die passive Immunisierung mit Palivizumab (Synagis®). Anfang November hat nun die Europäische Arzneimittelagentur EMA mit Nirsevimab (Beyfortus®) einen weiteren Antikörper zugelassen. 

»Im vergangenen Jahr hatten wir eine unberechenbare RSV-Infektionslage, mit schweren Verläufen, längerer Liegedauer und auch älteren Kindern. Die Infektionslage hat sich überall auf dem Erdball im vergangenen Jahr dramatisch verändert. Die Nicht-Exponiertheit des Immunsystems aufgrund der Corona-Kontaktbeschränkungen beeinflusste die RSV-Dynamik«, berichtete Professor Dr. Thorsten Orlikowsky, Leiter der Neonatologie und Intensivmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen, im Rahmen einer Presseveranstaltung von Astra-Zeneca

Orlikowsky machte darauf aufmerksam, dass die RSV-Übertragung auch von Wetterfaktoren abhängig sei. So beeinflussten Änderungen der Niederschläge den Zeitpunkt und den Ausbruch des Virus. »Eine erhöhte Luftfeuchtigkeit aufgrund erhöhter Temperaturen reduziert etwa den Umfang der saisonalen Übertragung. Trockenere Bedingungen führen dagegen zu größeren saisonalen Änderungen bei den Übertragungen«, stellte der Mediziner aktuelle Studiendaten vor. Für die nahe und weitere Zukunft prognostizierte er eine zwar insgesamt »flachere RSV-Aktivität, dafür aber über das gesamte Jahr verteilt«.

Risikokinder identifizieren

»Wenn wir Risikokinder schützen wollen, müssen wir wissen, wie sich die lokale RSV-Lage darstellt, wie es also um die Infektionszahlen und Klinikbelegungen im Umkreis bestellt ist.« Das sei dieses Jahr besser geglückt. Nur so sei es möglich, besonders exponierte Kinder rechtzeitig passiv zu immunisieren. Wichtig sei dabei, die erste der fünf nötigen Palivizumab-Injektionen kurz vor der RSV-Welle zu applizieren und die Impfserie in Vier-Wochen-Intervallen intramuskulär fortzuführen, um keine Durchbruchsinfektion zu riskieren, appellierte der Neonatologe. Bereits die erste Dosis des monoklonalen Antikörpers bietet Schutz vor Infektionen, das Wirkmaximum wird jedoch erst mit den weiteren Injektionen erreicht.

Ein besonders hohes Risiko für einen schweren Verlauf einer Infektion haben Kinder, die in der 35. Schwangerschaftswoche oder früher geboren wurden, und Kinder unter zwei Jahren mit einer vorangegangenen bronchopulmonalen Dysplasie oder hämodynamisch signifikanten angeborenen Herzfehlern. Dass Frühchen besonders prädisponiert sind, erklärt sich durch ihren schlechteren Nestschutz, den sie von der Mutter mitbekommen haben. »Der Großteil der Antikörper der Mutter wird im letzten Trimenon übertragen. Kommen die Kinder zu früh, besitzen die Kleinen nur die Hälfte der Antikörper«, erklärte Orlikowsky.

»Um im Falle eines verstärkten Infektionsgeschehens zu entscheiden, welche Kinder besonderen Schutz benötigen, sollten auch individuelle Risikokonstellationen berücksichtigt werden, vor allem bei Kindern, die zwischen der 29. und 35. Schwangerschaftswoche geboren werden«, informierte Dr. Franziska Schaaff, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Infektiologie, aus Eckental. »Gerade diese ‚päten Frühgeborenen werden häufig übersehen, weil sie wie Reifgeborene wahrgenommen werden. Dabei können spezielle individuelle Faktoren bei ihnen auch zu einem schweren Verlauf führen.«

Dazu gehörten etwa männliches Geschlecht oder Geschwister im Kindergarten- oder Schulalter. »Aber auch wenn sie innerhalb der Saison geboren wurden und weniger gestillt werden, sollten wir eine passive Immunisierung für sie in Betracht ziehen.« Als weitere Risikofaktoren nannte sie schwere neurologische Erkrankungen, Rauchen in der Wohnumgebung oder Schwangerschaft, niedriges Geburtsgewicht oder Atopie in der Familie.

Nachhaltige Vorbeugung

Abgesehen vom direkten Schutz der Kinder sei die passive Immunisierung auch für die weitere Entwicklung der Kleinen relevant. Eine RSV-Infektion der unteren Atemwege sei ein signifikanter Risikofaktor für eine anhaltende Anfälligkeit gegenüber Atemwegserkrankungen. »Vermutlich haben einmal infizierte Frühgeborene aufgrund ihrer ohnehin unreifen Architektur der Atemwege lebenslange Einbußen bezüglich Atemwegserkrankungen«, sagte Schaaff. Diese seien gekennzeichnet durch vorübergehendes, frühes und wiederkehrendes Keuchen und Asthma im ersten Lebensjahrzehnt und möglicherweise bis ins Jugend- und Erwachsenenalter.

Als niedergelassene Pädiaterin äußerte Schaaff allerdings Impf-Nachbesserungsbedarf an der Schnittstelle Krankenhaus/ambulante Versorgung. Während die Impfserie mit Palivizumab in den Kliniken rechtzeitig begonnen werde, hapere es bei den Niedergelassenen oft an der Regelmäßigkeit, die weiteren Impfdosen im 4-Wochen-Rhythmus zu applizieren. Negativ wirke sich dabei auch die »erschreckend hohe Unkenntnis der Eltern« bezüglich der Möglichkeit einer RS-Infektion aus.

Erleichterung für die Praxis könnte die Neuzulassung bringen: Nirsevimab (Beyfortus, das von Astra-Zeneca gemeinsam mit Sanofi entwickelt wurde, muss nur einmal appliziert werden muss. Und: Es stünde dann auch eine passive Impfung für gesunde Reifgeborene zur Verfügung. Für den anstehenden Winter rechnen die Experten jedoch nicht mehr mit der neuen Prophylaxe-Option, auch weil noch entsprechende Handlungsanweisungen fehlten.

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