Sensible Moleküle, komplex verpackt |
Christina Hohmann-Jeddi |
28.01.2021 13:58 Uhr |
Beim Transport und bei der Handhabung von mRNA-Impfstoffen wie Comirnaty müssen alle Vorschriften streng eingehalten werden, um die Stabilität zu gewährleisten. / Foto: Imago/Fotostand
Die Covid-19-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna enthalten mRNA (Boten-RNA), die für das Spike-Protein des SARS-Coronavirus-2 kodiert. »Anders als DNA muss RNA nicht in den Zellkern, um ihre Wirkung zu entfalten«, erklärte Borchard in dem Webcast am 26. Januar. »Die RNA muss nur ins Zellplasma an die Ribosomen gelangen.« An diesen Zellorganellen wird anhand der mRNA das Spike-Protein gebildet, auf das dann eine Immunantwort erfolgt.
Hierfür muss die negativ geladene RNA aber in die Körperzellen gelangen. Dazu müsse das große Molekül relativ stabil in ein Liposom verpackt werden, so der Technologe. In den Medien würden Liposomen häufig als Fettkügelchen bezeichnet, das treffe aber nicht zu. Es handele sich vielmehr um eine komplexe Struktur, die aus etwa fünf Komponenten zusammengesetzt sei. Die Rezeptur müsse ganz genau gewählt werden, denn sie entscheide über Stabilität und Pharmakokinetik. Die genaue Zusammensetzung sei daher ein Betriebsgeheimnis.
Der Biontech-Impfstoff Comirnaty® zum Beispiel enthalte Cholesterol, um die Liposomen zu stabilisieren, und das positiv geladene Phospholipid DSPC. Zusätzlich seien zwei von Biontech entwickelte Hilfsstoffe mit den Bezeichnungen ALC-0315 und ALC-0159 enthalten. Das kationische Lipid ALC-0315 sei dafür da, die negative Ladung der mRNA zu neutralisieren und ihr eine kompakte Struktur zu geben. Das pegylierte Lipid ALC-0159 dagegen stabilisiere die Liposomen und verhindere, dass sie aggregieren.
Liposomen lassen sich prinzipiell auf zwei Wegen herstellen: durch Rehydratation dünner Lipidfilme oder durch Mikrofluidik. Beim ersten Verfahren wird ein Lipid in einem organischen Lösungsmittel gelöst und das Lösungsmittel abgezogen, sodass nur ein Lipidfilm übrigbleibt. Auf diesen wird dann die wässrige Lösung gegeben. Durch starkes Schütteln erfolgt die Hydratation und es entsteht eine liposomale Zubereitung. Anschließend erfolgt eine Extrusion der Suspension durch einen Filter, um eine gleichmäßige Größenverteilung der Liposomen zu erreichen.
Bei der Mikrofluidik wird auf einem Chip die organische Phase mit den Lipiden in einem Kanal mit der wässrigen Phase mit den anderen Bestandteilen, zum Beispiel der RNA, in Kontakt gebracht. Je nach Einstellung des Geräts erhält man kleinere oder größere Liposomen mit einer homogenen Größenverteilung. »Bei Comirnaty beträgt ihr Durchmesser weniger als 100 nm«, informierte Borchard. Solche Geräte gebe es auch für die Produktion von Liposomen unter GMP-Bedingungen in größerem Maßstab. Die Produktion der mRNA erfolge in Bioreaktoren.
Da es sich bei den mRNA-beladenen Lipid-Nanopartikeln um komplexe Systeme handele, könne bei Transport und Lagerung einiges schiefgehen, sagte der Pharmazeut. »Bei Erschütterung oder falscher Rekonstitution kann es zum Zusammenfließen der Liposomen kommen, das kann zu Dosierungsungenauigkeiten führen«, nannte er ein Beispiel. Für die Stabilität sei es sehr wichtig, sich an die Transport- und Handhabungsvorschriften zu halten. Die Dosierung des Biontech-Produkts betrage nur 30 µg, da könnten kleine Fehler schon große Auswirkungen haben.
Ein Vorteil der mRNA-Impfstoffe ist, dass sie relativ schnell an Mutationen angepasst werden können, indem nämlich die Nucleotid-Sequenz der mRNA bei der Produktion geändert wird. »Wenn diese Anpassung nicht zu stark ist und zu viel von der mRNA-Struktur verändert, kann man wahrscheinlich auch die gleiche Formulierung verwenden«, sagte Borchard. Bei großen strukturellen Veränderungen des Moleküls müsse aber eine neue Formulierung entwickelt werden. Bei einer Reformulierung handele es sich dann im Prinzip um ein neues Arzneimittel.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.