Selbstmedikation bei Schlafstörungen |
Carolin Lang |
20.11.2020 18:00 Uhr |
Etwa ein Viertel der Bevölkerung berichtet über Schlafstörungen. Die Apotheke ist dann häufig die erste Anlaufstelle. / Foto: Adobe Stock / franz12
Treten Probleme mit dem Einschlafen, Durchschlafen oder mit der Schlafqualität auf, fragen Betroffene häufig erst einmal in der Apotheke um Rat. Bei der Beratung sollte pharmazeutisches Personal den Ursachen für die Schlafstörungen nachgehen und erkennen, wann der Patient ärztlichen Rat einholen sollte. Dies ist angezeigt bei einer Schlafdauer unter sechs Stunden oder bei lang anhaltenden Störungen über drei bis vier Wochen hinaus. Auch dann, wenn als Auslöser eine unerwünschte Arzneimittelwirkung oder eine Grunderkrankung vermutet wird, sind die Grenzen der Selbstmedikation erreicht.
Eignet sich der Fall jedoch für die Selbstmedikation, sollte der Kunde zunächst einmal zur allgemeinen »Schlafhygiene« beraten werden. Gegebenenfalls kann das pharmazeutische Personal zusätzlich schlafunterstützende Medikamente empfehlen. Eine Selbstdiagnose oder ein Präparatwunsch des Kunden sollte pharmazeutisches Personal stets hinterfragen. Dabei dürfen einige »W-Fragen« im Beratungsgespräch nicht fehlen. Wie könnte das konkret bei einem Patienten mit Schlafproblemen aussehen? Ein Beispiel:
Pflanzliche Arzneimittel haben einen hohen Stellenwert bei der Therapie von Schlafproblemen im Bereich der Selbstmedikation. Baldrianwurzel, Hopfenzapfen, Lavendelblüten, Melissenblätter und Passionsblumenkraut kommen hier zum Einsatz. Vorteilhaft sind die vergleichsweise wenigen Neben- und Wechselwirkungen, die große therapeutische Breite und die Tatsache, dass kein Abhängigkeitspotenzial besteht. Außerdem werden weder Fahrtüchtigkeit noch Leistungsfähigkeit beeinflusst. Ein wichtiger Beratungshinweis zu pflanzlichen Präparaten ist, dass die Wirkung verzögert nach einigen Wochen eintritt – hier ist also Geduld gefragt.
Schlafstörung – Insomnia, sleep disorder |Einschlafen – to fall asleep | Durchschlafen – to sleep through / to get a full night’s sleep | Erholung – rest | Schlafbedürfnis – need for sleep | Phytopharmakon – herbal medicine | Unruhe – restlessness | Verzögerte Wirkung – delayed effect | Abhängigkeit – addiction | Nickerchen – nap | Schlafgewohnheiten – sleeping habits
Außerhalb der Verschreibungspflicht sind außerdem die H1-Antihistaminika zur Behandlung von Schlafstörungen von Bedeutung. Doxylamin und Diphenhydramin sind in der Selbstmedikation zur Kurzzeitbehandlung über maximal zwei Wochen von Schlafstörungen bei Erwachsenen zugelassen. Mit dem Wirkeintritt ist nach circa 30 Minuten zu rechnen. Die Einnahme sollte dementsprechend eine halbe bis eine Stunde vor dem Schlafengehen erfolgen. Bei der Abgabe sollte auf eine eingeschränkte Reaktionsfähigkeit sowie möglichen »Hangover«-Effekte hingewiesen werden. Tipp für die Praxis: genügend Zeit zum Ruhen (circa acht Stunden) einplanen. Alkohol ist während der Einnahme zu meiden. Aufgrund des umfangreichen Nebenwirkungsspektrums stehen die Wirkstoffe aktuell in der Diskussion: Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht hat mehrheitlich empfohlen, die Wirkstoffe für Patienten ab 65 Jahren der Verschreibungspflicht zu unterstellen. Besonders in dieser Altersklasse, sollte die Abgabe daher kritisch hinterfragt werden.
DOs | DON’Ts |
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Zu regelmäßigen Uhrzeiten zu Bett gehen und aufstehen. | »Nickerchen« machen. Falls doch, dann maximal eine Viertelstunde. |
Für günstige Schlafbedingungen wie ein ruhiges, abgedunkeltes, wohltemperiertes Schlafzimmer sorgen. | (Hoher) Konsum von Alkohol, Koffein und Nikotin. Falls doch, einige Stunden Abstand zum Schlafengehen einhalten. |
Bettzeiten auf die Schlafenszeit begrenzen. | Größere Mahlzeit kurz vor dem Zubettgehen |
Regelmäßige körperliche Aktivitäten während des Tages | Anstrengende körperliche oder geistige Aktivitäten vor dem Schlafengehen |
Zubettgehritual wie bewusstes Abschalten von Smartphones oder abendliches Teetrinken einführen. | Bei nächtlichem Erwachen auf die Uhr oder das Handy schauen. |
Neben pflanzlichen Präparaten und H1-Antihistaminika fragen Kunden teilweise auch nach Präparaten, die Melatonin und L-Tryptophan enthalten.
Das »Schlafhormon« Melatonin wird vor allem nachts von der Zirbeldrüse produziert und spielt eine wichtige Rolle bei der Steuerung der zirkadianen Rhythmen und des Schlafes. Es ist häufig bei Kunden mit Jetlag gefragt. Es sind Melatonin-haltige Präparate ohne Rezept erhältlich, indem die Hersteller ihre Produkte als Nahrungsergänzungsmittel deklarieren.
Präparate mit L-Tryptophan, der biologischen Vorstufe von Serotonin, sollen einen möglichen Serotonin-Mangel beheben und so die Einschlaf- und Aufwachzeit verkürzen. Ein starker schlaffördernder Effekt ist bei der oralen Einnahme allerdings nicht zu erwarten. Sicherheitshalber darf L-Tryptophan nicht gemeinsam mit MAO-Hemmern oder SSRI eingenommen werden.
Damit Pharmaziepraktikanten das Thema Schlafstörungen angepasst auf die Produkte ihrer PJ-Apotheke noch einmal aufarbeiten können, steht im Serviceteil der PZ-Ausgabe Nummer 47 ein interaktives Arbeitsblatt zur Verfügung. Es kann auch als Anlass genutzt werden, das Thema mit den Kollegen in der Apotheke noch einmal durchzusprechen.