Doxylamin und Diphenhydramin für Senioren künftig als Rx? |
Daniela Hüttemann |
27.01.2020 13:44 Uhr |
Viele Menschen leiden im Alter unter Schlafstörungen. Wenn schlafhygienische Maßnahmen nicht helfen, können kurzfristig Medikamente in der Selbstmedikation zum Einsatz kommen. / Foto: Getty Images/amenic181
Bei Doxylamin und Diphenhydramin handelt es sich um antiallergisch wirkende Antihistaminika der 1. Generation, die beruhigende und schlaffördernde Eigenschaften haben. Sie werden allein oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen als Schlafmittel, bei Erkältungen oder eben aufgrund ihres dämpfenden Potenzials auch bei Allergikern zur Nacht eingesetzt.
Beide Wirkstoffe warten mit möglichen unerwünschten Wirkungen auf, weshalb ihre Verfügbarkeit ohne Rezept umstritten ist. So vermindern sie die Reaktionsbereitschaft und können Schwindel auslösen. Während Diphenhydramin die QT-Zeit am Herzen verlängern und die kognitiven Fähigkeiten einschränken kann, können unter dem auch anticholinerg wirksamen Doxylamin Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Obstipation und Harnretention auftreten. Auch sind EKG-Veränderungen möglich. Die Sturzgefahr ist laut Fachinformation unter Doxylamin erhöht. Ältere Anwender reagieren laut Fachinformation von Diphenhydramin empfindlicher auf die Substanz als jüngere. Beide Wirkstoffe stehen daher auf der PRISCUS-Liste.
In der Schweiz wurden laut »Pharmawiki« die meisten Arzneimittel mit Doxylamin und Diphenhydramin im vergangenen Jahr teilweise unter die Verschreibungspflicht gestellt. In Apotheken dürfen demnach aber entsprechende Präparate nach einem Beratungsgespräch und einer Abgabedokumentation weiterhin ohne Rezept abgegeben werden.
Im Fall von Doxylamin kann Hoggar®-Hersteller Stada die mehrheitliche Empfehlung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht (SVA) vom 23. Januar nicht nachvollziehen. Es gebe keine Datenlage, die die Einschätzung rechtfertige. »Wir können die SVA-Empfehlung zu Doxylamin absolut nicht nachvollziehen«, so der Stada-Deutschlandchef Eelco Ockers. Für die erhöhte Sturzgefahr gebe es keine belastbaren Studien, die diese Annahme belegen. Das Unternehmen verweist auf eine eigene Untersuchung. Demnach habe Stada die Aussagen von rund 170 Ärzten ausgewertet, die in den vergangenen sechs Monaten insgesamt mehr als 310.000 Patienten, davon 150.000 im Alter von über 65, mit Doxylamin behandelt hatten. »Die Ergebnisse liefern über alle Altersgruppen hinweg keinerlei Hinweise auf eine erhöhte Sturzgefahr«, betont das Pharmaunternehmen.
Zudem verweist Stada auf das Protokoll der vorletzten SVA-Sitzung im Juni 2019. Dort heiße es, die Anzahl der Berichte zu Nebenwirkungen bei Älteren seien insgesamt eher unauffällig. Die Studie zur Sturzgefahr aus dem Jahr 2015 gilt als umstritten. Damals hatte sich der SVA noch gegen die Unterstellung aller sedierend wirkenden Antihistaminika der ersten Generation unter die Verschreibungspflicht für Patienten über 65 Jahre ausgesprochen, wollte sich jedoch weiter mit der Problematik befassen, vorrangig mit Doxylamin.
Während für die Juni-Sitzung das ausführliche Protokoll bereits auf der BfArM-Website einsehbar ist, liegt für die Sitzung von vergangener Woche bislang nur ein Kurzprotokoll vor. Ob und wann das Bundesgesundheitsministerium die Empfehlungen des SVA umsetzt, bleibt abzuwarten.
Der Ansatz, eine Verschreibungspflicht für Ältere einzuführen, ist neu. Bislang gibt es solche Unterscheidungen nur für Kinder und Jugendliche oder abhängig von Indikation, Dosierung und Packungsgröße.