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Importarzneimittel

»Securpharm ist Blödsinn«

Markus Kerckhoff besitzt zwei Apotheken. Importarzneimittel kommen ihm nicht ins Haus. Die Folge: Pro Quartal zahlt er rund 2000 Euro Strafe an die Krankenkassen, weil er die 5-Prozent-Quote nicht erfüllt. Im Gespräch mit der PZ erklärt er, warum er es für seine apothekerliche Pflicht hält, gegen das System zu rebellieren – und zur Not bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen will.
Christina Müller
18.04.2019  14:20 Uhr

PZ: Warum leiten Sie Ihre Apotheken importfrei?

Kerckhoff: Der Auslöser war ein Fernsehbericht von 2017. Darin ging es um einen Onkologen in München, der mithilfe bildgebender Verfahren nachwei¬sen konnte, dass ein Krebsmedikament gefälscht war. Die Tumorlast bei dem betroffenen Patienten hatte sich unter einem bestimmten Wirkstoff zunächst verringert, nahm aber plötzlich aus zunächst unerfindlichen Gründen wieder zu. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass eine Packung des Arzneimittels gefälscht und nicht wirksam war. Die Fälschung war so professionell aufgemacht, dass es den Beteiligten unmöglich war, zu erkennen, dass damit etwas nicht stimmte. Das war für mich der Moment, in dem ich beschlossen habe zu handeln.

PZ: Was ist in Ihnen vorgegangen?

Kerckhoff: Ich sehe mich als Apotheker als letzte Instanz vor dem Verbraucher und fühle mich verpflichtet zu überprüfen, ob bezüglich eines Medikaments auch alles seine Richtigkeit hat. Darum habe ich entschieden, zum Schutz der Patienten Importe aus meinen Apotheken zu verbannen. Nicht, weil Importe grundsätzlich schlecht sind, sondern weil die Lieferketten oft nicht nachvollziehbar sind und letztlich ein Einfallstor für Fälschungen darstellen. Anhand der Packung kann ich nicht immer sicher erkennen, ob ich ein legal gehandeltes Arzneimittel in der Hand halte oder nicht.

PZ: Wie lief die Umstellung ab?

Kerckhoff: Das war ein schwieriger Prozess. Ich musste mein Warenlager neu sortieren und sowohl meine Mitarbeiter als auch meine Kunden davon überzeugen, dass dieser Weg der richtige ist. Wenn ein Patient darauf besteht, bekommt er natürlich einen Import von mir. Aber die meisten sind sehr dankbar für die Aufklärung und dann doch bereit, einen höheren Preis zu zahlen, wenn sie dafür ein sicheres Arzneimittel erhalten.

PZ: Seit Februar ist Securpharm scharf geschaltet. Inwiefern schützt das System vor Fälschungen?

Kerckhoff: Securpharm ist Blödsinn. Das System vergleicht lediglich Seriennummern, die der jeweilige Hersteller vorher in eine Datenbank eingetragen hat. Wer die Nummer zuerst abscannt, hat gewonnen – egal, ob es sich bei dieser Packung wirklich um das Original handelt oder nicht. Abgesehen davon erzeugen nicht nur pharmazeutische Unternehmer, die Originalia produzieren, diese Nummern, sondern auch solche, die mit Importen handeln. Also hätte auch zum Beispiel Lunapharm Seriennummern ins System einspeisen können, sodass die nachweislich illegal gehandelten Krebsmedikamente, die das Unternehmen auf den deutschen Markt gebracht hat, nicht als Fälschungen erkannt worden wären. Das ist grotesk. Als ob man einem Bankräuber den Schlüssel zum Tresor geben würde. Der Skandal, der vergangenes Jahr die Branche erschüttert hat, wäre durch Securpharm nicht zu verhindern gewesen und hätte ihn sogar noch verschärft.

PZ: Das ist ein hartes Urteil. Bringt Securpharm gar keine Vorteile?

Kerckhoff: Doch, damit lässt sich zum Beispiel der Graumarkt innerhalb Deutschlands eindämmen. Mithilfe der Seriennummer kann ein Hersteller erkennen, wem er ein Medikament zuerst übergeben hat. Wenn also ein Pharmaunternehmen an ein Krankenhaus geliefert hat und die Packung taucht plötzlich bei einem Großhändler auf, dann ist klar, dass diese Klinik das Mittel weiterverkauft hat. Dem kann ich etwas abgewinnen.

PZ: Eine Konsequenz aus dem Lunapharm-Skandal war, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) auf den Weg gebracht hat. Darin regelt er die Import-Förderklausel neu: Diese soll künftig nach Abgabepreisen der Präparate gestaffelt sein. Verbessert das tatsächlich die Arzneimittelsicherheit?

Kerckhoff: Was die Arzneimittelsicherheit betrifft, ist diese Regelung völlig unzureichend. Selbst aus wirtschaftlicher Sicht ist damit nichts gewonnen. Die Krankenkassen sparen vor allem durch die Rabattverträge Kosten ein. Seit es dieses Instrument gibt, ist die Import-Förderklausel überflüssig.

PZ: Der Bundesrat dringt darauf, die Importquote zu streichen. Wäre das Problem damit gelöst?

Kerckhoff: Ich bin natürlich gegen die Quote. Aber durch eine simple Streichung würde das Problem sogar noch vergrößert. Dann hätten wir die Situation, dass die Apotheken sich im Importbereich nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot richten müssten und streng genommen eine Importquote von 100 Prozent generieren müssten. Nur deswegen haben sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) und die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) damals darauf geeinigt, dass die Apotheken eine Importquote von 5 Prozent erfüllen müssen. Um Rechtssicherheit für die Offizinen zu schaffen, brauchen wir diesbezüglich eine Klarstellung im Sozialgesetzbuch V.

PZ: Was sollte der Gesetzgeber jetzt tun?

Kerckhoff: Er sollte das Wirtschaftlichkeitsgebot so modifizieren, dass die pharmazeutische Kompetenz angemessen berücksichtigt wird. Wir haben den Auftrag, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten sicherzustellen. Diese Regelung und die damit verbundene Sicherstellung der Arzneimittelsicherheit sollte das Wirtschaftlichkeitsgebot schlagen. Als Experte für Arzneimittel sollte uns die Entscheidung zustehen, ob wir eine Packung guten Gewissens in Verkehr bringen können oder nicht. Es steht sogar im Arzneimittelgesetz, dass wir die Abgabe verweigern müssen, wenn wir Bedenken haben. Diesen Verpflichtungen können wir nicht nachkommen, wenn wir gezwungen sind, mindestens 5 Prozent unseres GKV-Umsatzes mit Importen zu bestreiten. Das ist für mich der Kern des Übels: Entweder habe ich die Berufsfreiheit oder eine gesetzliche Vorgabe. Beides geht nicht.

PZ: Spielen Sie mit dem Gedanken, Ihre Argumentation juristisch durchzusetzen?

Kerckhoff: Ja, und die Gelegenheit dafür ist günstig. Es gibt zwei Möglichkeiten, das Bundesverfassungsgericht anzurufen: Entweder auf dem normalen Rechtsweg, indem man die üblichen Instanzen durchläuft, oder indem man ein neues Gesetz direkt nach Beschluss angreift. Sollte die Import-Förderklausel mit dem GSAV nicht fallen, bin ich vorbereitet. Wir sollten als Berufsstand für unsere Unabhängigkeit und die Freiberuflichkeit kämpfen und hier klar Profil zeigen. Diesen Weg bin ich bereit zu gehen.

PZ: Wenn Sie ein Gesetz erlassen dürften mit dem Ziel, die Arzneimittelsicherheit zu verbessern: Welche drei Regelungen würden ganz sicher darin auftauchen?

Kerckhoff: Eine Änderung des Paragrafen 47 AMG und dort die Streichung des Satzes »andere pharmazeutische Unternehmer und Großhändler«. Damit wären die Lieferketten kurz und überschaubar und der Graumarkt trockengelegt. Die Lieferketten müssen viel strenger reguliert werden. Es kann nicht sein, dass ein Großhändler an den nächsten liefern darf und ein Hersteller an den anderen. Das macht die Wege völlig undurchsichtig. Hersteller, Großhandel, Apotheken – von dieser Linie sollte keine Abweichung erlaubt sein. Es ist zudem dringend nötig, die zuständigen Überwachungsbehörden der Länder zu stärken, angemessen auszustatten und auf Bundesebene zu vernetzen. Und wir brauchen natürlich eine Anpassung des Wirtschaftlichkeitsgebots, sodass die Kompetenz des Apothekers wieder zum Tragen kommt.

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