Scharfe Kritik am Regierungsentwurf |
Anne Orth |
27.07.2022 17:50 Uhr |
Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz will die Bundesregierung die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen stabilisieren. / Foto: imago images/CHROMORANGE
Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, den das Bundeskabinett heute auf den Weg gebracht hat, will die Bundesregierung das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen von wohl 17 Milliarden Euro ausgleichen. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem eine Anhebung des Beitragssatzes um 0,3 Prozentpunkte vor. Der Kassenabschlag der Apotheken in den Jahren 2023 und 2024 soll auf 2 Euro erhöht werden.
Auch die Pharmaindustrie soll einen Beitrag leisten. So soll unter anderem das Preismoratorium über den 31. Dezember 2022 hinaus um weitere vier Jahre verlängert werden. Vorgesehen ist zudem, den Herstellerabschlag nach § 130a Absatz 1 Satz 1 (allgemeiner Herstellerabschlag), der insbesondere für patentgeschützte Arzneimittel gilt, für ein Jahr befristet um 5 Prozentpunkte anzuheben. Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) soll weiterentwickelt werden.
Scharfe Kritik kommt von den Kassen. Die IKK kritisiert beispielsweise, dass der Gesetzentwurf Finanzierungslücken nur kurzfristig schließt. Nachhaltige GKV-Finanzierung sehe anders aus, heißt es. Auch müssten die Beitragszahler der GKV einseitig die Belastungen tragen, die durch fehlende Strukturreformen und gestrichene Kontrollmöglichkeiten entstanden seien. Der AOK-Bundesverband hält das vorgestellte Maßnahmenpaket ebenfalls für völlig ungeeignet, die kurz- und mittelfristigen Finanzprobleme der GKV zu lösen. Die Hauptlast müssten die Beitragszahlenden tragen, meint auch er. »Das Maßnahmenpaket destabilisiert die gesetzliche Krankenversicherung«, lautet der Vorwurf von Jens Hoyer, Vorstandsvize des AOK-Bundesverbands.
Widerstand kommt auch von der Pharmaindustrie. »Das GKV-Spargesetz ist eine Gefahr für die Arzneimittelversorgung«, kommentierte Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH). »Angesichts der enorm gestiegenen und absehbar weiter steigenden Kosten für Energie, Rohstoffe und Logistik ist eine kostendeckende Produktion für viele Arzneimittel schon heute nicht mehr möglich. Dass die Bundesregierung nun eine Verlängerung des Preismoratoriums um weitere vier Jahre vorsieht, ist völlig unverständlich und könnte zu weiteren Marktrücknahmen führen«, kritisierte Cranz.
Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) warnt, dass die Bundesregierung mit diesem Vorhaben weiter unbeirrt den Pharmastandort Deutschland schwäche und die Gesundheitsversorgung hierzulande gefährde. Der Entwurf entziehe der Industrie Mittel für Investitionen in Forschung und Produktion in Millionenhöhe, bemängelt vfa-Präsident Han Steutel. Der Sparbeitrag der Pharmabranche durch Festbeträge, AMNOG-Rabatte, Zwangsabschläge und Individualrabatte belaufe sich bereits heute auf rund 21 Milliarden Euro.
Weitere Belastungen für Pharma-Unternehmen und Versorgungsengpässe befürchtet auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). »Mit dem Gesetz sendet die Politik ein innovationsschädliches Signal an die forschenden Unternehmen«, kritisiert Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung.