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Thromboembolien

Rivaroxaban für Kinder kurz vor der Zulassung

Neue Indikation und neue kindgerechte Darreichungsform: Das Antikoagulans Rivaroxaban könnte schon bald für Neugeborene und Kinder mit einer venösen Thromboembolie (VTE) zur Verfügung stehen. Diese Medikation könnte den kleinen Patienten viele Injektionen und Blutentnahmen ersparen.
Brigitte M. Gensthaler
17.11.2020  07:00 Uhr

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der europäischen Arzneimittelbehörde EMA hat eine positive Empfehlung für eine Zulassungserweiterung für Rivaroxaban (Xarelto®) abgegeben. Danach soll der Wirkstoff, der zur Gruppe der Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK) gehört, auch zugelassen werden für Kinder und Jugendliche ab Geburt bis zu 18 Jahren zur Behandlung von VTE, einschließlich Katheter-bedingter Thrombosen, Hirnvenen- und Sinusthrombosen sowie zur Prophylaxe erneut auftretender VTE. Das CHMP ergänzt auch eine neue Kontraindikation: Bei Kindern mit einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) unter 50 ml/min/1,73m² darf Rivaroxaban nicht eingesetzt werden.

Derzeit gebe es keine zugelassene orale NOAK-Option für Babys und Kinder, schreibt Hersteller Bayer. Alle vier Arzneistoffe dieser Gruppe (neben Rivaroxaban sind dies noch Apixaban, Dabigatran und Edoxaban) sind bislang nur für Erwachsene offiziell indiziert. Rivaroxaban wäre der erste zugelassene orale Faktor-Xa-Inhibitor für Kinder. Die Dosierung des NOAK richtet sich nach dem Körpergewicht, entsprechend der Standarddosis für Erwachsene von 20 mg einmal täglich.  Mit der Suspension zur oralen Anwendung habe man eine kindgerechte Darreichungsform entwickelt, betont der Hersteller. Kinder ab 30 kg könnten entweder die orale Suspension oder Tabletten (15 oder 20 mg) bekommen.

Risikofaktor Venenverweilkatheter

Da Kinder mit lebensbedrohlichen oder chronischen Erkrankungen heute bessere Überlebenschancen haben, nehmen auch Komplikationen wie kindliche VTE zu. Der häufigste Risikofaktor ist ein Venenverweilkatheter. Behandelt werden die Kinder bislang meist mit Heparinen (unfraktioniert oder niedermolekular), Fondaparinux und Vitamin-K-Antagonisten. Für sie bedeutet dies regelmäßige Injektionen und Blutentnahmen zur Gerinnungskontrolle. Da bei NOAK kein routinemäßiges Gerinnungsmonitoring erforderlich ist, würde die Zahl der nötigen Injektionen und Blutproben erheblich sinken.

Die Empfehlung des CHMP stützt sich unter anderem auf die randomisierte Phase-III-Studie EINSTEIN-Jr.  Darin erhielten 500 Kinder, die über mindestens fünf Tage parenteral mit Heparin oder Fondaparinux antikoaguliert worden waren, im Anschluss entweder Rivaroxaban in einer Körpergewichts-adaptierten Dosis oder weiterhin Heparin, eventuell gefolgt von einem Vitamin-K-Antagonisten. Unter Rivaroxaban gab es weniger erneute VTE als mit dem Therapiestandard (1,2 versus 3,0 Prozent), ohne dass mehr schwere oder klinisch relevante nicht-schwere Blutungen auftraten.

Genehmigt die Europäische Kommission die entsprechende Änderung, will Bayer eine Verlängerung des Patents um sechs Monate beantragen. Dadurch würde der Patentschutz für Xarelto in Europa bis April 2024 verlängert, heißt es in der Pressemeldung.

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