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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Rivaroxaban

Die Zulassung des Gerinnungshemmers Rivaroxaban im Jahr 2008 war ein großer Fortschritt in der Vorbeugung lebensgefährlicher Thrombosen. Für sein innovatives Wirkprinzip erhielt Xarelto® noch im gleichen Jahr den PZ-Innovationspreis.
Kerstin A. Gräfe
22.07.2021  11:00 Uhr

Was ist das Einsatzgebiet von Rivaroxaban?

Rivaroxaban ist ein direktes orales Antikoagulans (DOAK). Es wird eingesetzt zur Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) bei Erwachsenen nach elektiven Hüft- oder Kniegelenkersatzoperationen. Ebenso ist es indiziert zur Prophylaxe atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusserkrankung (pAVK) oder koronarer Herzerkrankung (KHK) sowie nach akutem Koronarsyndrom (ACS). Zudem ist Rivaroxaban zugelassen zur Schlaganfall-Prophylaxe bei nicht valvulärem Vorhofflimmern (nv VHF). Eine weitere Indikation sind tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien (TVT/LE) bei Erwachsenen sowie venöse Thromboembolien bei Kindern.

Wie wirkt Rivaroxaban?

Rivaroxaban ist ein hoch selektiver, direkter Faktor-Xa-Inhibitor. Er reagiert direkt mit dem aktiven Zentrum des Gerinnungsfaktors. In der Folge werden der intrinsische und der extrinsische Weg der Gerinnungskaskade unterbrochen. Resultierend wird die Aktivierung von Prothrombin (Faktor II) zu Thrombin gehemmt und die Bildung von Blutgerinnseln verhindert.

Wie wird Rivaroxaban dosiert?

Xarelto gibt es als Filmtabletten in den Stärken 2,5 mg, 10 mg, 15 mg und 20 mg sowie als 1-mg/ml-Granulat zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen. Die Dosierung richtet sich nach der Indikation.

Bei pAVK und/oder KHK werden zweimal täglich 2,5 mg Rivaroxaban empfohlen. Gleiches gilt nach ACS. Nach elektiven Gelenkersatzoperationen sollten Patienten einmal täglich 10 mg einnehmen. Bei akuten TVT oder LE werden initial für drei Wochen zweimal täglich 15 mg gegeben, dann einmal täglich 20 mg und ab dem siebten Monat einmal täglich 10 mg. Bei nv VHF beträgt die empfohlene Dosis einmal täglich 20 mg. Bei Kindern und Jugendlichen richtet sich die Dosis nach dem Körpergewicht.

Welche Nebenwirkungen kann Rivaroxaban haben?

Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen sind Blutungen. Im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten wurden dabei unter einer Langzeitbehandlung mit Rivaroxaban Schleimhautblutungen wie Nasenbluten und gastrointestinale Blutungen sowie Anämien häufiger beobachtet. Zusätzlich zur angemessenen klinischen Überwachung können daher zur Erkennung okkulter Blutungen Laboruntersuchungen des Hämoglobins/Hämatokrits sinnvoll sein.

Welche Kontraindikationen sind zu beachten?

Akute, klinisch relevante Blutungen stellen eine Kontraindikation dar. Nicht angewendet werden darf Rivaroxaban zudem beim Vorliegen von Läsionen oder in klinischen Situationen, die als Risiko für eine schwere Blutung angesehen werden. Die gleichzeitige Anwendung mit anderen Antikoagulanzien ist ebenfalls kontraindiziert, außer in der speziellen Situation der Umstellung der Antikoagulationstherapie oder wenn unfraktioniertes Heparin in Dosen gegeben wird, die die Durchgängigkeit eines zentralvenösen oder arteriellen Katheters sicherstellen. Eine weitere Kontraindikation sind Lebererkrankungen (inklusive Leberzirrhose Stadium Child Pugh B und C), die mit einer Koagulopathie und einem klinisch relevanten Blutungsrisiko einhergehen.

Zudem darf Rivaroxaban nicht in der Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten vermeiden, während der Behandlung schwanger zu werden.

Welche Wechselwirkungen können auftreten?

Das Interaktionsrisiko von Rivaroxaban ist vergleichsweise gering. Die gleichzeitige Anwendung mit Wirkstoffen, die zugleich starke CYP3A4- und P-Glykoprotein-Inhibitoren sind wie Azol-Antimykotika oder HIV-Protease-Inhibitoren geht mit einer signifikanten Wirkungszunahme von Rivaroxaban einher und wird daher nicht empfohlen. Ebenfalls vermieden werden sollte die gleichzeitige Gabe mit starken CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Carbamazepin und Johanniskraut, da sie zu einer verminderten Wirkung von Rivaroxaban führt.

Wegen des erhöhten Blutungsrisikos ist bei gleichzeitiger Behandlung mit nicht steroidalen Antirheumatika, Thrombozytenaggregationshemmern wie Acetylsalicylsäure und anderen Antikoagulanzien Vorsicht geboten. Auch die gleichzeitige Anwendung von Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) und selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) kann das Blutungsrisiko erhöhen.

Was ist bei Blutungen zu tun?

Als erste Maßnahmen sollte die nächste Einnahme verschoben werden und, falls erforderlich, die Therapie unterbrochen werden. Bei leichten, nicht lebensbedrohlichen Blutungen reicht in der Regel eine mechanische oder chirurgische Blutstillung unter gleichzeitiger Flüssigkeitssubstitution aus.

Ist die Blutung durch diese Maßnahmen nicht beherrschbar, sollte die Gabe eines spezifischen Prokoagulans wie ein Prothrombin-Komplex-Konzentrat, ein aktiviertes Prothrombin-Komplex-Konzentrat oder ein rekombinanter Faktor VIIa in Betracht gezogen werden. Zur Behandlung von lebensbedrohlichen oder nicht kontrollierbaren Blutungen ist zudem das Antidot Andexanet alfa (Ondexxya®) verfügbar.

Können Patienten unter Rivaroxaban gegen Covid-19 geimpft werden?

Laut der Deutschen Herzstiftung ist das Risiko für eine Blutung infolge einer Impfung unter DOAK gering. Somit stellt die Einnahme keine Kontraindikation gegen die Coronaimpfung dar. Es sollten jedoch die Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes beachtet werden und die Impfung mit einer möglichst dünnen Kanüle (23G oder 25G) erfolgen. Im Anschluss an die Impfung sollten Patienten die Einstichstelle etwa fünf bis zehn Minuten komprimieren. Experten raten Menschen mit Gerinnungshemmung vorsichtshalber zu einer längeren Nachbeobachtungszeiten von 15 bis 30 Minuten. Ein Hämatom nach der ersten Injektion ist keine Kontraindikation für die zweite Impfung.

Bayer hat ein Merkblatt für Fachpersonen zusammengestellt, in dem detailliert das Management der Rivaroxaban-Therapie vor der Impfung, am Tag der Impfung sowie danach beschrieben ist.

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