Push-ups für die Zellen |
Im Kampf gegen die Zellalterung setzt die Wissenschaftsjournalistin neben einer seit 15 Jahren andauernden niedrig dosierten Therapie mit bioidentischen Hormonen auch auf Nahrungsergänzungsmittel und Medikamente. »Da beim Älterwerden viele Stoffwechselprozesse langsamer und ineffizienter laufen, dürfte es sinnvoll sein, einige der Wirkstoffe zuzuführen, vorrangig die, die ab dem 40. Lebensjahr absinken. Auch wenn wir deren Wirkungsspektrum in den komplexen molekularbiologischen Systemen zum Teil nur ansatzweise kennen, ist die Vermutung begründet, dass bestimmte Nahrungsergänzungen wirken könnten – vor allem in Kombination mit Kalorienrestriktion und Sport.«
Zu den größten Hoffnungsträgern zählen laut internationalen Forschungsergebnissen Niacin und seine Wirkstofffamilie, also sämtliche Verwandte rund um das »Energiemanagementmolekül NAD+/NADH«. Zwar sei der Nachweis für ein längeres Zellleben noch nicht erbracht, aber seine Funktion habe eine biochemische Logik. »Wenn der NAD+-Spiegel altersbedingt ab 40 Jahren absinkt – was er unweigerlich tut –, können die Sirtuine weniger gut arbeiten. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass in den Mitochondrien für die ATP-Produktion NAD+ absolute Voraussetzung ist, dann nehme ich das doch in Form seiner Vorläufermoleküle!«
Ruge bezeichnet NAD+ als Energiepaketträger, der die Energie für mehr als 500 chemische Reaktionen in der Zelle liefert und Lieferdienste in sämtlichen unserer mehr als 37 Billionen Zellen ausführt. Es ist also die zentrale Schaltstelle der Zellatmung in den Mitochondrien. NAD+ nimmt Energie aus dem Nährstoffabbau auf und wird dabei zu NADH, was wiederum die Kleinstbatterien ATP – essenziell für den Zellstoffwechsel - auflädt. Zudem ist NAD+ grundlegend für NAD-konsumierende Enzyme, allen voran die Sirtuine. Ruge erklärt: »Die Sirtuine können nur arbeiten, wenn genügend NAD zur Verfügung steht. Sie arbeiten mit NAD-Bruchstücken, um die Chromosomen zu deacetylieren, also um bestimmte Proteine anzuregen. In den Mitochondrien können sie zum Beispiel die Abwehr von oxidativem Stress stimulieren.«
Da aufgrund seiner schlechten Bioverfügbarkeit NAD+ selbst nicht substituiert werden kann, rät Ruge zu Vorstufen wie Vitamin B3 (Niacin, Nicotinsäure), NR, NA, NMN oder NAM. Sie selbst hat sich für Nicotinamid-Ribosid (NR) in Kapselform entschieden, da es über das Zwischenprodukt NMN direkt die NAD+-Produktion erhöhen kann und keine Sirtuine hemmt. Es verursacht keine Flushes und ist besser nierenverträglich als die anderen Vorstufen. »Derzeit explodieren die Studien zu NR beziehungsweise NAD+. Es ist dabei, den Markt an Nahrungsergänzungsmitteln auch hierzulande aufzurollen. Die Forschung geht dahin, NR mit einem Proton zu versehen, um einerseits eine längere Verweildauer im Körper und andererseits einen intensiveren Energieboost zu erzielen.«
Ähnlich wichtig für die ATP-Produktion in den Mitochondrien ist Coenzym Q10 (Ubiquinon). Sein Manko ist Ruge zufolge die mangelnde Bioverfügbarkeit von lediglich 2 Prozent. Sie rät, auf spezielle Formulierungen wie etwa eine Cyclodextrin-Ummantelung, Micellierung oder liposomale Beschichtung zu achten. Das bringe eine bis zu 18-fach höhere Bioverfügbarkeit. Ruge: »Der Markt mit Nahrungsergänzungsmitteln ist ein Cowboymarkt und mit der Kneifzange anzufassen. Hier bin ich ein großer Fan von Apotheken mit ihrem pharmazeutischen Sachverstand.«