Push-ups für die Zellen |
In der Kalorienrestriktion und dem intermittierenden Fasten sieht Ruge eine gute Möglichkeit, die Zellfunktionen länger zu erhalten. »Fasten erzielt quasi eine Schubumkehr unseres Zellstoffwechsels. Ich bin ein großer Fan von einer dauerhaften Umstellung, also Intervallfasten mit reduzierter Kalorienanzahl. Das Heilfasten macht man ja höchstens ein- bis zweimal pro Jahr.« Bei längerer Nahrungskarenz geht der Körper in den sogenannten Hungerstoffwechsel über. Um Energie zu gewinnen, mobilisiert er statt Glucose überflüssige Fettreserven und fehlgefaltete Proteine. Dabei werden Ketonkörper als Ersatzbrennstoff freigesetzt, Blutzucker- und Insulinspiegel bleiben niedrig. Eine Fastenphase von ungefähr 16 Stunden ist für diese Wirkung notwendig.
Fasten scheint so effektiv zu sein, weil wesentliche an der Modulation des Alterns beteiligte Proteine beeinflusst werden: »In dem Moment, in dem der Körper durch Nahrungsentzug in einen gewissen Stress kommt, wird der mTOR-Proteinschalter deaktiviert. Damit werden anabolische Prozesse gestoppt. Doch da die Zelle Nahrung braucht – Mitochondrien laufen weiter und ATP muss gebildet werden –, geht die Zelle in die Autophagie. Sie schiebt also die Müllverwertung, das Recycling massiv an«, erklärt Ruge. Ein weiterer positiver Aspekt: »Die Sirtuine, die die Häufigkeit der Zellteilung und die Reparaturfähigkeit der DNA steuern, werden durch das Intervallfasten aktiviert. Dadurch, dass sich die Zellen durch weniger Nahrung langsamer teilen, haben mehr Reparaturenzyme mehr Zeit, die DNA zu reparieren. Eine durch Intervall-fasten ‚gesündere DNA‘ ist ein entscheidender Vorteil – wenn man bedenkt, dass 10.000 Schäden pro Zelle pro Tag vorliegen.«
Schon vor vielen Jahren haben Wissenschaftler in Laborversuchen herausgefunden, dass Tiere gesünder sind, wenn man ihnen nicht fortlaufend Essen anbietet, sondern sie Pausen machen. Sie litten seltener unter chronischen Erkrankungen und lebten um 20 bis 30 Prozent länger. Zwar kann man diese Ergebnisse nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen. Aber auch in Humanstudien zeigte sich in den vergangenen Jahren, dass Intervallfastende neben dem Gewichtsverlust weitere gesundheitliche Vorteile haben: eine gestärkte Immunabwehr, weniger entzündliche Prozesse, bessere Blutdruckwerte, einen verbesserten Zucker- und Fettstoffwechsel sowie weniger Demenzfälle.
Ruge hält sich bei der Auswahl an Lebensmitteln an die Ernährungsregeln von Dr. Valter Longo, Professor für Biogerontologie und Zellbiologie und Leiter des Longevity Institute an der University of Southern California. Demnach sollen 80 Prozent der Nahrung aus Gemüse bestehen, das bestenfalls saisonal, regional und biologisch angebaut ist. Laut Longo soll man pro Woche 25 verschiedene Gemüsesorten und Kräuter konsumieren. Auch die Proteine sollten möglichst aus Pflanzen stammen, wie aus Hülsenfrüchten. 0,7 bis 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag reichten aus. Zu wenige Proteine zu sich zu nehmen, sei genauso schädlich wie zu viele. Wer älter als 65 ist, braucht mehr Proteine – wie Eier, Milch oder Käse. Gesättigte Fette sind möglichst zu meiden, kurzkettige Kohlenhydrate möglichst auch. Gegessen wird idealerweise nur zweimal pro Tag, also »kein Snacking zwischendurch und Zucker seit zwanzig Jahren schon gar nicht«, plauderte Ruge aus dem Nähkästchen bei der zurückliegenden Expopharm in München.