Polypille überzeugt in Langzeitstudie |
Daniela Hüttemann |
23.08.2019 08:00 Uhr |
Statt mehrerer Medikamente täglich nahmen die Probanden der PolyIran-Studie täglich nur eine Kombitablette mit vier kardiovaskulären Wirkstoffen ein. / Foto: Adobe Stock/Sebastian Gelbke
An der PolyIran-Studie nahmen fast 7000 Personen im Alter von 50 bis 75 Jahren aus der Golestan-Kohorte teil, bei der die Gesundheit von mehr als 50.000 Iranern aus der gleichnamigen Provinz über Jahre verfolgt wird. Etwa jeder zehnte Teilnehmer der Studie hatte bereits ein schweres Herz-Kreislauf-bedingtes Ereignis wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzversagen erlitten. Mehr als drei Viertel der Probanden hatten zuvor bereits kardiovaskuläre Medikamente eingenommen.
Alle Patienten erhielten regelmäßig Schulungen über einen gesunden Lebensstil, doch nur eine Hälfte der Probanden bekam zusätzlich ein Kombipräparat aus Acetylsalicylsäure, Atorvastatin, Hydrochlorothiazid und Enalapril in fixer Dosierung. Wer unter dieser Medikation Husten entwickelte, wurde auf eine Viererkombi mit Valsartan statt Enalapril umgestellt. 63 Prozent der Teilnehmer nahmen ihre Tablette regelmäßig ein.
Während der Beobachtungszeit von fünf Jahren erlitten 8,8 Prozent der Teilnehmer in der Vergleichsgruppe ein schweres kardiovaskuläres Ereignis, unter Tabletteneinnahme dagegen nur 5,9 Prozent. Damit lag die Hazard Ratio bei 0,66 – die Ereignisrate konnte also durch die Arzneistoffkombination um ein Drittel gesenkt werden. Bereinigt um die Patienten, die zusätzlich andere kardiovaskuläre Medikamente einnahmen, lag der schütztende Effekt statt bei 34 Prozent immerhin noch bei statistisch signifikanten 22 Prozent.
In der Primärprävention war der Effekt deutlicher als in der Sekundärprävention (40 versus 20 Prozent Risikoreduktion). In der Gruppe mit der höchsten Adhärenz lag die Risikoreduktion sogar bei 57 Prozent. Alter und Geschlecht hatten keinen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse.
Auf den Blutdruck wirkte sich die Tabletteneinnahme interessanterweise nicht sehr deutlich aus, wohl aber auf den LDL-Wert. Auch die Nebenwirkungsrate war erstaunlicherweise vergleichbar. So traten insgesamt 21 Fälle intrakranialer Blutungen auf: zehn unter Medikament und elf in der Gruppe mit Minimalbetreuung. Bei 13 Patienten mit Polypille kam es zu Blutungen im oberen Gastrointestinaltrakt; in der Vergleichsgruppe waren es neun. 13 Prozent der Teilnehmer in der Tablettengruppe brachen die medikamentöse Therapie im Verlauf der Studie ab, davon 60 Prozent aus Gründen, die mit der Medikation zu tun hatten.
Die Number Needed to Treat (NNT), also die Anzahl der Patienten, die das Präparat einnehmen müssen, damit einem von ihnen ein schweres kardiovaskuläres Ereignis erspart bleibt, lag insgesamt bei 35, bei hoher Adhärenz bei 21.
Die Ergebnisse, die jetzt im Fachjournal »The Lancet« veröffentlicht wurden, zeigen zum ersten Mal die Wirksamkeit der Vierer-Fixkombi über einen längeren Zeitraum und das auch in der Sekundärprävention, betonten die Autoren um Studienleiter Professor Dr. Reza Malekzadeh von der Medizinischen Universität in Teheran. »Da das Nebenwirkungsrisiko der enthaltenen Wirkstoff sehr gering ist und die potenziellen Vorteile sehr groß, ist die Polypille sehr sicher«, betont Internist Malekzadeh, der von 1991 bis 1993 Gesundheitsminister im Iran war. Am meisten profitieren Patienten mit hoher Adhärenz. Der Studienleiter betont jedoch auch, dass die Kombitablette kein Ersatz für einen gesunden Lebensstil ist.
Die Viererkombi, die nur einmal täglich genommen werden muss, soll die Adhärenz im Vergleich zu herkömmlichen Therapieregimen deutlich steigern und auch die Kosten senken. Da bislang kaum Daten zur Langzeitanwendung sowie zu ihrem Einsatz zur Primärprävention vorlagen, wurde die Polypille bislang jedoch nicht großflächig eingesetzt. Gerade für Länder mit geringem bis mittlerem Einkommen könne sie jedoch eine gute Alternative sein, so die Autoren.
Die Studie war nicht dafür designt, die Gesamtsterblichkeit zu erfassen. Auch wurden nur zwei verschiedene Viererkombis in fixer Dosierung erprobt. Andere Kombinationen und Dosierungen könnten die Wirksamkeit noch steigern. Eine weitere Einschränkung ist, dass sie im ländlichen Iran mit einer Population vorwiegend zentralasiatischer Herkunft durchgeführt wurde, was die Übertragung auf andere Ethnien einschränken könnte.